„Welches elektrische Küchengerät braucht Deine Mutter zum Rühren von Teig?“ – Mein Besuch im Familienministerium

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Ihr Lieben, stellt Euch mal vor, da käme ein Mann zum Therapeuten und würde sagen: „Ich kann nicht mehr. Ich schaffe das alles nicht mehr. Die Kinder, der Haushalt und die Ehefrau will ja auch noch immer was.“ Hört sich komisch an, oder? Und ist das nicht schade?
Immer mehr Frauen rennen Richtung Burnout. Und es gibt natürlich auch gestresste Väter, aber dass sie ein Burnout aufgrund der Familien- und Haushaltssituation erleiden… geschieht so gut wie nicht in unserer Gesellschaft. In Sachen Gleichstellung gibt es also noch wahre Baustellen in unserem Land. Nicht, dass ich für mehr Burnouts auf Männerseite plädiere! Nein! Aber eben für weniger auf Frauenseite!
Ja, ich bin Euch noch eine Antwort schuldig. Ich hatte am Samstag – dem Weltfrauentag – auf unserer Facebookseite erwähnt, dass ich für Euch in Berlin unterwegs war. Und nachdem das Wochenende ein so sonniges war, bin ich also mit den Kindern durch den Garten gesprungen, statt mich vor den Computer zu setzen. Jetzt aber!schwe8

Unsere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hatte zum Empfang und zu ihrer Gleichstellungspolitischen Grundsatzrede ins Ministerium gebeten. Und weil ich es ganz wunderbar finde, wenn sich die Politik auch uns „Normalos“ öffnet, habe ich natürlich sofort zugesagt, bin nachmittags nach Berlin und abends wieder zurück nach Hause zu den Kindern. Wäre da nicht am Freitagmorgen noch die Uniklausur gewesen, wäre ich sicherlich auch über Nacht in der Hauptstadt geblieben, aber so ging es eben nur so. Ich sag es Euch.schwe6
Erstmal habe ich mir nach dem Flug in der Ministeriumskantine einen Salat und einen Kaffee bestellt, um dann über den roten Teppich zur Rede unserer Ministerin zu schreiten. Zum Glück war ich noch recht früh dran und konnte einen der Sitzplätze im Redesaal ergattern, denn das Haus platzte aus allen Nähten. Für viele, die später kamen, blieb entweder ein Stehplatz oder ein weiterer Raum, in dem die Rede per Video übertragen wurde.schwe4
Das Ministerium war – man stellt es sich ja vielleicht etwas klobig und braun in braun vor – überraschend hell mit vielen Glasflächen und gerahmten Kinderbildern an den Wänden der Flure. Manuela Schwesig ist 1974 geboren, sie ist also nicht viel älter als wir und hat einen Sohn, der in diesem Jahr sieben geworden ist, der also nur ein bisschen jünger ist als meine Tochter. Natürlich stellt man sich die Frage: Könnte ich da auch stehen? Wie würde ich reagieren? Was würde ich sagen? Und genauso scheint sich Frau Schwesig vor ihrer Rede andersherum gefragt zu haben, wie sie an unsere Situation anknüpfen kann, was sie hören wollen würde, wenn sie im Publikum säße und so redete sie dann auch. Sehr anschaulich und konkret.schwe3

Sie erzählte, dass ihr Sohn zu Hause Gleichberechtigung vorgelebt bekäme und dass ein Kind natürlich trotzdem im Alltag kaum vor den gängigen Klischees zu schützen ist. Zum vierten Geburtstag habe er ein Quiz-Spiel für lange Autofahrten geschenkt bekommen mit einigen tollen Fragen wie „Welches Beuteltier sitzt gern auf dem Baum und isst Eukalyptus? Coca Cola, Kojote, Kakerlake oder Koala?“ Aber eben auch mit solchen Fragen, die sie dann aussortierte: „Womit kann Mama die Wäsche auf der Leine festklemmen?“ Oder: „Welches elektrische Küchengerät braucht Deine Mutter zum Rühren von Teig?“

Sie erzählte auch, dass ihr Sohn zu seinem siebten Geburtstag acht Kinder eingeladen habe, zwei Jungen und sechs Mädchen. Das wären schlaue kleine Mädchen mit Durchsetzungskraft, sagte Schwesig. Solche, die wahrscheinlich bessere Noten schreiben würden als die Jungen in ihrem Jahrgang. Und die trotzdem später die Ausnahmen seien, in den Aufsichtsräten. Da erwarteten sie dann eher sechs Männer und zwei Frauen. Wenn sich nichts ändere in diesem Land!

Wenn eigene Kinder kommen, dann steht da diese Entscheidung: Kind oder Job? Eine „Urentscheidung“ vor der man da stehe, sagte Schwesig und fragte: Muss diese Entscheidung heute noch sein?

Sie forderte bessere Chancen für Frauen am Arbeitsmarkt, ein Ende der Lohndiskriminierung (Frauen verdienen immer noch 22 Prozent weniger als Männer), das Aufwerten von Berufen in der Pflege, damit sie auch für Männer attraktiv werden, einen Ausbau der Kinderbetreuung, aber eben nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ, was mir sehr wichtig wäre.schwe5

Die Partnerschaftlichkeit sei der Schlüssel, Männer bräuchten außerdem mehr Zeit für die Familie, nur so könne ein Gleichgewicht entstehen. Die Arbeitswelt müsse flexibler werden, eine Rückkehr von Teilzeit auf Vollzeit möglich sein. Es brauche mehr Frauen in Führungspositionen, das sei eben „keine Luxusdiskussion“. Außerdem schlug sie eine verbindliche Quote von 30 Prozent für alle Besetzungen ab 2016 vor. Es werde allerdings nur Fortschritt geben, sagte sie, wenn die gesetzliche Gleichstellung auch zu einer tatsächlichen Gleichstellung führen würde. Nur wer selbstbestimmt leben könne, sei frei. Nur auf diesem Wege könnten Abhängigkeiten verhindert werden. Gleichstellung sei ein Gerechtigkeitsthema. Und neben der Gerechtigkeit brauche es Freiheit unf Solidarität.
Was der Ministerin außerdem sehr am Herzen lag, war der Kampf gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Sie bat uns, das HILFETELEFON des Bundesministeriums bekannter zu machen, 60 Mitarbeiter arbeiten dort und die Nummer ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar:

08000 116 016

Denn der erste Schritt gegen die Gewaltspirale sei eben oft, sich Hilfe zu holen. Gebt die Nummer also gern weiter!

Nach der Rede sang Jana Kühn noch ein wunderschönes „Für mich, soll´s rote Roten regnen“ und dann trafen wir uns alle zum Plaudern und Snacken und Netzwerken vor dem Redesaal. Denn wie hatte Manuela Schwesig schon zu Beginn ihrer Rede gesagt? Netzwerken, Leichtigkeit, Fröhlichkeit dürfen bei allem Ernst ja auch nicht vergessen werden.schwe7
Toll war das, auch wenn mir nicht viel Zeit blieb. Um 20 Uhr sprang ich dann schnell in ein Taxi und nahm noch eine Dame mit, die sich ebenfalls verquatscht und Zeitdruck hatte. Soldirisch eben 🙂 Im Flugzeug schaute ich dann einfach eine Stunde lang aus dem Fenster und ließ das alles wirken. Die Uniklausur am nächsten Tag lief dann trotz Müdigkeit ganz gut.

Und wenn ich Euch sage, dass es für mich dann jetzt gleich schon wieder nach Berlin geht, dann haltet Ihr mich vielleicht für bekloppt, aber neben der Anstrengung und dem Aufwand bringen solche Touren eben auch immer unheimlich viel Inspiration. Ich bringe auch ganz bestimmt wieder eine schöne Geschichte mit. Für Euch. Und ich verrate mal wieder nicht welche, okay?
Liebe Grüße und einen guten Wochenstart Euch allen!schwe1

 

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1 comment

  1. Wenn eine eine Reise tut
    …dann kann sie was erzählen 🙂 Und wenn wir Leser viel Glück habn tut sie dass auch. Danke für die schöne Zusammenfassung. Da wäre oh gerne dabei gewesen, und so war ich es ja ein wenig 🙂 freu mich schon auf die nächste Berlin-Geschichte