Familienabenteuer von Claire und Thorsten: Einmal auswandern und zurück

Familienabenteuer

Einfach mal dem Herzen folgen, Lebensmittelpunkte sausen lassen und sich ins Familienabenteuer stürzen. Kann das klappen? Claire und Thorsten haben das versucht. Von einem französisch-deutschen Paar, das sich einst auf einem Musikfestival in Belgien auf den ersten Blick verliebte, wenig später in der Schweiz eine Familie wurde, dann in Frankreich autark lebte und nun in Deutschland ein gemeinsames Start-Up gegründet hat.

Verbindung von Anfang an: Sehnsucht nach einem anderen Leben

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Schon bevor wir uns trafen, verspürten wir eine Sehnsucht nach einem Leben im Einklang mit unseren Werten. Claire fand zwar Erfüllung in ihrer Arbeit als Sozialpädagogin und Recyclingschmuckdesignerin in Brüssel, während Thorsten sich in Leipzig neben seinem Hauptberuf als Musiker auslebte. Doch wir spürten beide, damals noch unabhängig voneinander, dass uns etwas zur Selbstverwirklichung fehlte. Wir sehnten uns nach mehr Natur, Familie und einem Leben auf dem Land. Die Vorzüge der großstädtischen Kultur konnten das nicht aufwiegen. Wir warteten praktisch beide unterbewusst auf jemanden, der dieses Kapitel im Leben mit beginnt.

Nachdem wir uns im Sommer 2017 auf einem Festival in Belgien trafen und direkt eine tiefe Verbindung spürten, wurde uns beiden relativ schnell klar, dass wir uns ein gemeinsames Leben aufbauen wollen. Trotz oder gerade wegen anfänglicher Herausforderungen und Unsicherheiten, die während der Fernbeziehung Leipzig/Brüssel bestanden, entschieden wir uns dafür, unserem Bauchgefühl zu folgen und den Mut zu haben, unsere Träume gemeinsam zu verwirklichen. Wir ließen unsere Lebensmittelpunkte sausen und machten uns gemeinsam auf den Weg. Neun Monate nachdem wir uns kennengelernt hatten – aufgeregt, leichtgläubig und voller Optimismus.

Das Familienabenteuer beginnt: Unsere Zeit in der Schweiz

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In den folgenden 1,5 Jahren wuchsen wir als Paar zusammen. Unsere Zeit in der Schweiz, wo wir ein kleines Holzhaus am Rande der Alpen mit einem Garten fanden, war neben unseren Berufstätigkeiten, geprägt von gemeinsamen Projekten, kreativen Experimenten und dem Aufbau einer tiefen Verbundenheit zwischen uns und der uns umgebenden Natur. Gartenarbeit wurde immer wichtiger für uns und wir hatten ab sofort noch ein weiteres gemeinsames Interesse. Diese zusätzlich zu den gemeinsamen Werten und Zielen sind die starken Stützen unserer Beziehung.

Die Geburt unseres Sohnes im September 2019 veränderte alles. Plötzlich war unser Leben von einem neuen Sinn erfüllt, und wir spürten die Verpflichtung, eine liebevolle und unterstützende Umgebung zu bieten. Wir begannen, uns intensiv mit unseren Erziehungswerten auseinanderzusetzen. Um auf die Bedürfnisse unseres Kindes optimal antworten zu können, realisierten wir, dass nichts wichtiger ist als DA zu sein.

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In der wichtigsten Lebensphase, der frühen Kindheit, wollten wir fortan so viel präsent sein wie möglich. Darüber hinaus suchten wir nach den besten Methoden, unser Kind in seine Autonomie zu begleiten und uns optimal zu kümmern. Denn das war nun unsere neue Aufgabe. Zusätzlich hinterfragten wir uns: „Was wollen wir vom Leben und was wollen wir vorleben?“ – Wir wollen maximale, mögliche Selbstbestimmtheit in Harmonie, als Team. Unser Kind nicht wegorganisieren, sondern gemeinsam das Leben bestreiten. Das war es.

Als logische Konsequenz mussten wir unser „altes“ Leben hinter uns lassen, denn das war eher fremdbestimmt und die Lebenshaltungskosten waren hoch, ein „Killer“ der Unabhängigkeit. Ende 2020 entschieden wir uns, die Schweiz zu verlassen und nach Frankreich zu ziehen. Dort fanden wir nördlich der Vogesen ein verlassenes Lagergebäude, das wir mit einfachen Mitteln autark ausbauten. Unsere Tage waren geprägt von Gartenarbeit, handwerklichen Projekten und dem gemeinsamen Leben im Einklang mit der Natur.

Herausforderungen und Freuden des autarken Lebens in Frankreich

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Gerade am Anfang war das Leben mega rudimentär und dadurch ironischerweise extrem bereichernd. Wir bauten uns eine eigene Brauchwasserversorgung, indem wir Regenwasser aufbereiteten, eine Kläranlage, eine Komposttoilette, Stromversorgung und heizten und kochten mit unserem Holzofen. Trinkwasser holten wir aus einer nahegelegenen Bergquelle und wir badeten uns im nahegelegenen idyllischen Fluss. Aus pädagogischer Sicht konnten wir kaum einen besseren Schritt machen. Unser Sohn konnte so viel lernen.

Claire hat es geschafft, mit ihrem Erziehungskonzept eine behördliche Ausnahmegenehmigung für „homeschooling“ zu bekommen, denn die Schulpflicht in Frankreich beginnt mit 3 Jahren. Unser Häuschen bestand neben unserem Wohnbereich, der Nähstube von Claire und der Holzwerkstatt und dem Musikstudio von Thorsten, aus einem Lese-/Ruhebereich, einem Kreativraum, einer Musikecke, einer Verkleidungsecke und einer freien Spielecke für unser Kind.

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Unser Häuschen war tatsächlich hauptsächlich für Kinder gestaltet. Wir brauchen bis auf unsere Ateliers einfach auch nicht viel. Soll der Rest für die Kinder sein! Aus einer engen Bindung heraus bereicherten wir uns gegenseitig und es brauchte viel Verständnis und Kooperationsbereitschaft aller Familienmitglieder, da vielfältigste Aufgaben bewältigt werden mussten. Wir machten Tag für Tag weiter für ein gemeinsames Ziel: Ein maximal selbstbestimmtes, nachhaltiges Leben.

Wir lebten energetisch autark und konnten uns ab 2022 hauptsächlich von unserem Garten und den Eiern unserer Hühner ernähren. Das Geld, das nötig war, verdiente Claire als Coach für windelfreie Erziehung und Thorsten baute und verkaufte Designobjekte aus der eigenen, autarken Holzwerkstatt. Unser Plan schien aufzugehen. Wir waren glücklich mit dem, was wir hatten.

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Vom Traum zum Albtraum und Neuanfang in Deutschland

Leider wurde insbesondere Claire ab 2022 Opfer von Stalking. Unser Traum wurde schlagartig zum Albtraum für die ganze Familie. Wir waren gezwungen, unseren Traum Ende 2022 aufzugeben. Wir ließen unser Traumhaus stehen und alles darin liegen, um unser Kind und unsere Familie zu schützen. Wir mussten weg, es gab keine Alternative. Dabei war es unser Kind, das uns die Kraft gab, diese Entscheidung zu treffen – Danke dafür, es war die einzig richtige.

In Deutschland fingen uns die Eltern von Thorsten auf. Das war ein starker Rückhalt, der dabei half, sich schnell zu erholen. Nach kurzer Zeit waren wir bereit, unser nächstes Abenteuer anzugehen. Zwar hatten wir unseren Traum verloren und mussten von 0 starten, doch diese Erfahrung machte unser Team nur noch stärker.

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Der Wille, etwas Sinnvolles für Kinder zu tun und einen Beitrag für mehr soziale und persönliche Kompetenz in den kommenden Generationen zu leisten, war auf dem Höhepunkt. Wir schmissen unsere Kompetenzen zusammen und gründeten piiln für nachhaltig-funktionale Kindermöbel. Der Hof von Thorstens Eltern wird nun zum Mehrgenerationenhof und Firmensitz UND wir erwarten jeden Moment unser zweites Kind…

Wir sind froh, dass wir auch in schwierigen Phasen immer an unsere gemeinsamen Ziele glauben. Denn das macht uns stark, wir wollen vom anderen und über unser Selbst lernen und kommunizieren auf Augenhöhe. Voller Enthusiasmus starten wir nun unsere neue Mission. Wir sind gespannt, was noch alles auf uns wartet. Wenn ihr unseren Weg weiterverfolgen mögt, schaut gern mal auf unserer Instagramseite vorbei.

Claire & Thorsten

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6 comments

  1. Ich finde es toll, gemeinsam so etwas zu planen und umzusetzen… Ich finde man merkt, dass die beiden in der Zeit ihres ‚Projektes‘ auch bescheiden gelebt haben und hinter dem Ganzen standen… zurückzugehen finde ich nicht schlimm, man ist um die Erfahrung reicher… Natürlich ist es wesentlich leichter, wenn man weiß, man ‚fällt weich’… Aber ist es bei jeglichen anderen Anschaffungen wie Hauskauf etc nicht auch einfacher, wenn man den finanziellen Background hat?
    Mir gefällt diese Art zu Leben zumindest sehr viel besser (obwohl ich nicht der Typ dafür wäre) als die Lebensart von Paaren, bei denen ein Elternteil in einem Wirtschaftsunternehmen, das andere Mitarbeiter zu Dumpinglöhnen ausbeutet, sehr gut verdient und gleichzeitig über die vorbildlich ökologische eigene Lebensweise der eigenen Familie (die sich viele andere natürlich gar nicht leisten können) referiert…
    …viel Glück noch, Ihr Beiden!

  2. schliesse mich den anderen Komentarscheiberinnen an.
    Zudem war das ganze “ Experiment“ von zu kurzer Dauer, als dass es in meinen Augen, wirklich noch lange “ nachklingen“ kann. Siehe zb. Thema Selbstversorger Garten. Ein Garten 2 Jahre zu haben, bedeutet nicht das Gleiche, die wenn man einen
    Garten 10 Jahre wachsen gesehen hat.

  3. Ich finde es toll, dass es beiden Eltern gleichermaßen wichtig war, in der Kleinkindzeit ihres Sohnes so viel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen. Sie scheinen sich viele Gedanken darum gemacht zu haben, wie ihr Kind gut aufwachsen kann, und haben ihr Leben danach ausgerichtet.
    Gleichzeitig kann man sein Leben auch nur dann derart hoch individuell gestalten, wenn klar ist, dass es ein (finanzielles) Sicherheitsnetz gibt. Dieses Sicherheitsnetz sind wohl die Eltern von Thorsten, dank deren Unterstützung wohl auch die Gründung ihres Unternehmens möglich war.

  4. Mir geht es genauso wie der anderen S. Ein interessanter Bericht! Aber gerade weil jeder seine Lebensentscheidungen so treffen soll und darf (hoffentlich!) dass sie für ihn passen, klingt dieser Bericht etwas engstirnig.
    Alles pädagogisch wertvoll auf‘s Kind abgestimmt, das Kind nicht „wegorganisiert“ etc. Da schwingt viel Abwertung gegenüber Menschen mit, die es anders machen.
    Und bei einigen Sätzen dachte ich an Loriots Ehepaar im Zug („Wir machen alles gemeinsam“) und musste ziemlich lachen 😂

  5. Danke für den interessanten Bericht.
    Löst bei mir gemischte Gefühle aus. Einerseits kann ich den Wunsch, dem Stress und Konsum zu entfliehen, back to the roots, nachvollziehen. Andererseits kommt mir vieles doch arg idealistisch überhöht und damit auch ein Stück weit elitär vor. In jedem zweiten Satz das Wort autark. Das ist doch eine Illusion, oder was bedeutet das? Im Zweifelsfall keine Backupsysteme der westlichen Industrienationen in Anspruch nehmen wenn das Kind schwer erkrankt? Zu Fuß mit dem Handwagen zwischen den verschiedenen Wohnorten pendeln? Die Motorsäge dürfte auch irgendwann mal von jemandem industriellproduziert und gegen Geld verkauft worden sein.
    Die Hinweise auf die Geldquellen in der Zeit während des Autarkieversuchs sind vage. Auf der Homepage steht, der Mann sei Ingenieur, was vermutlich/hoffentlich in der Vergangenheit ein finanzielles Polster geschaffen hat. Was alles völlig ok ist, mich stört nur die ideologische Überhöhung dabei, der das ethische moralische Optimum für ein Kind (ja dann eigentlich alle Kinder) proklamiert. Es fehlt mir etwas die Einsicht, dass eine solche Lebensweise Luxus ist, die sich viele sicherlich nicht leisten können. Gleiches gilt für die Möbel des derzeitigen Unternehmens. Eine alleinerziehende Mutter auf Existenzminimum wird sich diese vermutlich nicht leisten können, oder gibt es eventuell sozialgestaffelte Preise? Die meisten würden im Zweifelsfall auf günstige Kisten aus dem Baumarkt oder blaugelben Möbelhaus zurückgreifen. Ob deren Kinder dadurch weniger glücklich, kreativ, pädagogisch wertvoll aufwachsen? Ob sich Augenhöhe mit dem Kind durch die Qualität der Möbel manifestiert, wage ich ganz arg zu bezweifeln. Für mich schwingt hier eine gewisse ideologische Überheblichkeit mit und Abwertung von Familien, die das nicht so handhaben können oder wollen. Mein subjektiver Eindruck.

    1. @ die andere S.
      Danke. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.
      Ich finde diese und ähnliche Berichte von Aussteigern auf der einen Seite interessant, frage mich aber oft, wie autark sie wirklich sind. Vieles dürfte sich schöngeredet sein und für eine Weile funktionieren. Ein paar Jahre vielleicht, bis einen die Wirklichkeit einholt.
      Spätestens wenn man krank und alt wird, wird die industrialisierte Welt, auf die man vorher herabgesehen hat, wieder in Anspruch genommen. Die Autarkie funktioniert nur bis zu einem gewissen Grad und ist zum Rest Illusion. Auch die Aussteiger müssen davon leben, dass jemand anderes ihre Leistung kauft oder Coachingangebote wahrnimmt. Damit kommt das Geld rein, mit dem sie sich finanzieren.
      Ich würde mir wünschen, dass so eine Welt funktioniert, befürchte aber dass diese Familie nicht ausreichend für sich vorsorgt (Rente, Krankheit etc.). Dann springt der Steuerzahler für sie ein. Sprich wir, auf die sie vorher herabgesehen haben. Das ist einer der wesentlichen Punkte, die mich an vielen Berichten von Aussteigern oder Weltenbummlern stört. Wenn man keine Lust mehr hat, nimmt man das Angebot der westlichen Welt gerne wieder in Anspruch. Auf Kosten all jener, die nicht vor den Pflichten des Lebens geflohen sind.

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