Essen als Druckmittel? Jugend-Kolumne „Teen-Time“ zu Ernährung

Essen als Druckmittel

Ihr Lieben, beim Thema Ernährung scheiden sich ja viele Geister, aber als neulich Katharina bei Facebook einen Tweet postete, in dem sich eine Mutter fragte, ob die neue Masche der Grundschullehrerin ihres Kindes okay wäre, war ich kurz sprachlos, denn wow, Essen als Druckmittel finde ich dann doch hart.

Die Lehrerin hatte auf einem Elternabend angekündigt, das Essen in den Brotdosen der Kleinen würde jetzt kontrolliert. Sei etwas „Ungesundes“ in der Dose, werde es hochgehalten und der gesamten Klasse gezeigt. Das Kind bekomme dann etwas Gesundes von der Lehrkraft und solle zu Hause sagen, dass das Essen ungesund sei und sich das ändern solle.

Essen als Druckmittel? Keine gute Idee!

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, weil mir so vieles daran nicht behagt, aber besonders das öffentliche Vorführen eines Kindes, dessen Eltern es „scheinbar einfach nicht begreifen“ (dieser Wortlaut fiel nicht, aber für mich kommt es so rüber), grenzt für mich an Mobbing.

Ich erinnere mich da auch an eine Freundin, die zum ersten Mal Besuch von der Mutter eines Grundschulfreundes ihres Sohnes hatte. Sie hatte mir nachher von der Begebenheit erzählt und war ähnlich sprachlos wie ich nach dem Lesen des oben erwähnten Tweets gewesen.

Essen als Druckmittel

Denn die Mutter hatte meine Freundin gefragt, wie sie es denn schaffe, dass ihre Kinder so schlank seien und hatte dabei ihrem neben ihr stehenden Sohn das T-Shirt nach oben gezogen und auf seinen Bauch gezeigt. Was macht das mit einem Kind? Wenn die Eltern es nicht nur als zu dick bezeichnen, sondern dann auch noch anderen Eltern den Bauch des Kindes zeigen?

Ich kenne auch eine Familie, in der der Vater immer und immer wieder und über die Maße am Küchentisch das Essen der Kinder moderiert und kategorisiert. Nein, jetzt noch die Erbse, die ist gesund. Nein, nicht so viel Nachtisch, der ist ungesund, der macht dick. Eins der Kinder hat irgendwann in der Pubertät das Essen komplett eingestellt und sich über eine Woche lang nur mit Wasser lebendig gehalten.

Wenn Essen dauernd zum Thema wird

Ich möchte hier niemanden dissen, ich teile Beobachtungen und Irritationen. Wer weiß, warum das Kind das Essen eingestellt hat, es muss nicht an der dauernden Thematisierung des Essens in dieser Familie liegen. Natürlich nicht. Trotzdem bin ich mir recht sicher: Der beste Umgang mit Ernährung ist ein normalisierter.

Wir brauchen Essen zum Überleben. Wir brauchen möglichst ein bisschen Vielfalt auf dem Teller. Wir brauchen Vitamine und haben als Eltern eine große Verantwortung, was diesen Bereich betrifft. Aber wir sollten nicht Ängste auf die Kinder übertragen, nicht Essen als Druckmittel verwenden, wenn möglich möglichst wenig TamTam um dieses Thema machen und vor allem: keine Traumata auslösen.

Zwang beim Thema Ernährung kann verstören

Ich persönlich konnte lange keinen Tee trinken. Ich hatte mit 5 Jahren nach einem Umzug die Kita wechseln müssen und kam plötzlich in eine Einrichtung, in der ich beim Mittagessen alles Essbare auf dem Teller probieren musste. Auch Pilze. Auch Fisch. Auch Dinge, von denen ich längst wusste, dass ich von ihnen würgen muss.

Wir durften aber beim Essen nichts trinken. Nur nach dem Essen eine Tasse Tee (warum auch immer, es gab merkwürdige Regeln und ich war da auch nur kurz). Tee stand für mich für den Zwang, Dinge essen zu müssen, die ich nicht mochte. Wir können so etwas vermeiden, wenn wir den Druck rausnehmen.

Wenn ein Teller nicht leer gegessen werden muss. Wenn wir aufhören dürfen, wenn wir satt sind. Kinder können das. Sie bringen ein herrliches Selbstverständnis von „Nö, ich kann jetzt nicht mehr“ mit. Und in der Pubertät dann ein gefühlt tausend Liter fassendes Loch, das es zu füllen gilt, aber gut, das ist dann vielleicht mit viel Sport mitten im Wachstum auch nur verständlich.

Gesundes anbieten, Ungesundes nicht zu sehr verteufeln

Essen als Druckmittel
Foto: pixabay

Und ja, solche Kinder würden sich vielleicht ausschließlich von Döner, Pizza, Pringles und panierten Mozzarella-Sticks ernähren, wenn wir sie ließen (woohooo, im Döner kleben wenigstens ein paar mayogetränkte Salatblätter, yay). Oder es läuft umgekehrt.

Einer unserer Zwillinge etwa beschloss irgendwann, Vegetarier zu werden. Weil er ein großer Tierfreund ist. Weil er eine Doku gesehen hatte. Fortan kochten wir unterschiedliche Speisen… bis er ein Jahr später feststellte, dass sein Zwillingsbruder drei Zentimeter größer war als er.

Woran das genau lag, werden wir nie klären können, aber der Sohn schob es auf seinen Verzicht – und begann, doch hier und da nochmal ein Steak oder Schnitzel auf seinen Teller zu lassen. Die Kinder ernstzunehmen in solchen Beschlüssen, das darf unsere Aufgabe sein. Ihnen hier und da aufzuzeigen, welche Ernährung dem Körper guttut und welche nicht. Das auch.

Ich erlaube mir alles in Maßen

Ich selbst habe in der Jugend viele Diäten ausprobiert, meine Freundinnen ziehen mich noch heute mit meiner 7-Tage-Körner-Fastenzeit auf. Meine Mutter machte selbst manchmal mit. Heute gibt es Diäten in meinem Leben nicht mehr. Seit Jahrzehnten nicht mehr. Weil ich nicht mehr dran glaube. Weil ich finde, dass kurzzeitige Ernährungswechsel nicht nachhaltig sind (für mich! bitte nicht für allgemeingültig halten, ich bin weder Medizinerin noch Ernährungsberaterin). Weil ich lieber ein bisschen mehr Sport in meinen Alltag einbaue oder halbe Teller esse, statt auf irgendwas komplett zu verzichten. Dabei aber auf Vielfalt setze.

Ich erlaube mir alles. Alles in Maßen und vor allem: im Wechsel. Mal Torte zum Nachtisch, mal dunkle Weintrauben im Quark. Mal fettes Fleisch auf dem Teller, mal vegetarische Quiche. Mal Pfannkuchen zum Mittag, mal Rührei mit Spinat und am nächsten Tag einfach Pommes vom Imbiss ums Eck. Mal Chips auf dem Sofa, mal rote Paprika – und davon gleich drei, weil mir die Kids die aus der Hand reißen. Nicht, weil ich ihnen hundertmal gesagt hab, dass das gesund ist. Sondern weil es ihnen einfach gut schmeckt. Und: Aufhören, wenn man satt ist. Bester Trick!

Essen

Ich schau, dass die Mischung eher gesund als ungesund ist, aber thematisier das nicht groß. Verzicht und Verbote gibt´s bei uns nicht, dafür ganz oft angebrochene Schokotafeln oder Gummibärtüten, weil sie nicht heimlich inhaliert werden müssen, sondern verfügbar sind. Wir fahren gut mit dieser Unaufgeregtheit und ich hoffe sehr, dass das auch bei den Kindern zu einer Relaxtheit im Umgang mit dem Thema führt. Bislang jedenfalls geht der Plan auf. Vielleicht haben wir da aber auch einfach Glück gehabt.

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4 comments

  1. Hallo, was für ein toller Bericht, Ich stimme dem voll und ganz zu. Wir handhaben dass auch genauso. Es kommt alles auf den Tisch und wird den Kindern angeboten ohne viel darüber zu reden. Das Essen ist bei uns ebenfalls abwechslungsreich, damit das Kind viele Geschmacksrichtungen kennenlernen darf.
    Das, was da in der Schule abgeht, kenne ich persönlich sogar aus der Kita. Mich persönlich würde interessieren, ob diejenigen sich selbst reflektieren? Ich bezeichne es als „Mobbing, Bloßstellen des Kindes vor der Gruppe/Klasse“. Und was sie damit einem Kind antun ist viel schlimmer als ein Schokoriegel.
    Hier bin ich immer wieder sprachlos und bitte darum, schaut nicht weg.
    Gemeinsam kann man viel bewegen.

    Denn jeder ist doch einzigartig, egal ob dick oder dünn (in einigen Fällen liegt das nicht an der Ernährung).

  2. Hey! Das ist ein komplexes Thema. Verbote gab es hier nie. Es waren immer gekaufte Süßigkeiten im Haus, aber es wurde schon thematisiert, dass sie damit bitte bis nach dem Essen warten und sie wurden eingeteilt, weil ein Kind es in jedem Fall inhaliert hat.

    Wenn es eh zum Kaffee oder so auf dem Tisch stand, habe ich es nicht eingeteilt (meine Mutter allerdings gerne auch den Enkeln gegenüber mit ‚meinst du nicht, dass es jetzt mal genug ist?‘).

    Heute mit 15 und 17 in der Großstadt habe ich nur seeeeehr wenig Einfluss. Sie wollen kein Frühstück, essen dann den ganzen Tag nichts oder Fastfood (vom Döner über Chips bis zu Durstlöschern). Geld bekommen sie dafür von ihren Freunden und wenn sie nach Hause kommen haben sie keinen Hunger. Der kommt dann zwischen 21 und 22 Uhr, wenn ich gerade die Küche sauber habe ;). Dann gibt es noch ein Toast oder Backofen-Pommes oder so … was sie sich selber machen können. Aber selbst das ist in den meisten Fällen zu viel Aufwand.

    Gemeinsam einkaufen oder fragen was sie essen möchten nutzt nichts. Es kommt keine Antwort, weil ‚mir ist nichts eingefallen‘. Beim Einkaufen werden haupsächlich Süßigkeiten in den Wagen geladen.

    Der Große hat lange alles gegessen, was ich ihm vorgesetzt hab, der Kleine nur sehr ausgewählt. Dem Großen hab ich dann mal regelmäßig vorgebetet, dass er auch sagen darf, wenn es ihm nicht schmeckt, damit er etwas auf sich selber hört. Jetzt hat er auch eine überschaubare Auswahl. Mittlerweile essen beide nur bis sie satt sind – ist beim Großen eher neu. Aber was was gesund ist und Nährstoffe hat, muss man eher suchen.

    Aber ich habe da auch resigniert. Das ist jetzt einfach so. Ich lasse sie essen wann, was und wo sie wollen. Ich sehe zu, dass zuhause ein gewisses Angebot da ist aus dem sie sich bedienen können. Wenn ich die Chance habe ihnen was zuzubereiten, schaue ich, dass es zumindest eine halbwegs gesunde Komponente hat ;).

    Unterm Strich habe ich mein bestes getan, um meines Erachtens sinnvolles Essen in ihren Köpfen zu etablieren. Alles weitere müssen sie selber realisieren und wollen, um es umzusetzen :).

  3. Hallo, wir handhaben es auch sehr entspannt. Leider sind bei uns beide Kinder von Anfang an untergewichtig. Keine Ahnung warum, wir Eltern waren es als Kinder auch. So, dass jeder Arztbesuch mit unseren Kindern recht aufgeregt verlief, meine Tochter wurde z. B. nach dem ersten Lebensjahr auf alle erdenklichen Stoffwechselstörungen und weitere Krankheiten durch gecheckt. Eine Einjährige mit dem Gewicht von 6800g ist scheinbar sehr ungewöhnlich. Auch heute mit ihren 10 Jahren wiegt sie erst 25 kg. Ich wurde von Ärzten angehalten Ernährungstagebücher zu schreiben, beim Grießbrei und Nutella- Brötchen vom Kinderarzt empfohlen. Und es bleibt dabei sie liebt Obst und Gemüse. Der Sohn mit seinen 13 Jahren ist begeisterter Fußballer und versucht uns alle zu optimieren, dass die Ernährung vor gesunden Fettsäuren und Proteinen nur so strotzt! Trotzdem liebt er Nudeln mit Bolognese und Königsberger Klopse. Der Part gesunde Ernährung nahm im Sachunterricht bei beiden Kindern auch einen großen Stellenwert ein, jedoch bat ich die Grundschullehrerinnen jeweils Schrift doch bitte den selten mitgebrachten Pudding in der Brotdose unkommentiert zu lassen, da das Kind gerade kein Brot mag und es jedoch wichtig ist etwas energiedichtes in der Pause zu essen, neben Gurken und Beeren (die ja beide nicht viel Energie haben, aber geliebt werden und mit Vitaminen versorgen). Ich weiß, dass es wichtig ist, dass Kinder auch die gesunde Ernährung kennen, aber es sollte alles mit Augenmaß geschehen. Und bei offensichtlich untergewichtigen Kindern ist an Kommentar zu einem Pudding mehr als unangemessen. Ebenso ist bei uns Schoki und Co immer verfügbar, wird daher nur als Naschi gegessen, weil es nicht heimlich gemacht werden muss. Allerdings haben die Kinder auch Freunde, die die Süßigkeiten durchaus inhalieren und da stelle ich sie dann schon mal weg, auch auf Bitten der anderen Eltern. Meine Meinung ist ja, es gibt sicher einen Grund, warum mache Familie besondere Essensregeln hat (z. B. Süßes nur einmal am Tag oder eben bei uns fettreiche frische Milch morgens und auch gerne abends), da muss ich als Außenstehender nicht rein quatschen! Und von Erziehern und Lehrern habe ich mir das auch immer erbeten, denn sie stecken nicht in der Haut der Kinder und auch nicht in unserer, wenn bei der U- Untersuchung mal wieder Stillstand auf der Waage war. Bei meiner Tochter habe ich sogar mit Attest durch gesetzt, dass sie ein 2. Frühstück in der Kita essen durfte, dass wollte unser Träger nämlich abschaffen, er hielt es für normal, dass Kindergartenkinder zwischen 08:30 Uhr und 12:30 Uhr nichts zu essen brauchen. Nachdem ich rebelliert hatte, setzten dann die restlichen Eltern auch wenigstens eine Obstpause durch. Ich glaube übrigens dass gerade die Statur im Kindesalter sehr genetisch vor programmiert ist, wenn man die Kinder ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben lässt.

  4. Hallo,
    Wir haben noch keinen Teenager, aber wir halten es ähnlich mit der Ernährung. Alles ist erlaubt. Wir reden auch mal drüber, was gesund ist und was nicht. Aber alles informativ und nicht auf Verbote ausgelegt.
    Obst gibt es jeden Abend für die ganze Familie als Snack. Das haben wir uns so angewöhnt, dass unser Sohn schon danach fragt, wenn wir mal später dran sind.
    Na klar nascht er auch mal gern. Aber in Maßen. Er weiß, wann er satt ist und dann wird manchmal tagelang gar nichts süßes angeschaut.
    In meiner Kita gab es auch diese Situationen, dass wir in die Mitte des Morgenkreises gestellt wurden und allen Kindern erklärt wurde, was wir falsch gemacht haben (nicht aufgegessen, in die Hose gemacht..) Ich kann mich noch gut an diese unangenehme Situation erinnern und diesen Druck. Ich brauchte lange bis ich wieder ein gesundes Selbstbewusstsein erlangt hatte. Ich hoffe, dass es in unserer Zeit nicht mehr vorkommt.

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