Gelassener durch Wutanfälle: „An manchen Tagen habe ich mitgeheult“

Wutanfall

Foto: pixabay

Ihr Lieben, Stephanie Gerstner ist zweifache Mama, Journalistin und Achtsamkeitscoach. Sie nennt sich „Gedankenschmiedin“ und hilft insbesondere Müttern dabei, ihren Alltag zu entschleunigen. Auf ihrem Instagram-Kanal @achtsam_mit_kids und auf ihrer Website gedankenschmiedin.de gibt sie Tipps und Anregungen für mehr Pausen und Entschleunigung im Familienalltag. Uns erzählt sie heute, wie ihr Achtsamkeitsübungen dabei geholfen haben, gelassener durch Wutanfälle zu kommen.

Gelassener durch Wutanfälle

„Handwerker haben zu Hause auch ihre Baustellen.“ An diesen Satz meines verstorbenen Vaters muss ich oft denken, wenn ich mich an die Zeit als frischgebackene Zweifach-Mama zurückerinnere. Es war eine Zeit, in der das Neugeborene jede Nacht stündlich aufwachte und die knapp Zweijährige mit voller Wucht in ihrer Autonomiephase ankam. Eine Phase, die für mich als Mama damals Neuland war.

Ich wusste mittlerweile, wie man wickelt, stillt und spielt. Aber ich wusste nicht, welche Gefühle es in mir auslöst, wenn mein Kleinkind mehrmals täglich bis zu einer Stunde am Stück schrie. Und ich wusste auch nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich muss zugeben, in dieser Zeit war ich einfach nur erschöpft und kraftlos. Bei den Wutausbrüchen entspannt zu bleiben, schien mir unmöglich – und das als ausgebildete Achtsamkeitstrainerin. Tja, wie gesagt, auch Handwerker haben zu Hause eben ihre Baustellen.

Meine Stress-Ampel war im dunkelroten Bereich

Natürlich waren manche Tage besser und manche schlechter. An manchen Tagen saß ich auf dem Boden und habe mitgeheult. An manchen Tagen musste ich das Zimmer verlassen, um die Beherrschung nicht zu verlieren. An manchen Tagen habe ich die Wutanfälle zwar gut begleitet, meine eigene, angestaute Wut danach aber an anderen ausgelassen. Alles keine souveränen Strategien, muss ich zugeben.

Es hat eine Zeitlang gedauert, bis mir klar geworden ist, dass ich selbst im absoluten Stress-Modus war, quasi im dunkelroten Bereich, wenn man das Beispiel einer Stress-Ampel heranzieht. In diesem Modus kennt unser Gehirn nur kämpfen, flüchten oder erstarren. Ich persönlich war überwiegend im Kampf-Modus gefangen. Aber gegen ein zweijähriges, wütendes Kind zu kämpfen… naja, nicht wirklich sinnvoll.

Ich musste also erstmal bei null anfangen und mich halbwegs um meine Grundbedürfnisse kümmern: Schlaf, Ernährung, Bewegung – was mit zwei kleinen Kindern eben standardmäßig hintenangestellt wird. Zudem habe ich versucht, bei Wutanfällen in die Rolle der Beobachterin zu schlüpfen. Es hat mir manchmal geholfen, die Situation laut auszusprechen, zum Beispiel: „Ich sehe ein Kind, das weint. Ich spüre Wut/Traurigkeit in mir. Mein Hals schnürt sich zu.“

Dadurch gewann ich etwas Distanz zu den Emotionen meines Kindes und erforschte stattdessen meine eigenen Gefühle, die natürlich auch gefühlt werden wollten. Auch Hintergrundwissen hat mir geholfen: Wäre mir früher klar gewesen, dass meine Tochter während eines Wutanfalls gar nicht in der Lage ist, sachlich mit mir zu sprechen, weil sie keinen Zugang zu diesem Teil ihres Gehirns hat, hätte ich uns beiden viel Leid erspart.

Gelassener durch Wutanfälle: Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte…

Mütterkur
Foto: pixabay

Was ich jetzt anders machen würde? Ganz klar: Auf mich achten. Ausreichend Selbstfürsorge betreiben. Das habe ich in der ersten Zeit als Zweifach-Mama nämlich vernachlässigt. Ich würde versuchen, erstmal meine Grundbedürfnisse zu befriedigen und meine Energietanks täglich soweit aufzufüllen, dass zumindest genügend Kraft für einen Wutanfall vorhanden ist. Dies gelingt beispielsweise durch Tätigkeiten, die uns Freude bereiten oder Dankbarkeitsübungen.

Sobald ich merke, dass ich in den roten Bereich rutsche, würde ich jetzt Menschen um Hilfe bitten, damit ich wieder auftanken kann. Um dies rechtzeitig zu merken, eignen sich Achtsamkeitsübungen, zum Beispiel kleine Atempausen. Morgens, mittags und abends drei Minuten lang in sich hineinspüren, Gedanken und Gefühle wahrnehmen, atmen – das kann viel bewirken.

Auch der regelmäßige Bodyscan ist eine gute Übung, um die eigenen Grenzen besser und schneller wahrzunehmen. Wenn wir wieder mit der Stress-Ampel-arbeiten: Erst im grünen oder orangefarbenen Bereich und mit Übung im Alltag gelingt es dann, auch in akuten Stress-Situationen, zum Beispiel während eines Wutanfalls, gelassen und reflektiert zu bleiben.

Mittlerweile übe ich mich auch selbst wieder täglich in Achtsamkeit, checke regelmäßig meine Akkus und nehme mir Zeit für Selbstreflexion. Mir ist nun bewusst, dass mich Wutanfälle triggern und ich als Kind nicht erfahren habe, in so einer Situation angenommen und gehalten zu werden. Ich gebe mein Bestes, es anders zu machen und die schwierigen Tage mit meinen Kindern aus-zu-halten. Auch wenn sie jetzt, einige Jahre später, deutlich weniger werden. 

29bc30dccabf4424a8118f69c504307a

Du magst vielleicht auch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert