Interview mit einer Expertin: Was kann ich tun, wenn mein Kind kurzsichtig wird?

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Ihr Lieben, wusstet ihr eigentlich, dass immer mehr Menschen kurzsichtig werden – darunter natürlich auch immer mehr Kinder? Was man gegen Kurzsichtigkeit tun kann und wie ich erkenne, ob mein Kind betroffen ist, darüber haben wir mit Silvana Meerkatz gesprochen. Silvana ist diplomierte Optometristin/Augenoptikerin und auf Kinder- und Funktionaloptometrie spezialisiert. Noch mehr Infos findet ihr unter: https://www.lernesehen.de

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Wie verbreitet ist Kurzsichtigkeit eigentlich?

Weltweit entwickeln immer mehr Kinder und Jugendliche eine Kurzsichtigkeit (Myopie). Prognosen gehen davon aus, dass bis 2050 ca. 50% der Weltbevölkerung kurzsichtig sein wird. So hat bereits vor Jahren die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) die Kurzsichtigkeit unter Kindern und Jugendlichen mit all ihren gesundheitlichen Folgen als Seuche anerkannt. Da ein kurzsichtiges Auge häufig zu lang gewachsen ist, besteht für die Netzhaut im Auge eine erhöhte Belastung.

Mit jeder Dioptrie mehr an Kurzsichtigkeit steigt signifikant die Gefahr im Laufe des Lebens an einer zusätzlichen Augenerkrankung zu leiden. So sollen 2050 die Folgen einer hochgradigen Kurzsichtigkeit (ab 6,00 dpt) die Haupterblindungsursache weltweit sein. Hiervon sind nicht alle Regionen auf der Welt gleichermaßen betroffen. Die höchsten Prävalenzen finden sich in ostasiatischen Gebieten wie in China oder Korea. Aber auch in Europa steigen jährlich die Zahlen an.

Welche Faktoren begünstigen Kurzsichtigkeit?

Die Kurzsichtigkeitsentwicklung ist sehr vielschichtig und wurde in den letzten Jahrzehnten stark erforscht. So spielen verschiedenste Einflussfaktoren wie Tageslicht-Versorgung, das Sehverhalten und die Dauer von Naharbeit, der Bildungsgrad, die genetische Vorbelastung sowie die Ethnie oder der Status des beidäugigen Sehens eine große Rolle im Verlauf einer Kurzsichtigkeit. Sind beide Eltern kurzsichtig, erhöht sich das Risiko auf bis zu 60%, dass das Kind eine Myopie entwickelt. (J. Ungewiß, 2023) Genauso entscheidend ist also auch das tägliche Sehverhalten drinnen und vor allem draußen unter freiem Himmel.

Dass Kinder heute viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, ist sicher kein Vorteil, oder?

Eine erhöhte Nahstressbelastung durch beispielsweise digitale Medien stellt einen immer wichtigeren Hauptfaktor dar. So nutzen heutzutage fast alle Kinder und Jugendliche täglich elektronische Medien. Dies erfolgt teilweise andauernd über mehrere Stunden hinweg und beginnt oft schon weit vor dem Schuleintrittsalter. Das belastet die kindliche Sehentwicklung sehr und bedeutet erheblichen Stress für die Kinderaugen.

Kommen dann noch weitere Faktoren hinzu, die eine Kurzsichtigkeit begünstigen, dann sollte zeitnah ein spezialisierter Augenarzt oder Kinder-Optometrist aufgesucht werden. Hier wird im Rahmen eines Myopie-Managements versucht, die Kurzsichtigkeit mit Übernacht- Kontaktlinsen, mit speziellen Myopie-Tages-Kontaktlinsen oder -Brillengläsern oder pharmakologisch mit niedrig dosierten Atropin-Tropfen aufzuhalten.

Mithilfe der Funktionaloptometrischen Analyse sollte ebenso geschaut werden, wie die beiden Augen zusammenarbeiten. Wenn beispielsweise der Nah-Fokus nicht gut gehalten werden kann oder Schwierigkeiten in der Schärfeeinstellung bestehen, kann die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit zusätzlich begünstigt werden.

Spannungszustände oder Sehfunktionsstörungen lassen sich bereits im Vorhinein als Vorboten messen. Somit kann nicht nur symptomatisch, sondern auch präventiv mit einem gezielten optometrischen Visualtraining und mit der Optimierung des Sehverhaltens frühzeitig gegen eine stetig steigende Kurzsichtigkeit gearbeitet werden.

Manche Lese-Rechtschreib-schwache Kinder können die Zeile beim Lesen nicht halten und entwickeln Sehstress, weil sie bisher keine altersgerechten Augenfolgebewegungen oder Blicksprünge erlernt haben. Oder sie klagen über gelegentliche Unschärfe, da ihre Augenlinse nicht über längere Zeit die Naheinstellung halten kann.

Auch treten manchmal Doppelbilder auf, weil sich beide Augen nicht dauerhaft auf die Nähe ausrichten können. Solche funktionellen Sehprobleme versuchen die Augen mit viel Energie zu kompensieren und können dabei verkrampfen, was wiederum zu einer Kurzsichtigkeit führen kann. Hier ist neben einer Korrektion ein aktives Training der Sehfunktionen angezeigt.

Wie können Eltern merken, ob ihr Kind kurzsichtig ist?

Bestenfalls reagieren Eltern bei den ersten Symptomen und informieren sich beim spezialisierten Optometristen und Augenarzt, wie sie den Sehstress bei ihren Kindern minimieren können. Typische Anzeichen einer beginnenden Kurzsichtigkeit sind z.B.

  • Müde, rote, tränende oder trockene Augen
  • Kopfschmerzen, Verspannungen
  • Auftretende Schwierigkeiten im räumlichen Sehen (Ball fangen, Höhenangst, häufiges Stoßen)
  • Gelegentliches zukneifen eines Auges, evtl. Doppelbilder in der Ferne oder Nähe
  • Probleme in der Einstellung von Nahsicht auf Fernsicht
  • Unschärfe in der Ferne, öfter Zukneifen beider Augen um besser zu sehen.

Beginnt eine Kurzsichtigkeit, so ist der Organismus häufig intensiver Naharbeit und Stress ausgesetzt und findet keinen gesunden Ausgleich dazu. Hier können bereits einfache Verhaltensregeln nachhaltig Entlastung bringen:

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  • Auf einen gesunden Arbeitsabstand achten (optimal ist die eigene Unterarmlänge)
  • Das zu Lesende sollte bei gerader Kopf- und Körperhaltung mittig vor beiden Augen ausgerichtet sein
  • Regelmäßig Pausen einhalten (20-20-20 Regel), mit entlastendem Blick in die Ferne
  • Innenräume gut ausleuchten (mit z.B. Tageslichtlampen)
  • Augen mit mindestens 2 1⁄2 Stunden Tageslicht am Tag versorgen (am besten vor 14 Uhr Kinder draußen spielen lassen)
  • Häufige Blickwechsel zwischen Ferne und Nähe in den Alltag bauen (z.B. Federball spielen)
  • Zuckerkonsum reduzieren, generell mit einer vitamin- und mineralstoffreichen Ernährung und ausreichend Wasser die Augengesundheit unterstützen
  • Die körperliche Fitness, Motorik und Koordinationsfähigkeit fördern. Die Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen ist ein ernstzunehmendes Thema und betroffene Eltern sollten sich bewusst sein, dass sie als Vorbild viel selbständig für die Augengesundheit ihrer Kinder tun können. Sehen ist ein lebenslanger Lernprozess. Leistungsstarke, entspannte Kinder benötigen eine gute Sicht auf die Dinge. Die kindliche Sehentwicklung ist sensibel sowie störanfällig und sollte idealerweise bereits ab der Geburt gefördert und mit einem wachen Blick begleitet werden.

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