Frühchen: Mein Baby kam während des Kurzurlaubes im Ausland zur Welt

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Mein Name ist Andrea, ich möchte euch heute meine Geschichte erzählen. Als ich in der 30. Schwangerschaftswoche war, wollten mein Mann und ich nochmal ein Wochenende nach Straßburg fahren. Noch richtig Zweisamkeit genießen und unseren ersten Hochzeitstag feiern. Die Schwangerschaft war bis dahin total beschwerdefrei, der Frauenarzt gab sein OK zu unserem kleinen Tripp.

Also fuhren wir am Freitagnachmittag voller Vorfreude auf ein entspanntes Wochenende los, wir hatten nur wenig Gepäck dabei, schließlich sollten es ja nur zwei Nächte sein. Einem spannenden Sightseeing-Tag bei herrlichem Sonnenschein wollten wir den Tag mit einem schönen Abendessen ausklingen lassen. In der Tram bemerkte ich jedoch, dass meine Unterwäsche ganz nass war. Ich schob es anfänglich darauf zurück, dass wir kurz vorher noch im Hotelpool einige Runden geschwommen waren.

Als wir aus der Tram ausstiegen, merkte ich aber, dass es immer nasser wurde und realisierte, dass das nicht normal war. Ich rief im Krankenhaus an, in dem ich mich für die Geburt angemeldet hatte und sie sagten, ich solle sofort vorbeikommen.

Auf dem Kurztrip kündigt sich die Geburt an

Da wir ja in Straßburg waren, ging das ja nicht, also fuhren wir einfach ins nächste Krankenhaus vor Ort. Nach rund einer Stunde Wartezeit kam endlich eine Gynäkologin. Diese stellte Wehen fest und schickte uns sogleich ins Gebärzimmer. Da ich erst bei 29+5 war, verabreichten Die Ärzte mir sofort Wehenhemmer und für meinen Sohn gab es die erste Lungenreife.

Um ehrlich zu sein, habe ich das alles nur noch verschwommen in Erinnerung. Mein Mann und ich waren naiver Weise davon ausgegangen, dass wir am nächsten Morgen entlassen werden würden. Gegen 7 Uhr am nächsten Morgen kam die Gynäkologin in Begleitung des Kinderarztes. Sie offenbarten uns, dass die Wehen nicht zu stoppen seien und unser Sohn heute auf die Welt käme.

Ungeplante Frühgeburt im Ausland

Das fühlt sich so an, als sei uns der Boden unter den Füßen weggerissen worden. Wir konnten es einfach nicht glauben. Der Arzt erklärte uns geduldig, was die Frühgeburt für unseren Sohn und uns bedeutet. Da das alles auf Französisch passierte, haben wir wahrscheinlich doch nur die Hälfte verstanden. Am Schluss ging alles Schlag auf Schlag (die zweite Lungenreifen-Spritze nicht mehr drin), da die Wehen stärker wurden. Mein Sohn kam um 8.41 Uhr mit knapp 1300 Gramm spontan zur Welt. Er wurde sofort intubiert und auf die Neonatologie gebracht.

Nach Stunden, die uns wie eine Ewigkeit vorgekommen sind, konnten wir ihn endlich besuchen. Mein Sohn, so klein und zerbrechlich, lag einfach nur da im Brutkasten. Weinen und schreien konnte er aufgrund des Tubus nicht. Uns zerriss es beinahe bei seinem Anblick. Er war verkabelt und überall piepste es. Anfänglich durften wir lediglich die Hand auf ihn legen – nicht streicheln, da das die dünne Haut zu stark reizte und ihm Schmerzen bereitete.

Unser Frühchen kämpfte jeden Tag

Aber schon am nächsten Tag durften wir ihn doch mal hochnehmen und sanft kuscheln – peau à peau nennt man das in Frankreich. Auch füttern bzw. sondieren durften wir ihn schon sehr bald selber. Anfänglich bekam er alle zwei Stunden 5ml Muttermilch. Von morgens bis abends waren wir bei ihm, haben ihm vorgelesen, vorgesungen oder ihm einfach nur von seiner Familie erzählt.

Wir hatten das Glück, dass im nahegelegenen Ronald McDonald-Haus ein Zimmer frei wurde, so dass wir ihn rund um die Uhr besuchen konnten. Unser Sohn machte dank der großartigen Arbeit der Krankenschwestern täglich Fortschritte.

Nach zwei Wochen gab es dann einen Termin für die Rückführung nach Hause, wir leben in der Schweiz. Wir waren voller Vorfreude, buken dem ganzen Team einen Kuchen und packten unsere Sachen. Am nächsten Morgen dann der Rückschlag: Ein Infekt verunmöglichte die Rückführung. Die Sorge war groß und die Tränen flossen einmal mehr in Strömen. Nach einer weiteren Woche war es dann aber endlich soweit – unser Sohn war stabil genug.

Transport im Brutkasten: Endlich nach Hause…

Der Rega Helikopter kam gegen Mittag in Straßburg an. Ein Team (bestehend aus einem Kinderarzt, einer Kinderkrankenschwester und zwei Piloten) holten unseren Sohn ab. Aufgrund der schlechten Wetterprognose musste alles sehr schnell gehen. Da der Brutkasten so viel Platz einnahm, war für uns Eltern kein Platz im Helikopter und unser Sohn musste diese Reise alleine antreten. Dieser Abschied war emotional erneut eine große Herausforderung.

Unser Sohn lag festgezurrt im Brutkasten mit Gehörschutz und flog quasi alleine davon. Zum Glück warteten meine Mutter und die Schwiegermutter in der Heimat auf ihn. Sie konnten beobachten, wie der Helikopter landete und er ausgeladen wurde, durften jedoch nicht mit hinein. Nach einer mehrstündigen Autofahrt waren wir abends dann endlich auch wieder vereint. Meine Erleichterung war riesig – endlich zu Hause, endlich meine Sprache sprechen, endlich meine Familie um mich. Ich wusste, dass jetzt alles gut wird. Nach weiteren langen fünf Wochen im Krankenhaus durften wir unseren Sohn mit einem Gewicht von 2600 Gramm nach Hause nehmen. 

Heute ist unser Sohn fünf Jahre alt und kerngesund. Seine Schwester kam zwei Jahre später ohne Komplikationen termingerecht zur Welt. Heute kann ich sagen, dass wir großes Glück hatten, dass unser Sohn in Straßburg so gut versorgt wurde und wir die Chance hatten, Tag und Nacht bei ihm zu sein. Dafür bin ich bis heute unendlich dankbar.

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5 comments

  1. Mein Tochter und Erstgeborene musste nach einer schlimmen langen Geburt mit Einleitung auf die Neonatologie II, dort lag mein dickes wonneproppiges ausgereiftes Baby nun mit den ganzen zierlichen Frühchen, es war sehr herzergreifend. Endlich nach zwei Tagen bekam ich mein kleines Mädchen zurück, hab mich kaum getraut, sie zu berühren. Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, wie stark man leidet, wenn man es so lange in dem Brutkasten sehen muss und immer hofft, nach Hause zu können.
    Ich nehme an, dass man beim Zweiten wahrscheinlich nicht mehr auf Reisen gegangen ist, sondern förmlich täglich um die Geburtsklinik geschlichen ist.

  2. Liebe Andrea,
    Eure Geschichte hat mich total berührt. Beim Lesen hatte ich Tränen in den Augen. Unser Sohn kam auch völlig unerwartet in SSW 33-0 zur Welt – unser 3. Kind. Ich frage mich heute oft, wie wir diese aufreibende Zeit überstanden haben und danke Gott dafür, dass unser Sohn gesund ist. Ich wünsche Euch alles Gute. Liebe Grüße Nicole

  3. Hallo Andrea,

    deine Geschichte kann ich super nachvollziehen. Meine Tochter kann bei 33+0 in England per Not-Kaiserschnitt auf die Welt, bedingt durch eine (mir bis dahin unbekannte) Praeklampsie.
    Während mein Mann wieder nach Deutschland musste zum Arbeiten, wohnte ich 3,5 Wochen auf der Frühchenstation . Personell und medizinisch war die Klinik sehr gut, ich hatte jederzeit einen hilfsbereiten Ansprechpartner.
    Das war eine super Erfahrung, auch rund um die Uhr beim Kind sein zu dürfen. Mit 1705g Baby sind wir dann schließlich in 4 Tagen etappenweise 850km nach Hause gefahren.

  4. Wie sehr ich diese bangen Stunden,Tage und Wochen nachvollziehen kann- und das alles fern von Zuhause. Unser Sohn kam in der SSW 30+4 mit 1265g auf die Welt (Präeklampsie, Plazentaablösung und Nichtaufwachen nach der Narkose meinerseits) …Er musste 7 Wochen im KH bleiben…eine emotional sehr anstrengende Zeit mit Höhen und Tiefen. Heute ist er 10 Jahre alt und ich kann es manchmal nicht glauben, dass dieser tolle,gesunde,große Junge anfangs so kämpfen musste.

  5. sowas ist immer sehr berührend.
    mein sohn kam in woche 36+6 auf die welt und musste 12 tage auf der neonatologie bleiben. er war am anfang zu schwach um wach zu bleiben oder selbst zu trinken.
    diese zwölf tage waren für mich die hölle. von daher kann selbst jemand wie ich nur ansatzweise nachvollziehen wie es ist sein kind nicht anfassen zu dürfen oder für den transport so lange von ihm getrennt zu sein!

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