Gemeinsam essen: Wie wir die Eltern-Kind-Beziehung dadurch stärken

Essen als Druckmittel

Ihr Lieben, dass Essen viel mehr ist als pure Nahrungsaufnahme, das wissen wohl die meisten von uns. Gemeinsam essen kann für Familien als Zusammenkunft von Bedeutung sein und Geborgenheit spenden. Miriam Maja Gass schaut für uns mal aus fachlicher Sicht auf die wertvollen Treffen am Küchentisch. Sie ist Pädagogin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Elternberaterin und unterstütze in ihrer Praxis für Elterncoaching Mütter dabei, zu der Mama zu werden, die sie sein wollen: In liebevoller Verbindung mit ihrem Kind und gleichzeitig klar und souverän in elterlicher Führung. Heute aber erstmal guten Appetit!

gemeinsam essen

Als ich im Frühjahr morgens für meinen Sohn und mich das Osterfrühstück vorbereitete, fiel mir urplötzlich eine Szene ein, die sich vor mehr als 30 Jahren ereignet hat. Es war eines der wenigen Male, bei denen ich meinen Vater hab weinen sehen – und es war kurz vor dem Umzug meiner Großmutter ins Pflegeheim.

Im kleinen Badezimmer der großmütterlichen Wohnung sagte mein Vater unter Tränen zu mir: „Das war das letzte Mal, das meine Mutter für mich gekocht hat.“ Seufz. Es hat mich damals sehr berührt, meinen normalerweise wenig emotionalen, 60jährigen Vater durch diese doch recht simple Tatsache so bewegt zu sehen. Klar war: Hier ging etwas Bedeutsames für ihn zu Ende. Aber was genau – das hat sich mir zu dem Zeitpunkt echt nicht erschlossen. Heute verstehe ich besser, worum es dabei vor allem ging: Um Fürsorge!

Gemeinsam essen ist Fürsorge

gemeinsam essen
Foto: pixabay

Fürsorge, die sich darin zeigt, einen anderen Menschen mit Nahrung zu versorgen. Für unsere Liebsten zu sorgen, indem wir Nahrung für sie zubereiten – dieser natürliche Akt von Fürsorge, er ist uralt.

Uralt – und so zentral für den Fürsorgetanz zwischen Eltern und Kindern! Seit Menschengedenken tanzen Eltern diesen Fürsorgetanz – um sicherzustellen, dass ihre Kinder satt und glücklich sind!

Satt und glücklich durch Nahrung UND durch unsere liebevolle Beziehung zu ihnen. Nahrung und Eltern-Kind-Beziehung, sie gehen Hand in Hand in Hand: Essen ist eine Eintrittspforte, um die Beziehung zu deinem Kind (wieder) aufzubauen und zu pflegen.

Wann gemeinsame Malhzeiten besonders wichtig sind

Das ist wichtig für Kinder in jedem Alter, besonders aber:

  • Nach Zeiten von Trennung – sei es ein langer Schultag, eine Übernachtung bei Freuden oder eine Kitafahrt
  • In holprigen Phasen, wie sie beispielsweise im Leben mit einem Teenager des Öfteren vorkommen 😉
  • In Zeiten, in denen sich die Verbindung mit deinem Kind gerade nicht so stabil anfühlt

In all diesen Zeiten steht uns Essen als wunderbare Möglichkeit zur Verfügung, die Beziehung zu unseren Kindern wieder aufzunehmen. Und das auf indirekte, wenig aufdringliche Weise! Ich finde: Unsere Kinder mit Nahrung zu versorgen, ist für uns Eltern wie eine Art Superpower!

Es geht nicht darum, WAS wir essen, sondern WIE

Aber keine Sorge: Es geht weniger darum, WAS wir essen – sondern WIE wir mit Essen unsere Fürsorge und unsere Liebe vermitteln. Wie wir unsere Kinder damit immer wieder einladen, mit uns in Beziehung zu gehen und bei uns zu Hause zu landen. Und damit ausdrücken: „Willkommen zurück zu Hause – wie schön, dass du wieder da bist!“. „Hier kannst du dich entspannen und auftanken“. „Ich bin hier und sorge für dich!“. „Hier bist du sicher und geborgen“.

Eine Superpower, die wir nicht zu früh oder gar leichtfertig aus der Hand geben sollten. Für mich jedenfalls hat das Kochen für mein Kind eine gänzlich andere Bedeutung bekommen, nachdem ich verstanden habe, was alles damit einhergeht… (Und klar kenne ich auch die Abende, an denen ich hundemüde in der Küche stehe und denke: „Jetzt noch kochen? Echt jetzt???“)

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Und das funktioniert am besten so:

  • Fokussiere dich auf Wärme, Freude und Genuss (genial wirken hier auch Gerüche – zum Beispiel der heimelige Duft von frischgebackenem Bananenbrot)
  • Versuche, deine Aufmerksamkeit während der Mahlzeiten mehr auf die Eltern-Kind-Beziehung als auf Schwierigkeiten zu lenken
  • Bringe Spiel und Spaß zum Essen mit (erzähle Geschichten oder Witze, teile das Schönste und Blödeste des Tages, stelle eine Wissensfrage o.ä.)
  • Verzichte auf Verhaltenskorrekturen und Disziplinierungsmaßnahmen (ich weiß – leichter gesagt als getan…)  
  • Konzentriere dich mehr aufs Zusammensein mit deinem Kind – als auf das, was (oder wieviel und wie) dein Kind isst
  • Nutze Struktur und Routinen und mache Fürsorge damit verlässlich und vorhersehbar (z.B. durch einen leckeren Snack nach der Schule, das Lieblingstrostessen nach einem schwierigen Tag, das Nutella-Frühstück am Wochenende) 

Du tust also gut daran, dich immer wieder auf das Wesentliche auszurichten: Die Eltern-Kind-Beziehung! Denn klar ist: Satt und Glücklich wird dein Kind vor allem durch liebevollen Kontakt und verlässliche Verbindung. Und erst dann: Durch Essen.

Und mein Vater? Er hat sein Leben lang leidenschaftlich gern gekocht. Ein leckeres Essen für seine Liebsten zuzubereiten – das war auch einer seiner Wege, mit denen er Fürsorglichkeit zum Ausdruck brachte. Nun ist er mit 91 Jahren selbst im Pflegeheim – und hat vor einigen Jahren das letzte Mal für mich gekocht. Seine Fürsorge drückt er weiterhin aus. Zwar auf anderen Wegen – aber dennoch voller Liebe. Dafür bin ich unendlich dankbar.

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6 comments

  1. Also ich kenne da schon noch min. ein anderes Land. Die Schweiz ! Meine Kinder frühstücken vor Schulbeginn bei mir zu Hause, am Mittag ca 12.15 Uhr bekommen sie von mir zu Hause ein warmes Mittagessen und am Abend essen wir alle zusammen ( mit Papa ) Resten vom Mittagessen oder Brot. Zwischendurch gibt es Abend’s auch etwas Warmes, vorallem im Winter. Wenn Kinder über Mittag in der Schule bleiben ( sogenannter Mittagstisch ) dann bekommen sie auch dort eine warme Mahlzeit.

  2. @Saskia: Echt?! Aus Frankreich kenne ich es so, dass das warme Mittagessen eine große und zwar größere Rolle spielt als in Deutschland. Und soo viel später fängt die Schule dort nicht an (ca 8.30Uhr). So weit ich weiß, gibt es Mittagsschlaf für die Kinder in der École maternelle (3-6 Jahre), darüberhinaus wäre ich überrascht. Und 8-10 Jährige benötigen ja eher mehr als 7-8 Stunden Schlaf. Naja, es interessiert mich einfach. Dass es abends in Frankreich eine warme Mahlzeit gibt kenne ich so auch. Brotzeit ist da eher unbekannt. Und da frage ich mich ehrlich gesagt auch, wie entspannt das sein kann, wenn die oft Vollzeitabeitende Mutter um 19Uhr nach Hause kommt und dann noch groß auftischen muss/darf/kann. Denn Hausarbeit ist dort wie hier hauptsächlich Frauensache… .

  3. Das gemeinsame Abendessen ist bei uns die einzige Möglichkeit alle Familienmitglieder einmal am Tag zusammen zu bekommen. Mit ist das wichtig und ich stelle es mir so vor wie im Artikel beschrieben – wärmend, fröhlich interessierter Austausch… . In Wirklichkeit sind die Kinder nach der Schule abends durch und das gemeinsame Abendessen ist dann eher stressig, weil müde Kinder. Wir müssten um 17Uhr essen, damit das funktioniert und noch genügend Energie da ist. 18.30Uhr ist oft schon zu spät unter der Schulwoche. Da frage ich mich öfter wie das die Kinder in Spanien oder Frankreich schaffen, wo angeblich viel später zu Abend gegessen wird. Die müssen doch auch früh aufstehen und brauchen ungefähr eine ähnliche Schlafzeit? Meine Kinder würden am Tisch einschlafen.

    1. In den wärmeren Ländern beginnt die Schule später als in Deutschland. Außerdem machen die mittags eine Siesta, weil es zwischen 13-16 Uhr einfach zu warm ist. Und die Menschen dort sind es gewöhnt, spät zu essen, der gesamte Tagesablauf ist in wärmeren Ländern ganz anders als in Deutschland. In Frankreich sind die Kinder auch den ganzen Tag in der Schule, da ist Fremdbetreuung und lange Schultage völlig normal. So dass die Menschen sich daran gewöhnt haben. Die Mentalität ist einfach eine andere. Abends wird dann das erste msl warm gegessen, über Mittag nur eine Kleinigkeit. Deutschland ist glaube ich, das einzige Land,dass die Esskultur Morgens Frühstück, Mittags zwischen 12-14 Uhr warmes Mittagessen und ab 18 Uhr Brot hat. Das gibt es so in jeinrm anderen Land. In vielen Ländern wird abends richtig aufgetischt und vor 22 Uhr geht kein Kind ins Bett. Wir deutschen sind da doch recht starsinnig, was die Regeln angeht.

      1. @Saskia: Ich glaube nicht, dass der Alltag in Deutschland nur durch deutsche Starrsinnigkeit entstanden ist. Manche Dinge, wie der frühe Schulstart für Teenager zum Beispiel, sind zu hinterfragen. Bei kleinen Kindern ist es schon wieder schwieriger, denn wenn die Betreuung erst um neun beginnt, können die Eltern erst gegen 10Uhr anfangen zu arbeiten. Fände ich einschränkend. Ich denke, das Klima spielt da vor allem mit rein. Dort wo es abends länger hell ist und im Sommer tagsüber sehr heiß (südliche Länder), hat sich ein anderer Alltag entwickelt mit Siesta und spätem Abendessen, weil vorher einfach zu heiß. Im deutschen Winter, wenn die Sonne kurz nach vier unter geht, bis 22Uhr aufs Abendessen zu warten und dann die Hälfte des Tageslichtes zu verschlafen, wäre nicht cooler.

  4. Eine rührende Gesichte die hier indirekt erzählt wird. Bei uns gibt es da auch klare Regeln. Zumindest die, dass wir alle gemeinsam am Tisch sitzen und Essen. Bei uns gibt es keinen Fernseher am Esstisch und somit ist man zwangsläufig dazu „gezwungen“ zu essen und zu quatschen oder eben zu schweigen. Aber man ist trotzdem beisammen und das ist das schöne daran.
    Wie auch im Text beschrieben, rasen die Tage manchmal nur so an einem vorbei, aber wenigstens beim Essen sieht man sich und kann sich austauschen. Dass ich meine Kinder beim Essen nicht immer ermahne und belehre muss ich mir vielleicht auch mal zu Herzen nehmen, aber vielleicht sind meine auch einfach noch zu klein. Benimmregeln zumindest im groben sind ja immerhin auch nicht verkehrt.

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