Die Autorin Nora Imlau über Mut in der Elternschaft # Teil 10 unserer Serie „Wir lieben Elternsein“

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Nora Imlau hat zwei Kinder und sie schreibt nicht nur für die Zeitschrift ELTERN, sondern auch auf ihrer eigenen Seite. Außerdem hat sie das wunderbare Buch „Das Geheimnis zufriedener Babys“ geschrieben. Wer keine news verpassen möchte, ist auf ihrer Facebook-Seite genau richtig. Heute schreibt sie für uns über ihre Geschichte. Und über ganz viel Mut.

Mit 22 Jahren war ich eine Studentin wie viele: Ich belegte Kurse in allen möglichen Geisteswissenschaften, träumte davon Autorin zu werden und studierte trotzdem aus Vernunftsgründen auf Lehramt. Denn: Wer kann heute schon vom Schreiben leben?
Meine freie Zeit verbrachte ich vorrangig auf WG-Partys und im Kino, zusammen mit meinem Freund, mit dem ich drei Jahre zuvor zusammen gezogen und in den ich unsterblich verliebt war. Und dann, ja, dann surfte ich manchmal noch heimlich auf Elternseiten im Internet herum und träumte davon, wie das wohl wäre: Selbst ein Baby haben. Woher diese Sehnsucht kam? Ich weiß es nicht. Vielleicht hatte sie der kleine Junge geschürt, den ich ab und zu hütete und von dem ich gelernt hatte, wie viel Spaß Kissenschlachten mit Zweijährigen machen. Vielleicht hatte sich der Wunsch auch in dem Moment in mein Herz geschlichen, als ich nach einer Verhütungspanne vorsichtshalber einen Schwangerschaftstest machte – und plötzlich eine leise Trauer in mir spürte, als der negativ war. Kurz gesagt: Ich wünschte mir ein Kind. Und ich wollte nicht mehr warten.
Ziemlich viele gute Gründe sprachen dagegen. Weder mein Freund noch ich hatten ein abgeschlossenes Studium, geschweige denn einen Job. Was wir hatten zwar unser Bafög-Budget, einen großen Freundeskreis und jede Menge Zeit neben allen Vorlesungen und Seminaren. Vor allem aber hatten wir Lust auf das Abenteuer Familie. Jetzt.
Es war ein wenig  leichtsinnig, und naiv, und ziemlich verrückt. Aber, hey: Ist Kinderkriegen das nicht immer? Wir jedenfalls jubelten, als dann tatsächlich unser Baby unterwegs war, und waren sicher: Das würden wir schon schaukeln. Natürlich muss ich heute schmunzeln, wenn ich in meinem Schwangerschaftstagebuch von damals lese, wie ich mir den Alltag mit einem Säugling vorgestellt habe. In einem Babykörbchen friedlich neben meinem Schreibtisch geschlafen hat unsere Tochter nämlich nie. Aber: Dass wir beide unser Studium natürlich auch mit Kind abschließen würden – darin haben wir recht behalten.
Während meiner Schwangerschaft machte ich dann ein Praktikum in München, bei der ELTERN-Redaktion. Hier konnte ich nicht nur schreiben, wie ich mir das immer erträumt hatte, ich durfte auch über das schreiben, was mich gerade am meisten beschäftigte: Babys! Bei jedem Interview, das ich in dieser Zeit führte, fragte ich nicht nur für die Leserinnen und Leser nach – sondern auch für mich. Egal, ob es ums Stillen oder ums Schlafen ging – ich recherchierte mit einer Hingabe und Sorgfalt, die nur aufbringen kann, wer für ein Thema wirklich brennt. Schließlich ging es bei all diesen Fragen ja nicht um irgendwen, sondern immer auch und ganz konkret um mich und mein Baby.
Wer auch immer sagt, dass Schwangere nicht zu viel lesen sollten, hätte über mein Verhalten wohl die Hände zusammen geschlagen. Denn gerade weil mir als recht junger Frau immer wieder Zweifel entgegen schlugen, ob ich der Verantwortung des Mutterseins überhaupt gewachsen sein würde, wollte ich natürlich extra gut vorbereitet sein. Nachts durchforstete ich Internetforen nach Erfahrungsberichten anderer Mütter und Väter. Besonders interessierte mich dabei die Frage, was diese beim nächsten Kind anders machen würden. Auf diese Weise, so mein Gedanke, würde ich möglichst viele Anfängerfehler gleich vermeiden und möglichst viel gleich richtig machen.
Und aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass diese Herangehensweise gar nicht so dumm war. Weil viele Frauen von schlechten Erfahrungen mit ihren Geburten in der Klinik schrieben, suchte ich mir eine wunderbare Hebamme und brachte mit ihrer Unterstützung meine Tochter zu Hause zur Welt. Weil ich über Stillprobleme bescheid wusste, konnte ich trotz wunder Brustwarzen mit allem Pipapo die Schmerzen überwinden und lang und gerne stillen. Weil ich tolle Erfahrungsberichte darüber gelesen hatte, wie praktisch und unkompliziert der Babyalltag durch das Tragen wird, hatten wir von Geburt an ein Tragetuch im Haus, das wir von Anfang super gerne benutzten. Und weil ich im Internet von den vielen Vorteilen des Familienbetts gelesen hatte, war es für meinen Freund und mich überhaupt keine Frage, dass unsere Kleine vom Tag ihrer Geburt an bei uns schlafen durfte.
All diese Tipps und Erfahrungswerte haben sich als so hilfreich erwiesen, dass der Start ins Familienleben für uns tatsächlich ein leichter und ein guter war, aller Befürchtungen von außen zum trotz. Und ganz nebenbei hatte ich durch meine Schwangerschaft und die Geburt meiner Tochter auch ein Thema gefunden, das mich begeistert und fasziniert und bis heute nicht loslässt: Die Frage, wie es gelingt, die angeborenen Bedürfnisse unserer Kinder mit denen von uns Eltern auf liebevolle Weise unter einen Hut zu kriegen.
Darüber (und über viele andere Familienthemen) schreibe ich seitdem jeden Monat in der Zeitschrift ELTERN, und im vergangenen Jahr ist mit „Das Geheimnis zufriedener Babys“ (GU, 19,95 Euro) auch mein zweites Buch zu diesem Thema erschienen.
Heute bin ich dreißig Jahre alt, mein Freund von damals ist heute mein Mann, unsere erste Tochter geht mittlerweile in die erste Klasse, und ihre kleine Schwester in den Kindergarten. Wir haben jung angefangen mit dem Elternsein und sind heute, wo viele unserer gleichaltrigen Freunde damit so langsam loslegen, aus der Baby- und Kleinkindphase schon heraus – was schön und traurig zugleich ist.

Manchmal habe ich mich in den vergangenen Jahren tatsächlich zu jung gefühlt für die Herausforderungen, die das Leben mit zwei Kindern und zwei Jobs so bereithält, aber das geht meinen zehn Jahre älteren Freundinnen nicht anders. Vor allem aber habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sich manchmal lohnt, Entscheidungen zu treffen, so lange man jung und mutig ist. Heute würde ich vermutlich viel länger zögern mit dem Kinderkriegen, mir viel mehr Gedanken darum machen und viel mehr Gegenargumente hin und her wälzen. Damals bin ich einfach gesprungen – und in einem Leben gelandet, in dem auf einmal alles möglich wurde, was vorher nur ein Traum war: Eine wunderbare eigene Familie zu haben – und tatsächlich vom Schreiben leben zu können.

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2 comments

  1. Sehr schön!
    „Vor allem aber habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sich manchmal lohnt, Entscheidungen zu treffen, so lange man jung und mutig ist.“ – genau so denke ich auch! 🙂 Danke, ein wunderbar geschriebener Bericht!

  2. Ein tolles Buch
    Danke für den schönen „Erfahrungsbericht“. Das erwähnte Buch habe ich gerade gelesen, und finde es wunderbar undogmatisch, entspannt und hilfreich. Wollt ich an dieser Stelle mal anmerken 🙂