Interview zu Augengesundheit und Sehschwäche: Woran erkenne ich, ob mein Kind nicht gut genug sehen kann?

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Ihr Lieben, haben Eure Kinder Brillen? Unsere haben keine. Mein Mann jedoch hatte schon als Kind eine. In meiner Familie haben auch alle eine Brille – nur ich nicht. Heißt das also, dass ich die Augen meiner Kinder besonders beobachten muss? Dass ich vielleicht sogar zu einem Extra-Sehtest gehen müsste? Ich weiß es nicht! Deswegen haben wir Sonja Schäche vom Kuratorium Gutes Sehen gebeten, uns unsere wichtigsten Fragen zum Thema Augengesundheit zu beantworten. 

Warum wir uns gerade jetzt um das Thema kümmern? In diesen Tagen findet die "Woche des Sehens" statt und auf der Seite sehen.de finden sich etliche Ratgeber-Stücke zum Thema Kind und Sehen. Wusstet Ihr, dass es sogar einen Sehtest für Babys gibt, den wir spielerisch zu Hause machen können und der uns Hinweise geben kann, ob wir mit unserem Kind mal zum Augenarzt müssen? Wir wussten das nicht. Wie so vieles, dass wir dann die Expertin gefragt haben. Reichen die U-Untersuchungen beim Kinderarzt denn nicht? Welche Auswirkungen können unerkannte Sehschwächen haben? Hier unser Interview.

 

 

kgs sonja schaeche

Frau Schäche, mein Mann hat seit seiner Kindheit eine Brille, muss ich deswegen bei meinen Kindern verstärkt schauen, ob sie auch eine Sehschwäche haben?

Ja, das sollten Sie. Denn viele Sehschwächen werden vererbt. Hinzu kommt, dass sich Kinderaugen in den ersten drei Lebensjahren entwickeln müssen. Ihr Kind muss Sehen quasi lernen. Werden Sehfehler in dieser sensiblen Phase nicht erkannt, lassen sie sich nicht oder schwer korrigieren: Das Kind braucht vielleicht immer eine Brille.

Reicht es nicht, dass der Kinderarzt bei den regelmäßigen U-Untersuchungen nach den Augen schaut?

Leider können auch Kinderärzte Fehlsichtigkeiten nicht immer erkennen. Die meisten Sehfehler lassen sich nicht so einfach messen. Die Kleinen können nämlich ihre Augen über einen kurzen Zeitraum unglaublich gut „scharf stellen“. Deshalb werden sie die Tests der U-Untersuchungen fast immer bestehen, es sei denn, sie haben sehr schwere Fehler.

An wen kann ich mich wenden, wenn ich glaube, dass mein Kind nicht so gut sieht?

Auch wenn Sie glauben ihr Kind kann gut sehen, sollten sie es dem Augenarzt vorstellen. Die meisten Kinder-Sehprobleme kann nur er mit speziellen diagnostischen Techniken erkennen. Suchen Sie am besten eine Praxis mit angeschlossener Sehschule auf. Die Fachleute hier sind auf Kinder und deren Besonderheiten spezialisiert. Bitte immer einen Termin machen, da Kinder viel Zeit benötigen.

Stimmt es, dass es sogar schon Sehtests für Babys gibt? 

Der Sehsinn eines Babys verfeinert sich nach und nach. Optimal läuft das aber nur, wenn das Auge scharf sieht. Deshalb sollte man mit sehauffälligen Babys sofort, mit Frühchen oder Kindern von Eltern mit starken Sehdefiziten, im ersten halben Lebensjahr den Augenarzt aufsuchen. Er wird mit Karten, bei denen eine Seite bedruckt die andere clean ist, die Blickreaktionen des Babys testen.

kinder brille

Wie sieht ein solcher Sehtest für größere Kinder aus?

Im Vorschulalter kann z. B. schon mit Hilfe von Sehtafeln, die offene Kreise darstellen (Landoltringe), getestet werden. Der Augenarzt kann dafür die Funktion des „Scharfstellens der Linse (Akkomodation) mittels Tropfen unterbrechen. Erst danach kann er die Sehleistung verlässlich messen. Diese Erweiterung der Pupillen führt zwar vorübergehend zu Verschwommensehen und erhöhter Blendempfindlichkeit, tut aber nicht weh. Also sicherheitshalber die Kinder- Sonnenbrille mitnehmen. Die Nebenwirkungen verschwinden nach einigen Stunden.

Auf welche Anzeichen muss ich als Mutter oder Vater achten, um eine Sehschwäche beim Kind festzustellen (oder zu vermuten)?

Hier ist gute Beobachtung gefragt – am besten von Eltern und Erziehern. Denn die Warnzeichen können vielfältig sein. Sie reichen von einer deutlichen Schiefhaltung des Kopfes über ständiges Augenreiben, Grimassenschneiden, Augenzukneifen oder Blinzeln bis hin zu hoher Lichtempfindlichkeit. Auffälliger sind da noch Schielen und tränende, verklebte oder zitternde Augen. Auch wenn das Kind häufig stolpert, mit der Nase auf dem Buch klebt oder oft über Kopfschmerzen oder Müdigkeit klagt, können das Hinweise sein.

Gibt es ein Zeitfenster, in dem ich mich um einen Sehtest kümmern sollte?

Je früher desto besser. Sehen muss in den ersten sechs Jahren „gelernt“ werden. Damit Augenfehler nicht das ganze Leben belasten, ist eine Früherkennung nötig. Es gilt die Faustregel:  Früh geborene Babys und Kinder, deren Eltern und Geschwister schielen oder stark fehlsichtig sind, sollten zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat einen Augenarzt,  aufsuchen.  Alle anderen in den ersten drei Lebensjahren. 

Welche Folgen kann eine unentdeckte Sehschwäche bei Kindern haben?

Kinder mit Sehschwächen entwickeln sich einfach schlechter.  Sie müssen sich mehr anstrengen, haben aber doch nicht die gleichen Möglichkeiten, wie mit optimaler Sehkraft. Das ist einerseits ermüdend, frustrierend und behindert zudem die Entwicklung der Motorik. In der Schule kommen Fehler beim Schreiben, Rechnen, Lesen oder Schreiben hinzu. Im Straßenverkehr oder Sport kann schlecht Sehen sogar für Unfälle sorgen.  Zudem  können frühe, hohe Sehdefizite im Alter zu schweren Erkrankungen führen, die das Augenlicht kosten.

Und sagen Sie, ich bin die Einzige in meiner Familie, die keine Brille trägt: Sollte ich auch lieber mal zum Sehtest, auch wenn ich jetzt noch keine Einschränkungen wahrnehme?

Das ist eine sehr gute Idee und die einfachste Art Ihrem Kind beizubringen, dass es wichtig ist, sich um die Augen zu kümmern. Zudem ist es sinnvoll für Sie: Die Sehleistung verändert sich im Laufe des Lebens langsam und meist unbemerkt. Man ist einfach nur müder als notwendig. Das betrifft nicht nur alterssichtige Menschen ab ca. 45. Durch die intensive Nutzung von Smartphones, Tablets & Co hat sich das Sehverhalten verändert. Viele junge Menschen werden kurzsichtig. Deshalb am besten alle zwei Jahr mal zum Sehtest. Anders als bei Kindern ist hier in erster Linie der Augenoptiker Ansprechpartner.

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1 comment

  1. Sehr guter Artikel
    Kompliment für diesen tollen Artikel,
    den ich teilen werde. Wir haben ein großes, operatives Augenzentrum mit einer ganztags besetzten Sehschule. Ich selbst habe vor dem Medizinstudium den Beruf der Orthoptistin erlernt, daher liegen mir Kinder besonders am Herzen. Vor ca. 4 Jahren haben wir bei unserem 5jährigen Patenkind eine Weitsichtigkeit von +7 Dptr. festgestellt. Keiner in der Familie inclusive Großeltern und zwei Brüdern hat eine Brille. Beim Kinderarzt wird schon gut untersucht, aber oft schauen Kinder unbemerkt mit dem besseren Auge mit, wenn sie den Kopf etwas drehen. Daher plädiere ich für kompetente Untersuchungen durch einen Orthoptisten in einer Sehschule, die in einer guten Augenarztpraxis nicht fehlen darf.