ANNA von BerlinMitteMom über Muttergefühle und … Glück # Teil 9 unserer Serie „Wir lieben Elternsein“

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gplus 16 Anna Luz de León hat drei Kinder, wohnt in Berlin und bloggt als BerlinMitteMom über "pädagogische Heldentaten und Experimente," "das gute Leben und die großen Zusammenhänge" und "die vielen kleinen Geschichten aus dem Alltag einer Berliner Großfamilie". Uns nimmt sie heute mit in ihre Kindheit, in der sie eine erste Idee von Glück entwarf. Ob sich das dann wirklich bewahrheitete?

Meine Kinder sind mein Glück ::: Ein Plädoyer für ein reiches Leben

Bis ich ungefähr vierzehn Jahre alt war, stand für mich fest, dass ich eine Familie wollte. Kinder. Der Mann für diese Zukunftsidee, ein Vater meiner Kinder, spielte für mich in dieser Vorstellung keine sehr große Rolle. Er kam nur am Rande vor, es ging für mich damals also offenbar nicht um eine romantische Idee von Liebe. Nein, es ging ums Muttersein. Um meine kindliche Vorstellung von Glück.

Schon zwei Jahre später hätte ich mir buchstäblich ALLES vorstellen können, was ich hätte sein oder werden wollen und für viele Jahre sprangen meine Ideen von mir selbst zwischen Extremen hin und her – nur dieser Aspekt des Mutterseins aus meinen kindlichen Lebensplänen kam darin überhaupt nicht mehr vor. Ich war jetzt sicher, dass DAS definitiv nicht für mich bestimmt war und zugleich überzeugt, dass ich kein vollkommenes Glück erleben würde.

Das mag alles jungendliche Verirrung gewesen sein, aber in einem Punkt hatte ich recht, sowohl mit vierzehn als auch mit achtzehn, neunzehn, dreiundzwanzig…: das vollkommene Glück liegt für mich persönlich in meiner Rolle als Mutter. Das konnte ich aber damals noch nicht wissen.

Heute bin ich vierzig und Mutter von drei Kindern. Es entspräche dem Mutterklischee in Reinform, wenn ich jetzt hier von den Glücksgefühlen nach der Geburt schwärmen würde oder von dem Schmelzgefühl im Mutterherzen, wenn meine Kinder mich anlächeln oder ich sie im Schlaf betrachte. Ja, es ist so, meine Kinder machen mich glücklich, ihr Lächeln haut mich um, sie in den Armen zu halten, füllt meine Glücksbatterien auf, immer. Aber darum geht es mir in diesem Text nicht.

Was ich wirklich erlebt habe, als ich Mutter wurde und was sich für mich Stück für Stück immer weiter verdichtet, je länger ich diese Kinder habe, ist etwas, das ich offenbar in meiner Kindheit geahnt habe und zwischendurch nicht wahrhaben wollte oder nicht sehen konnte: die Mutter, die ich bin, macht mich glücklicher und innerlich runder als alle anderen Aspekte meiner Persönlichkeit zusammen.

Was hatte ich mir mit achtzehn, zweiundzwanzig, fünfundzwanzig vorgestellt, was mich glücklich machen würde? Reisen? Das habe ich ausführlich getan und ja, es war wunderbar mit dem Rucksack durch Indonesien, Thailand, Sri Lanka zu reisen und all diese wunderbaren Erfahrungen machen zu dürfen, aber es war keine nachhaltige Glücksquelle.

Geld verdienen? Ich habe neben dem Studium immer gearbeitet und die abenteuerlichsten Jobs gemacht, vom Empfang in einer psychiatrischen Praxis über Laborarbeiten in der Pathologie bis hin zum Aushilfsjob in der Buchhandlung. Das Geld verschaffte mir Freiheit, ich konnte reisen, Dinge kaufen, die ich wichtig oder einfach nur schön fand, mich ein bisschen unabhängig machen von der Unterstützung meiner Eltern. Aber eine Glücksquelle? Nein, das war es nicht.

Am nächsten kommen dieser Vorstellung von Glück die Dinge, die ich mit all meiner Leidenschaft getan habe mein Leben lang: Schreiben und Musizieren. Das sind von jeher zwei meiner wichtigsten Kraftquellen gewesen. Aber konstante Glücksquellen sind auch diese beiden Tätigkeiten nicht.

Bevor meine erste Tochter geboren wurde, war ich damit beschäftigt, wissenschaftliche und literarische Texte zu schreiben, mich schreibend zu vernetzen und sehr viel meiner Energie da hinein zu geben. Ich tue das heutzutage im Grunde wieder und weiß, dass das “das Richtige” für mich ist. Das fordert mich, es macht mich komplett und es gibt mir ein gutes Gefühl, Dinge formuliert zu haben, sie “wegzuschreiben” oder Ideen nachzugehen, die in geplante Texte einfließen sollen. Aber vielmehr als ein Glücksgefühl gibt es mir ein vages Gefühl von Zufriedenheit, etwas abgearbeitet zu haben.

Seit ich aber Kinder habe weiß ich, dass das, was wir füreinander sind, eine einzigartige Beziehung abbildet, wie ich sie so vorher in meinem Leben nie kannte. Das Glück, das ich erlebe, weil ich ihre Mutter sein darf, lässt sich mit nichts anderem vergleichen, was ich je erlebt,  gesehen oder empfunden habe. Ich liebe meinen Mann von ganzem Herzen und bin jeden Tag glücklich und dankbar über diese Beziehung, die mir das Leben geschenkt hat. Aber das reine Gefühl von Komplettsein, Richtigsein, Glücklichsein geben mir nur meine Kinder.

Nun ist es mitnichten ein lustiger, sorgenfreier Daseinszustand auf Wolke sieben als Mutter. Nein,  Muttersein hat viele anstrengende und auch belastende Aspekte. Ich mache mir regelmäßig Sorgen über alles mögliche, ich fühle mich auch oft anfechtbar und ich habe nie das Gefühl, in meiner Rolle als Mutter perfekt zu sein. Und ja, meine Kinder machen mich oft wahnsinnig, das bringt der Alltag einfach mit sich.

Aber sie sind mein steter Antrieb, in meinem Leben nach den richtigen und den guten Dingen zu suchen, für sie, für ihren Vater und für mich. Und durch ihr pures Dasein machen sie es leichter, die guten Dinge zu sehen. Sie sind der Kern meines Familienuniversums, um sie scharen sich das Lächeln, die Leichtigkeit, die Neugier und eine unglaubliche Energie. Sie sind mein Pflaster auf einem schweren Tag, einer schlimmen Nacht, einem schmerzlichen Erlebnis. Sie sind die Antwort auf meine Frage, warum ich überhaupt auf diesem Planeten bin. Sie sind die ultimative Herausforderung, die das Leben an mich stellt und dabei die einzige, bei der ich mich nicht fragen muss, wieso zum Teufel ich sie erfüllen sollte.

Zu was macht das mein Muttersein? Wer bin ich, weil ich die Mutter dieser Kinder bin? Ich bin nicht schlauer, nicht stärker, nicht widerstandsfähiger oder ehrgeiziger als ich es vorher war. Aber ich bin vielleicht ein kleines bisschen ein besserer Mensch, als ich es nur für mich wäre, nämlich für sie, diese drei kleinen Menschen, die das Zentrum meiner Welt darstellen. Sie machen mich neugieriger, sie lassen mich staunen und an ihrem Staunen über die Welt teilhaben. Durch sie bin ich oft wieder ein bisschen gelassener, ich bin nicht so überkritisch mit allem, ich freue mich viel leichter auch an kleineren Dingen. Die Welt ist nicht perfekter durch Kinder, aber für Eltern fühlt sie sich runder an. Mein Leben ist in vielen Aspekten anstrengender und fordert mich mehr seit ich Mutter bin, aber es ist so viel reicher, als es je vorher war. Ich bin glücklich.

Heute bin ich vierzig Jahre alt und kann sagen, dass ich reich bin. Wenn ich morgen sterben würde, wäre das traurig und furchtbar, weil in meinem Leben noch so viel zu tun und zu erfahren ist und weil es zumindest drei kleine Menschen gibt, die mich noch brauchen. Aber ich könnte sagen, dass mein Leben reich war an Wundern, an Liebe und an Glück.

Danke, Kinder.

 

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11 comments

  1. *schnief*
    Ich habe Tränen in den Augen wenn ich das lese, so sehr berührt mich dein Text. Was vielleicht auch daran liegt das ich in der 20.Woche schwanger bin und es bald selbst erleben darf. Ich kann es kaum erwarten meine Kleine in den Armen zu halten und eine Mama zu sein.. danke für den schönen Text.
    Liebe Grüße
    Sabrina

  2. wunderschöne worte…ich
    wunderschöne worte…ich freue mich so sehr auf meine neue rolle
    als mutter…

    liebe grüße
    meliha

  3. :o)
    Oh wie ist das schön zu lesen!!!
    Wie lange geht eure Serie noch? Ich sitze nämlich vor jedem einzelnen Beitrag und muss Tränen der Rührung vergießen:o)
    So schön geschrieben!!! Dass jemand so treffend MEINE Gefühle aufschreiben kann, ist wunderschön und dafür bin ich unglaublich dankbar!!
    Danke liebe BerlinMitteMom
    von einer BerlinZehlendorfMom;o)
    Kirsten

  4. Oh ja
    ich kann dir nur zu 100% zustimmen, habe bisher alle Texte dieser Reihe gelesen, aber bei dir finde ich mich mit meinen Empfindungen wirklich das erste Mal komplett wieder. Lange habe ich nach dem wahren Glück gesucht, trotz aller schönen Dinge im Leben hat irgendwas gefehlt, bis ich es im Arm hatte.

  5. Glück
    Liebe Kerstin, wie schön, dass ich nicht allein bin mit meinem Glücksentwurf/-gefühl! Und wie schade, dass Mutterglück für manche offenbar so suspekt ist, dass das Darüberschreiben gleich torpediert wird. Ändert aber nix am Gefühl für mich. Liebe Grüße, Anna

  6. Glück
    Schöner Text in dem ich mich – genauso wie in Evas Text – wieder finde.
    Vermutlich wird Anna allerdings weniger oberfiese Kommentare bekommen, weil sie ihr grosses Glück über ihre Kinder besser sprachlich verpacken kann.
    Bzw. auch noch kurz über die anstrengenden Seiten schreibt. Wenn man das nicht tut, wird man ja quasi gelyncht in diesem Blog. Denn falls frau etwas selber nicht empfindet, dürfen andere ja auch nicht vorbehaltlos glücklich sein. Und schon gar nicht in der „man“ Form darüber schreiben. So albern.

  7. Ein schöner Text, im
    Ein schöner Text, im vorletzten Absatz finde ich mich wieder, wo es darum geht, dass man durch Kinder menschlicher wird. Ansonsten funktioniert für mich dieses absolute Inszentrumstellen der Kinder nicht. Für mich ist Glück ein Mix aus Kindern, Partnerschaft, Beruf, Freundschaften und andren Dingen und Beziehungen. Die Kinder machen mich erst richtig glücklich, wenn ich das alles in ausgewogenen Teilen habe. Liebe Grüße und alles Gute!

  8. Liebe Anna, deinen Blog
    Liebe Anna, deinen Blog verfolge ich ab und an mal so wie es mir meine Zeit erlaubt. Und ich freue mich über die vielen bloggenden Mütter.

    Mutter sein macht das Leben nicht leichter oder geortneter, aber es macht es voll von Glück, Wundern, es macht es vollkommen, es macht es rund.

    Ich habe mich in deinem Text ein bischen wieder gefunden,
    Danke schön.

    Alles Liebe für deinen weiteren Weg.
    LG

    1. Danke
      Liebe Denise, es freut mich sehr, dass mein Text übers Muttersein dich angesprochen hat – was wären wir Mütter ohne Wunder! Alles Liebe für dich, Anna