Ihr Lieben, vor einigen Tagen hatten wir den Bericht einer Kitaleitung, die uns von den Tränen der Mamas bei der Kita-Eingewöhnung erzählte. „Viele Eltern würden ihr Kind gerne länger zu Hause betreuen, fühlen sich aber gezwungen, früh in den Beruf zurückzukehren, weil ein Gehalt allein nicht reicht“, sagte sie in dem Interview. Daraufhin hat sich Marina bei uns gemeldet, die genau aus diesen Gründen schnell zurück in den Job musste. Der finanzielle Druck hielt sie davon ab, auf ihr Bauchgefühl zu hören, dass in der Kita etwas nicht stimmt… Hier erzählt sie die ganze Geschichte.
Liebe Marina, lass uns zuerst mal über die Kitazeit deines ersten Kindes sprechen. Kannst du was über die Lebensumstände damals erzählen?
Unsere erste Tochter wurde Sommer 2016 geboren. Mein Mann und ich hatten schon lange Zeit vor der Schwangerschaft darüber geredet, dass wir es „klassisch“ angehen wollen. Das hieß: Vater geht arbeiten, Mutter bleibt erstmal zu Hause.
Bis zum dritten Monat der Schwangerschaft habe ich noch in einer Einrichtung als Alltagsbegleiterin für Senioren mit Demenz und Alzheimer gearbeitet. Da einige dieser Bewohner krankheitsbedingt Wutausbrüche mit Schlägen an den Tag legten, kündigte ich. Ich hatte zu dem Zeitpunkt zu oft etwas in den Bauch und Unterleib abbekommen und war ängstlich, dass es schlimmer werden könnte. Dazu muss ich auch sagen, dass ich nach vielen Jahren des Kinderwunsches ENDLICH schwanger geworden war und nichts riskieren wollte. Mein Mann unterstütze diese Entscheidung.
Bis kurz vor der Geburt waren wir finanziell gut aufgestellt. Plötzlich hieß es auf der Arbeit meines Mannes: Umstrukturierung, Personalabbau und leider war mein Mann davon betroffen. Wir lebten noch in einer kleinen Wohnung und konnten die Miete daher gut stemmen. Mein Mann fand zügig einen neuen Job und mit meinem Elterngeld waren die Monate danach aushaltbar.
Und dann habt ihr für eure Tochter einen Kitaplatz bekommen. Wie war die Kita-Eingewöhnung?
Genau. Die Gruppen in der Kita waren klein, die Erzieher und Erzieherinnen waren verständnisvoll und es gab keinen Druck. Unsere Tochter fand nach zwei Tagen ihre beste Kitafreundin. Natürlich hat sie ab und zu geweint und wollte doch mit mir nach Hause gehen und natürlich hat das dann auch bei mir für Tränen gesorgt, aber ich wusste, dass es ihr gut in der Kita geht und konnte dann doch loslassen. Ich hatte dort immer ein gutes Bauchgefühl.
Wie ging es dann weiter?
Unsere zweite Tochter wurde Anfang 2022 geboren. Finanziell wusste ich: ich muss zügig wieder arbeiten, auch wenn ich das eigentlich nicht wollte. Aber die Miete war gestiegen, die ganzen Preise schnellten in die Höhe. Geld war bei uns definitiv immer knapp.
Kurz nach ihrem ersten Geburtstag erhielt ich den Anruf, dass die Kleine einen Kitaplaz hat. Es handelte sich hierbei um eine andere Kita als bei unserer großen Tochter, weil das organisatorisch für uns einfach besser war.
Als wir dann im Spätsommer mit der Kleinen in die Kita gingen, wirkte diese sehr gemütlich und optisch einladend. In den Wochen der Kita-Eingewöhnung bekam ich aber schon mit, wie mit dem ein oder anderen Kind herumgepoltert wurde. Mir klirrten die Ohren und ich dachte mir: „Das ist halt eine altmodische Kita und/oder war sicher nur eine Ausnahme. Also beruhige dich“. Mein Mann sagte außerdem, ich würde immer alles zu negativ sehen und ich dachte, dass ich vielleicht überbesorgt sei.
Das heißt aber, dein Bauchgefühl aber in dieser Kita nicht so gut wie in der anderen Kita, oder?
Ja, ich hatte ein komisches Gefühl, wusste aber nicht, ob ich überreagiere. Das erste Mal, als ich mir ganz sicher war, dass etwas ganz und gar nicht stimmte, war, als ich mich noch in der Eingewöhnung verabschiedete und die Bezugserzieherin meinte. „Oh, geht die böse Mama wieder? Komm‘ her, ich tröste dich!“. Ich dachte, ich höre nicht richtig, blieb aber erstmal ruhig. Ich sprach mit Freunden darüber, einige meinten, dass das gar nicht ginge, andere meinten aber auch, es sei vielleicht nur ein Witz gewesen und ich sei empfindlich…Also beschloss ich, erstmal abzuwarten.
Und wie fand deine Tochter es in der Kita?
Sie fand es nicht so richtig gut und so brauchten wir auch Monate für die Eingewöhnung – was allerdings nicht nur an unserer Tochter lag. Die Erzieherinnen fehlten andauernd und ständig wurden wir gefragt, ob wir nicht unsere Tochter wegen Personalmangels zuhause lassen könnten.
Zudem wurde ständig an uns rumgemeckert. Der Rucksack wäre zu klein, es würde zu lange dauern, bis die Brotdose draußen wäre, die Flasche würde nicht genug Wasser fassen, man müsse zu oft nachfüllen, die Kleine esse zu langsam. Weil sie einige Wochen nur das Gemüse und nicht das Brot zum Frühstück essen wollte, gab es die erste richtige Konfrontation. Es hieß: Es kann nicht sein, dass ein Kleinkind von nicht mal zwei Jahren mit so einer Sache durchkommt.
Hast du wegen des schlechten Gefühls drüber nachgedacht, die Kita zu wechseln?
Ja, habe ich. Aber ich habe irgendwie gehofft, dass es sich noch ändert. Wir hatten ein Schulkind, zwei Jobs und finanziellen Druck – eine andere Kita hätte so viel mehr Organisation bedeutet.
Später hast du schlimme Dinge über diese Kita erfahren. Erzähl mal!
Vom Herbst an fiel sehr oft das Personal aus und ab Frühjahr versuchte der Träger das durch Springer auszugleichen, damit Eltern nicht so oft ihre Kinder rausnehmen müssen. Ich war gerade in der Probezeit in einem neuen Job und musste die Kleine ständig wegen Kitaschließung und Personalmangels zu Hause lassen. Meinem Mann wurde gerade eine höhere Position angeboten, die uns mehr Geld brachte und konnte auch nicht ständig fehlen. Es war eine sehr anstrengende Zeit.
Im Frühling waren auffällig viele Aushilfen in der Kita. Und von einem Tag auf den anderen waren die meisten Erzieherinnen, sie wir kannten, nicht mehr dort. Wir erhielten die Meldung, dass durch (grob übersetzt) Machtmissbrauch einiger Erzieherinnen der Kita-Alltag so wie vorher nicht mehr stattfinden könne. Bevor wir Eltern überhaupt etwas vom Träger erfahren hatten, gab es schon Ersatzerzieherinnen, aber keine Erklärung. Nach nachdrücklichen Nachfragen wurde uns berichtet, dass Springerinnen die Verfehlungen der Erzieherinnen beobachtet und beim Träger gemeldet hatten.
Welche Verfehlungen gab es?
Kinder wurden vor die Tür gestellt, wenn sie nicht gehorchten. Kinder wurden zum Aufessen des Mittagessens gezwungen, obwohl sie schon weinten. Einem Kind wurde der Stuhl weggenommen, weil es zappelte und es musste im Stehen essen.
Einem Kleinkind wurde aufgezwungen, die ausgespuckte Apfelschale zu essen bis es sich übergab. Die Eltern des Kindes wurden angerufen und ihnen wurde etwas von einem Magen-Darm-Virus erzählt. Das Letztere betraf uns.
Als alles aufflog, wurden wir angerufen, es gab ein persönliches Gespräch, das Personal wurde entlassen. Die Kita wurde für über fünf Wochen geschlossen, weshalb wir keine Betreuung für die Kleine hatten und ich die Probezeit im Job nicht überstand. Viel schlimmer aber als der Jobverlust war, dass ich mir solche Vorwürfe machte, was unsere Tochter in der Kita wohl erleben musste.
Was hat das alles mit dir und euch gemacht?
Ich war fix und fertig, habe viel geweint. Mein Mann war stinksauer und ich schrieb sofort die Kita unserer älteren Tochter an. Die liebe Kitaleiterin sagte uns zügig einen Platz für die Kleine zu und als wir dort zur Eingewöhnung kamen, gaben sich alle Erzieherinnen große Mühe. Die Kleine freute sich auf die alte Kita ihrer Schwester und nach drei Wochen war die Eingewöhnung abgeschlossen.
Was würdest du aus heutiger Sicht anders machen?
Ganz klar: Mehr auf mein Bauchgefühl hören. Ich hab das immer weggewischt, weil ich dachte, ich sei zu empfindlich. Ich wollte nicht eine dieser überbesorgten Mütter sein. Heute denke ich, ich hätte viel schneller Konsequenzen ziehen sollen.
Im Nachhinein kann ich sagen, dass das fehlende Geld mich dazu gebracht hatte, nicht auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Heute würde ich anders handeln.