Moderatorin und Zwillingsmutter Laura Karasek über Sexismus, Schönheitswahn, Dickpics, weibliche Lust und Fremdgehen

Laura Karasek, Moderatorin

Laura Karasek, Autorin und Rechtsanwältin. Foto: Gaby Gerster

Ihr Lieben, Laura Karasek ist Juristin, Moderatorin und Autorin – und sie lässt sich in keine Schublade stecken. Nicht in die der Mama von Zwillingsfrühchen, die 2015 zu früh ins Leben starteten, nicht in die der Tochter des namhaften Literaturkritikers Hellmuth Karasek, nicht in die der „Barbie“, der wortgewandten und intellektuellen Schriftstellerin oder der Karrierefrau im Businessoutfit. Sie will das alles sein, sie ist das alles – und polarisiert und magnetisiert damit gleichermaßen. 

In unserem Gespräch stellen wir etliche Parallelen fest, nicht nur lärmen all unsere Zwillinge im Hintergrund, während wir telefonieren – und haben Hunger! – sondern auch sie wurde geprägt von einem immer über den Tellerrand denkenden Vater, auch sie ging früh, mit 16, ins Ausland, auch sie ist irgendwie rastlos, will nicht auf der Stelle stehen bleiben und das Leben in großen Löffeln zu sich nehmen. Auf unsere Buchempfehlungen meldet sie sich mit den Worten: „Wow, was Romane angeht haben wir echt denselben Literatugeschmack.“ Und als ich schließlich google, wann Laura denn geboren ist, stelle ich fest, dass wir im selben Jahr unter demselben Sternzeichen und mit nur vier Tagen Unterschied geboren sind…

Nicht nur hat Laura meinen absoluten Lieblingsroman des Jahres 2020 geschrieben („Drei Wünsche*“) und wird durch ihre ZDFneo-Sendung „Laura Karasek – Zart am Limit“ immer bekannter, wird am 1.1.2021, zu Neujahr, mit Florian Silbereisen auf dem traumschiff durch die Idylle schippern, nein, sie hat auch einen wundervollen Gastbeitrag für unser neues Buch („Wow Mom*“) geschrieben und wir durften sie nun auch noch zum Interview bitten. Lehnt euch zurück, das wird eine wilde, spannende Reise durch die Themen, die uns Frauen heutzutage so beschäftigen. (*Affiliate Links)

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Dieser Blick! Foto: David Straßburger

Liebe Laura, ich muss einfach mit diesem Zitat beginnen, mit dem wir auch deinen Text in unserem Buch betitelt haben: „Für eine Mutter siehst du echt noch ganz gut aus“. Wie oft hörst du das und was entgegnest du?

Es ist jetzt nicht so, dass ich das dauernd höre, aber ein paar Mal ist es schon passiert, wenn ich abends rausgegangen bin und gesagt habe, dass ich übrigens schon Mutter bin. Und dann sagen die echt: „Uh, das sieht man dir gar nicht an.“ Das ist so ein vergiftetes Kompliment, weißt du. Das ist so ein Kompliment, das meint: „Ach so, ja daaafür ist es ja noch ganz okay…“ Oder „Du siehst gar nicht aus wie eine Anwältin.“ Aha, wie sieht eine Anwältin denn aus? Klüger, vornehmer, biederer?

Ich wusste nicht, dass da an Mütter andere Maßstäbe angelegt werden. Und ich Idiotin reagiere dann auch noch meistens mit einem: „Oh, voll nett, vielen Dank“ und ärgere mich dann, weil ich eigentlich denke: „Was für ein Arschloch“. Sowas kommt ja häufiger von Männern, würde ich sagen. Von Frauen kommen andere spitze Bemerkungen.

Zum Beispiel?

Ach, neulich war ich etwa in der Uniklinik für eine Untersuchung und da sagt ernsthaft die Ärztin so zu mir: „Wieso hatten Sie denn einen Kaiserschnitt?“ Und ich sag: „Ja, ich hab Zwillinge.“ Und sie so: „Ja, aber das muss man ja nicht.“ Also richtig vorwurfsvoll, wo ich so dachte: Warum muss ich mich jetzt vor irgendeiner fremden Ärztin dafür rechtfertigen, dass ich einen Kaiserschnitt hatte?!

Und dann hat man natürlich auch so ein paar Mädels im Bekanntenkreis, die dann – weil ich ja arbeite, wie du weißt – sowas sagen wie: „Laura, das ist ja so witzig, deine Kinderfrau und deine Kinder sehe ich immer auf dem Spielplatz, aber deinen Mann oder dich sehe ich da nie…“

Haha. Deinen Mann also auch nicht? Tsss. Lass uns aber doch direkt mal bei ihm und den Klischeefragen bleiben: Also stört ihn das denn gar nicht, dass du so viel arbeitest?

Doch natürlich, total, da rastet er regelmäßig aus, aber ich finde, ich hab die Prügel dann auch verdient. (lacht) Nein, Spaß beiseite. Er hat mich ja so kennengelernt, ich war damals noch Anwältin in einer Großkanzlei, wo man jetzt auch nicht wenig arbeitet… Und ich muss sagen, mein Mann ist einfach so cool. Ich find es total geil, dass ich dieses Thema mit dem Mental Load zum Beispiel gar nicht allein bei mir habe, weil mein Mann mir wirklich sehr viel… NEIN. Ich finde das blöd zu sagen, er nimmt mir so viel ab. Er nimmt mir nicht viel ab, es ist einfach genauso seine Aufgabe wie meine und er ist genauso gerne mit den Kindern zusammen und wirklich genauso viel mit den Kindern zusammen wie ich. Ich sehe da wirklich keinen Unterschied in unserer Beziehung, obwohl er auch Vollzeit und sehr viel arbeitet.

Ich finde das wirklich immer blöd, wenn Frauen – wie ich grad fast! – sagen: „Da unterstützt er mich“, denn das suggeriert ja, dass es primär die Aufgabe der Frau ist, irgendwie die Einkäufe zu machen und – was weiß ich – zur Drogerie zu gehen oder so. Ich finde, es gibt halt Sachen, die macht er lieber und da ist er auch besser drin, etwa bei den ganzen blöden Ablagen und Steuern und Rechnungen. Und ich mach dann halt die Fotoalben 😉 Das ist schon in Ordnung. Aber als Frau wird man immer gefragt „Wer ist denn bei den Kindern, wenn Du auf Geschäftsreise bist?“ Männer werden das nicht gefragt. Oder wie man das alles unter einen „Hut“ bekommt.

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Cilling. Foto: Gaby Gerster

Jetzt beschreibst du in deinem Roman „Drei Wünsche“ ja ziemlich detailgetreu eine Frau, die mit einem älteren Herrn fremdgeht. Wie fand er das denn?

Ähm, das fand er gut, weil er weiß, dass ich einen sehr feministischen Blick oder einen weiblichen Blick auf Lust und auf weibliche Sexualität ganz wichtig finde. Mir ging einfach dieses Klischee auf den Geist, dass immer nur die Männer fremdgehen. Naja, ich lebe hier halt auch in Frankfurt und hier sind viele Bänker und viel Geld… ich hatte es einfach satt, immer nur von Männern zu lesen, die ´ne Geliebte haben. Und weißt du, es muss doch genauso viele Frauen geben, die fremdgehen!

Ich bin in einer früheren Beziehung auch mal fremdgegangen und fand das durchaus aufregend. Das war sicherlich nicht das Klügste von mir, wobei ich auch unglücklich war in der Beziehung und so, aber ich glaube, auch Frauen haben manchmal das Bedürfnis nach Leidenschaft und neuer Lust und Sex mit jemand anderem. Wie sie das dann ausleben ist ihre Entscheidung. Natürlich sollte man das, wenn man Treue in seiner Beziehung vereinbart hat, nicht machen.

Ich kenne aber auch viele Leute, die eine offene Ehe führen und damit sehr gut fahren. Ich glaube aber, dass es ein Klischee ist, dass nur Männer eine Libido haben. Wir haben auch eine Libido!

Du sagst ja auch oft, du probierst total gern verschiedene Versionen von dir selbst aus. Welche davon ist dir denn am sympathischsten und welche magst du weniger?

Oh, da hat Benjamin von Stuckrad-Barre mal den schönen Satz gesagt: „Stell dich hinten an in der Reihe aller, die mich doof finden: die ersten 120 bin ich selbst.“ Ich glaube, das kennt jeder. Und auch ich selbst schwanke immer sehr zwischen Hybris und Selbstzweifel und Selbstverzweiflung. Ich kann jeder Version was abgewinnen. Niemand sollte in einer Version als Geisel verhaftet bleiben. Lieber Dinge ausprobieren! Die Welt ist so reichhaltig.

Ich mag durchaus die laute, lebhafte Laura, die sehr gesellig ist und die sehr viel Exzess braucht und Adrenalin. Ich mag aber auch die andere, die ich sein kann. Die etwas Schwermütigere, die Melancholischere, die Einsame, die man beim Schreiben manchmal ist, das weißt du ja selber. Weil man beim Schreiben ja eher alleine ist und man auch mal tiefer graben muss in seinen Erinnerungen und in seiner Seele.

Die mag ich auch, aber die kennen einfach weniger Leute, glaube ich. Jeder Mensch hat doch verschiedene Versionen von sich selbst, sowohl charakterlich als auch beruflich. Ich bin als Moderatorin anders als als Schriftstellerin und ich war auch als Rechtsanwältin anders. Das Wesen bleibt natürlich. Ich hab leider kein Schauspieltalent, deswegen bin ich nicht Schauspielerin geworden, aber ich mag das auch. Man kennt das ja auch von Freundinnen!

Mit meinen Mütter-Freundinnen rede ich zum Beispiel anders als mit meinen Single-Freundinnen. Mit denen rede ich total gern über Männer, über Ghosting, über toxische Beziehungen, weil ich das ja auch alles schon erlebt habe und noch kenne. Mich interessiert das auch immer noch und weiterhin. Nur, weil ich Mutter bin und verheiratet, heißt das ja nicht, dass diese Themen für mich keine Rolle mehr spielen.

Du lässt dich also nicht auf eine Rolle allein beschränken?

Der Mensch ist doch so ein wundervoll widersprüchliches Wesen! Ich finde das immer so schade, dass man denkt, nein, jetzt bin ich aber Anwältin oder jetzt bin ich aber Mutter, jetzt darf ich nicht mehr so und so sein. Oder jetzt rede ich nur noch über Babybrei und Klamotten aus Hafer und Hirse, nein! Mich interessieren immer noch Themen wie Gesellschaft, Liebe, Dating, Sexismus.

Auch wenn ich keine Ehe führe, in der eben diese Klischees, über die wir vorhin gesprochen haben, eine Rolle spielen. Ich habe Probleme wie Ungleichberechtigung in meiner Ehe wirklich nicht, ich sehe aber Freundinnen – Frauen und Bekannte – die darunter leiden, dass die Männer sich andere Sachen rausnehmen als sie ihren Frauen genehmigen. Wo die Frauen zu Hause wirklich so ein bisschen abgestellt werden. Und deswegen ist es mir wichtig, das anzusprechen. Für die Gesellschaft und für andere Frauen, weil ich finde, wenn man so eine Reichweite hat oder eben wie wir in der Literaturbranche arbeitet oder in der Medienbranche und die Möglichkeit hat, auf diese Themen Aufmerksamkeit zu richten, dann sollte man das tun.

Du lässt dich da ja überhaupt nicht in irgendeine Schublade stecken, ich hab mir mal aufgeschrieben, weil ich mit meiner Tochter jetzt wieder Chemie lernen musste: Öl und Wasser stoßen sich ab und du kannst sie verbinden… Ist das bei dir Selbstbewusstsein oder ist es Selbstschutz?

Definitiv Selbstschutz! Ich bin gar nicht besonders selbstbewusst. Ich hab zwei Kritiker als Eltern gehabt, ich bin Kritik also gewohnt. Auch von mir selber. Ich kann mich schon gut zerfleischen.

Wenn wir jetzt mal im Klischee zu bleiben, haben ja eher Frauen die „Begabung“, an sich herumzumäkeln oder immer zu denken, sie müssten einem Bild entsprechen oder jemandem etwas beweisen. Ich schütze mich davor, indem ich sage: Wenn du mich ´ne Tussi nennst oder ´ne Barbie, dann erfüll ich das jetzt auch. Dann setz ich mich hier halt hin mit ´nem pinken Lipgloss. Und wenn mir dann jemand sagt: „Du siehst gar nicht so aus wie ne Autorin“, denn das betrifft ja nicht nur meine Rolle als Mutter und dann weiter meint „Ich hätte gedacht, du bist ´ne Spielerfrau“, dann hau ich das nochmal extra drauf. Weil ich denke, wenn ich jetzt anfange, mich so zu geben oder so anzuziehen, wie andere es von mir erwarten, dann knick ich ja ein, dann geb´ ich ja nach.

Dann ist das also eine klassische Trotzreaktion mit deinem Äußeren?

Genau, ich bin eigentlich noch ein 13jähriges trotziges Mädchen. Ich suche nicht mein inneres Kind, ich versuche, meinen inneren Teenager zu umarmen.

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Hockst du so rum. Foto: privat

Jetzt hast du ja neulich bei Instagram erwähnt – das haben wir ja auch auf unserer Stadt Land Mama-Facebookseite geteilt und wurde ziemlich stark diskutiert – dass es viele Frauen gibt, die für mehr Schönheit ein paar IQ-Punkte hergeben würden. Gilt das auch für dich, würdest du das tun?

Ich finde das ne interessante Frage. Ich finde diese Statistik spannend, ich habe ne ganze Sendung zum Thema Sexismus gemacht und eine Sendung zum Thema Schönheit und Schönheitswahn und Selbstoptimierung für ZDFneo. Ich war auch gestern in Stuttgart bei einer Konferenz, wo es um weibliche Rollenbilder in den sozialen Medien ging und auf dieser Konferenz wurde eben auch diskutiert, warum viele besonders erfolgreiche Influencerinnen eben doch wieder sehr klassische tradierte Rollenbilder besetzen. Die Frage war, ob sie mit den Themen wie Make-up, Beauty und Fashion Rollenbilder verfestigen, dass Frauen schön zu sein haben.

Und ja, natürlich sag ich mal so: Es gibt auch dazu Studien, dass schöne Menschen erfolgreicher sind. Da heißt es aber eben auch, wenn man zu schön ist, will einen auch wieder keiner einstellen. Ok, das Problem hab ich nicht (lacht). Aber ich glaube schon, dass das Thema Optik durch Social Media wieder wahnsinnig groß geworden ist.

Man kann auch sexy sein, wenn man Mutter ist. Man darf auch attraktiv sein, wenn man eine intellektuelle Schriftstellerin ist. Ich glaube, man darf auch widersprüchlich sein und kann sagen: Ja, ich interessiere mich halt genauso dafür, mal auf ne Party zu gehen und da nen Minirock anzuziehen und da einfach nur zu tanzen und Spaß zu haben, wie ich es auch genießen kann, zu Hause auf dem Sofa zu liegen und irgendwie Gedichte von Rilke oder Brecht zu lesen. Ich finde, das schließt sich einfach nicht aus!

Und ich glaube: Ja, ich wäre wahrscheinlich bereit, IQ-Punkte abzugeben, um einen Makel auszugleichen – vielleicht, weil ich vermessenerweise denke, dass da noch genügend übrigblieben. Aber vielleicht irre ich mich da auch.

Trotzdem erwähnst du ja manchmal in Social Media auch, wie unwichtig Schönheit eigentlich ist. Das finde ich jetzt spannend…

Ja, ich finde es schade, darauf reduziert zu werden. Als Frauen stehen wir ja unter genug Druck! Du musst ne gute Mutter sein und ne tolle Karriere machen und du musst ne tolle Ehefrau ein und ne tolle Freundin und ne tolle Tochter für deine Eltern und du sollst dies und das… Und dabei sollst du aber bitte auch noch aussehen, als würdest du gleich noch einen Victorias Secret Angel-Auftritt haben.

Natürlich ist das jetzt sehr hochgegriffen, aber bei Männern ist das immer okay, wie die aussehen. Bei Politikern wird das Äußere einfach nicht so häufig kommentiert wie bei Politikerinnen und das nervt mich. Und leider machen das auch zum Teil Frauen, dass egal, was ich anhabe oder wie mein Look ist, dass sie dann erstmal sagen: „Ähhh, die hat zu viel Make-up. Ohh, da zeigt sie wieder zu viel Haut!“ Ich finde, das sollte viel egaler sein. Wenn das für mich so okay ist, wie ich rumlaufe, dann ist es doch nichts, worauf man ständig bei anderen Frauen auf ihrer Optik rumhacken sollte! Das hat sich in der Gesellschaft auch verändert.

Inwiefern hat sich das verändert?

Ich bin inzwischen so, dass ich Menschen darauf aufmerksam mache, wenn sie sagen: „Guck mal, wie sieht die denn aus!“ Oder: „Uh, guck mal, die, die hat nen viel zu fetten Arsch für die Hose“. Dann sage ich: „Entschuldige, lass das bitte.“ Das sage ich auch zu anderen Frauen, weil das einfach nicht geht. „Lass die doch die Hose tragen! Warum stört es dich? Warum tangiert es dich, wie diese andere Frau aussieht. Es hat nichts mit dir zu tun, lass es doch einfach.“ Das, glaub ich, meine ich damit, dass das nicht so wichtig sein sollte.

Also sollten wir uns weniger miteinander abgleichen, meinst du?

Ja! Dieser Vergleich macht doch todunglücklich! Mich macht ja schon der Vergleich mit mir selbst unglücklich, wenn ich Fotos von mir angucke, wo ich noch 25 war, da wird man auch sentimental und denkt: Aww, da war noch alles möglich, und jetzt mit Corona: Oh, da war noch alles schöner! Und wir sollten eben auch nicht dauernd auf andere Frauen gucken mit so nem Negativblick. Man könnte doch eher sagen: „Wow toll, wie schafft die das?“

Ich mein, ich hab auch ne Freundin, die Model ist und die sagt: „Ey, das ist auch krass harte Arbeit, so auszusehen, das ist ja kein Geschenk Gottes. Ich ess wenig, Ich mach jeden Tag mindestens zwei Stunden Sport.“ Das ist ja jetzt nicht so, dass das jedem einfach so zufällt. Was mich belustigt, ist, wenn total schöne Frauen behaupten: „Ach, ich mache gar nix dafür, ich seh einfach nur so aus von Wasser und Spinat. Ich mach nie Sport. Und ich kann essen, was ich will.“ Also ICH kann nicht essen, was ich will. Schön wärs.

Lass uns trotzdem nochmal weg von den Frauen und hin zu den Männern gehen. Wie ist das? Bekommst du da sexistische Sprüche oder bekommst du da täglich oder minütlich Dicpics? Wie ist das da?

Nein, die Dicpics haben etwas nachgelassen in letzter Zeit, seit es da so viele Aktionen gab, wo Frauen das dann öffentlich gemacht haben. Ich hab schon Dicpics bekommen, auch schon ganze Fotolovestorys, so richtig mit Hand an der Hose, steifem Penis und Ejakulat.

Wie reagierst du darauf? Anzeige? Auch öffentlich machen?

Mal so, mal so. Entweder ignorier ichs. Oder ich machs auch mal öffentlich, wenn es besonders dreist ist. Wie neulich, da hat mir wieder einer geschrieben in so ner Direct Message. Sogar siezend! „Ja, Frau Karasek, ich bin bestimmt nicht der Einzige, aber ich muss gestehen, ich hole mir jedes Mal einen runter, wenn ich Sie im Fernsehen sehe.“ Das hab ich dann anonymisiert und in meiner Story geteilt. Darauf gab es viele Reaktionen von Frauen.

Zum Teil sind ja auch so lächerliche Dinge dabei wie: „Ich biete Ihnen 500 Euro, wenn Sie mir Ihre getragenen Schuhe schicken.“ Es sind viele Fußfetischisten unterwegs und ich weiß von anderen Moderatorinnen, dass sie auch diese Anfragen bekommen. Es gibt offenbar sehr viele Leute, die auf Füße sehr abgehen. Die dann auch Geld dafür zahlen wollen, um ein Foto von Füßen zu bekommen. Viele wollen auch ein Foto von meiner Achselhöhle haben, das ist mir auch neu. Dass man damit richtig Geld machen kann… haha. Neulich schrieb auch einer „Bitte schicken Sie mjr ein Foto in Strapse! Fassen Sie sich ein Herz!“ Ach so, stimmt, es ist ja kurz vor Weihnachten, haha – na dann erbarme ich mich natürlich…

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White lady. Foto: privat

Was macht das mit dir? Hast du dadurch einen anderen Blick auf Männer?

Ich glaube, es ist total individuell, ich kann das ganz gut ab, weil ich damit auch irgendwie – so schlimm es klingt – ein bisschen groß geworden wird. Ich hab als Frau auch einfach schon sehr viele übergriffige Männer im echten Leben erlebt. Ich kenne ja auch noch ne Zeit vor Social Media, genau wie du, und ich kenn auch noch ne Jugend ohne Handys und da gabs auch schon eklige Situationen.

Im Ansatz gibt es ja sowas auch in meinem Roman „Drei Wünsche“, wo ein Typ der einen Figur aufs Klo folgt und ihr von hinten in der Kabine die Hand in ihr Röckchen und in ihre Strumpfhose steckt. Ich hab auch neulich wieder so ne Situation gehabt, wo mir (vor Corona) vier Typen im Hotel in den Aufzug gefolgt sind, mich dort bedrängt haben und dann in meinem Flur auch ausgestiegen sind. Die kamen bis zur Zimmertür mit…. das macht mir dann schon Angst. Ich bin als Teenager auch belästigt worden, begrapscht, bedrängt. Auch von Taxifahrern. Das Virtuelle macht mir nicht so Angst. Weil ich das Gefühl hab, das sind so Trolle, die da irgendwie so rumsurfen und ich kann das ab.

Das heißt aber nicht, dass ich das okay finde oder meine, andere Frauen müssten das auch aushalten. Niemand muss das. Weißt du, ich glaube, jede muss individuell schauen, wo ihre Grenzen überschritten sind. Die Eine fühlt sich belästigt, wenn einer sagt „Na, du Hübsche“ oder wenn ein Bauarbeiter hinterherpfeift und eine andere sagt, mir macht das nichts, aber deswegen macht das die Aktion der Männer nicht in Ordnung. Nur weil ich gewisse Sprüche halt schon so lange kenne, macht das die Sprüche ja nicht okay.

Hat das irgendwas mit deinem Feminismus gemacht?

(denkt nach) Ja. Also ich hab doch erst sehr spät begriffen, dass ich überhaupt Feministin bin…

Hatte das durch Zufall auch mit deiner Mutterschaft zu tun?

Ja.

Bei mir auch. Bis dahin dachte ich, ich sei gleichberechtigt…

Ja, oder? Also bei mir ging das los (spricht mit ihrer Tochter, die sich beschwert, dass sie in ihrem Kinderzimmer telefoniert, worauf sie ins Büro wechselt), als ich Anwältin wurde. Da hab ich schnell begriffen: Oh, hier gelten irgendwie andere Regeln und jede Woche wird mein Outfit kommentiert. Man ist da natürlich auch in so ner Männerwelt und das hat ja auch durchaus seinen Reiz, weil man immer so ein bisschen ein Alleinstellungsmerkmal hat. Und ich hab das durchaus auch genossen aber gleichzeitig gemerkt: Ja, das hat was Positives, aber dieses Alleinstellungsmerkmal ist eben auch lästig, wenn man in einem Meeting eben auch mal „Blondie“ genannt wird vor anderen Anwälten. Ein Kanzlei-Partner sagte mal zu mir: „Ja, Blondie, wir haben verstanden.“ Und natürlich die ewigen Kommentare, dass man zu laut ist oder zu emotional oder ob man seine Tage hat.

Oder wenn du als Frau nicht eingeladen wirst, weil die Männer alle zum Eintracht-Spiel gehen und du denkst: Geil, jetzt gehen die Chefs alle mit den jungen Anwälten Gokart fahren oder ins Stadion und ich hab jetzt vielleicht berufliche Nachteile, weil ich nicht dabei bin als Frau. Und dann wurde ich Mutter und da hat es bei mir wie bei dir auch Klick gemacht und ich dachte: Krass, da gelten ja echt andere Bewertungsmaßstäbe. Für die Männer ändert sich nichts. Also schon in der Schwangerschaft ist das ja naturgegeben so, aber auch danach! Da habe ich gemerkt, dass man sich dauernd rechtfertigen muss, dass es abfällige Kommentare gibt, egal wie mans macht.

Wo kommt dieser Druck her, was ist da los?

Wir leben im Patriarchat. Selbst von Frauen kommen ja Kommentare wie: „Vermisst du deine Kinder nicht, wenn du so viel arbeitest?“ Ich glaube, die meinen das gar nicht so. Ihnen wurde das einfach von Anfang an so eingebläut. Die Frau ist halt für die Kinder da. Dazu wird uns noch immer beigebracht und vorgelebt: Es gibt nicht genug Platz für euch alle. Es ist nur die eine Frau da im Vorstand. Oder es gibt nur die eine Frau auf dem und dem Posten und deswegen ist da eine große Verunsicherung. Ich war halt auch oft auf Panels oder in Shows die Quotenfrau.

Ich glaube, viele Menschen sehen in dem Lebensentwurf, den ich habe, einen Angriff auf den eigenen Lebensentwurf. Im Sinne von „Ah die macht es anders als ich, damit muss die ja meinen, dass ich es falsche mache.“ Aber Vielfältigkeit ist kein Angriff! Nie! Es braucht keine Rechtfertigung.

Wenn eine Freundin von mir keiner Erwerbsarbeit nachgeht, verurteile ich sie genauso wenig wie eine Freundin von mir, die sagt: Ich will keine Kinder. Ich verurteile auch nicht meine Freundin, die ein ganz, ganz umtriebiges Sexleben hat. Warum sollte ich? Ich finde das geil! Also meine Mädels wissen auch, dass sie damit immer zu mir kommen können, wenn sie erzählen wollen, was sie mit Männern grad erleben. Ich freu mich, gib mir Details! Erzähl mir alles, kann ich Fotos sehen? Ich liebe das.

Ich erinnere mich ja auch selbst an meine wilden Jahre und ich beschäftige mich halt auch gern mit Sex, mit Lust und Dating und finde das alles hochinteressant. Und Monogamie oder nicht, ich finde das spannend und verstehe nicht, warum Leute da so moralisch werden, weil: Es wird ja niemand vor Gericht gezerrt, der sagt: Ich hab mich für ein Leben ohne Kinder oder ohne Mann oder mit tausend Männern entscheiden oder ich fahre fünfgleisig.“ Ist mir doch egal, also mach es doch! Leben und leben lassen. Und da erwarte ich aber auch, dass mir die gleiche Toleranz und Großzügigkeit entgegengebracht wird: „Ich tu dir doch gar nichts. Ich nehm dir nichts weg, ich WILL dir auch gar nichts wegnehmen. Ich will nur mein Leben so leben, wie ich möchte.“ Wir wollen doch alle nur glücklich sein.

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Pretty in pink (and black). Foto: privat

Das klingt auch sehr weise. Dafür muss man ja auch bei sich sehr angekommen sein, um diese Größe zu haben alle so sein lassen zu können wie sie sind. Haben dich deine Kinder vielleicht auch so ein bisschen dahingeführt? Du warst ja auch länger mit ihnen als Frühchen auf der Intensivstation, hat das deine Prioritäten schon nochmal verändert und dir gezeigt, was eigentlich wirklich wichtig ist und dass das eben kein Lipgloss ist, sondern dass die Kleinen überleben.

Total. Also die Intensivstation und in der Zeit ist ja auch noch mein Vater gestorben, das steht ja nun auch alles sehr autobiographisch in „Drei Wünsche“. Das hat mich sehr demütig gemacht. Es hat mir gezeigt, wie belastbar mein Mann, wie belastbar wir als Team sind. Das werde ich ihm nie vergessen, wie er zu mir damals war, wie wir da zusammen in diesem Krankenhaus gewohnt haben, wochenlang und einfach nur wollten, dass die Kinder von diesen Schläuchen wegkommen und von diesen piepsenden Geräten. Und da hab ich auch gedacht: Mir kann wirklich keiner vorschreiben, wie ich meine Kinder erziehen, wie ich sie lieben, wie ich als Mutter zu sein habe. ICH war da mit denen. Ich liebe sie über alles, das kann keiner bewerten, der da nicht selbst durchgegangen ist und ich brauche mich überhaupt nicht vor irgendjemanden zu rechtfertigen.

Das Wichtigste war einfach, dass die beiden nach Hause kommen und dass wir meinen Vater noch einmal sehen konnten. Den haben wir noch einmal besucht, bevor er starb, deswegen hab ich immer gehofft, dass wir entlassen werden, damit ich eben diese Reise noch antreten kann nach Hamburg, weil wir ja in Frankfurt leben und mein Vater auch nicht mehr reisefähig war, er konnte nicht zu uns. Ich wiederum konnte nicht weg von den Neugeborenen und wollte auch nicht weg. Aber es hat dann noch geklappt, wir konnten ihn noch einmal besuchen. Das war alles schmerzhaft. Da hab ich irgendwie so gedacht: Man braucht so viel mehr Nachgiebigkeit auch mit anderen Menschen und wir brauchen auch mehr Fehlerfreundlichkeit und viel mehr Mut zur Schwäche. Jeder Mensch hat so seine Kämpfe und seine Sorgen.

Gilt das nicht auch für uns selbst? Müssen wir das alles nicht auch auf uns selbst anwenden und gnädiger mit uns sein?

Natürlich! Viel gnädiger sogar. Wir sind viel zu oft viel zu hart mit uns. Und damit meine ich nicht, uns selbst den ganzen Tag zu sagen, wie geil wir sind, wir sind ja nicht die Trumps. Aber mal zuzugeben: Das habe ich falsch gemacht. Ja, gut. Aber ich lebe ja auch zum ersten Mal und übe noch. Wir könnten ja viel liebevoller zu uns sein. Ohne Schuldgefühle. Wir sind ja keine Monster, hoffentlich!

Hast du noch Sehnsüchte? Fühlst du dich angekommen?

Nie! Ich bin der sehnsüchtigste Mensch, den ich kenne. Ich liebe das Wort Sehnsucht, das Gefühl. Ich beneide da auch manche für ihre Zufriedenheit. Und staune, dass ihnen das reicht. Das soll gar nicht arrogant klingen, ich finde das wirklich faszinierend. Meinem rastlosten, getriebenen Wesen entspricht dieses Ankommen nämlich irgendwie gar nicht, ich habe viele Wünsche. Ich will immer noch mehr.

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