Mutterrolle: Man muss die Kinder nicht geboren haben, um sie zu lieben

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Liebe Simone, erzähl uns mal von deiner aktuellen Lebenssituation. 

Ich komme aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Magdeburg. Ich habe derzeit nur einen Minijob, weil ich mich intensiv um zwei Kinder kümmere, die allerdings nicht meine leiblichen Kinder sind. Hier in der Gegend gibt es nicht gerade viele Jobs und wenn man dann auch noch kinderfreundliche Arbeitszeiten braucht, wird es sehr schwer. 

Leider habe ich auch keinen Partner. Niemand will scheinbar eine Frau, die sich um "fremde" Kinder kümmert. 

Du hast uns geschrieben, weil Du Dir bei uns mehr Beiträge wünscht, in denen es nicht um biologische Mamas geht. Du hast selbst keine leiblichen Kinder. War das eine bewusste Entscheidung?

Ja, komischerweise habe ich nie einen Kinderwunsch verspürt. Ich wollte nie eigene Kinder, sah das nie als "Sinn des Leben". Und ja, ich habe mich bei Euch gemeldet, weil ich finde, dass es so viele Frauen gibt, die eine Mutterrolle ausüben, obwohl sie nicht die leiblichen Mütter sind. Sei es, dass es Stiefmütter sind oder Pflegemütter – oder ob sie sich einfach um Kinder aus der Familie kümmern.

Das ist bei Dir der Fall. Erzähl mal. 

Genau. Ich habe eine sehr enge Bindung zu meinem Cousin und zu meiner Nichte. 

Meine Tante, die Mutter meines Cousins, wollte nie wirklich ein Kind, sie arbeitete sehr viel und gerne. Doch dann wurde sie schwanger, natürlich hatte sie Gefühle für dieses Kind, aber so richtig wusste sie nicht, wie sie ihren Alltag mit Kind gestalten soll. Der Vater des Jungen hat auch nicht richtig gekümmert. Ich dagegen mochte den Jungen vom ersten Augenblick. Und so kam es, dass ich mehr und mehr für ihn gesorgt habe und er auch teilweise bei mir gelebt hat. Leider ist er nun mit seinen Eltern ein Stück weg gezogen, aber er ist immer in den Ferien bei mir und auch sehr oft am Wochenende. 

Und wie ist das mit Deiner Nichte? 

Meine Nichte hatte keinen leichten Start ins Leben. Der Mann meiner Schwester war gewalttätig, so dass meine Schwester mit dem Baby erstmal in ein Frauenhaus gezogen ist. Weil das natürlich auf Dauer nicht ging, ist meine Schwester dann mit dem Baby zu mir gezogen. Das lief anfangs sehr gut, die Kleine war unser Lebensmittelpunkt. 

Meine Schwester hat dann einen neuen Job gefunden und sich auch neu verliebt – und das hat viel verändert. Sie ist ständig unterwegs und ich mehr und mehr alleine mit der Kleinen. Manchmal habe ich das Gefühl, meine Schwester hat uns fast "vergessen." Sie genießt ihre neue Liebe und den neuen Job und weiß ja, dass ich mich um ihre Tochter kümmere. Meine Schwester kommt zwar finanziell für alles auf, aber darum geht es doch gar nicht. Mir wäre es tausendmal lieber, sie würde sich gut um das Kind kümmern – und sie nicht materiell überhäufen.

Wie geht es den Kindern mit diesen Situationen?

Ich weiß, wie gerne mein Cousin (12) bei mir ist. Wir reden dann sehr viel, was seine Wünsche und Ziele sind, lachen und kuscheln. Wenn seine Eltern kommen, um ihn zu holen, ist er immer ganz geknickt. 

Meine Nichte (7) ist – hoffe ich – glücklich. Sie lebt ja komplett bei mir und ich finde, wir kriegen das gut hin. 

Du wolltest nie Kinder – aber lebst ja jetzt praktisch in einer Mutterrolle. 

Naja, mein Tagesauflauf und meine Gedanken sind tatsächlich wohl so wie die von Müttern. Hat das Kind alles für die Schule dabei? Findet es Freunde? Wann sind die Hobbies? Meine Nichte lebt ja komplett bei mir – da übernehme ich eigentlich die ganze Verantwortung.  Und dennoch bin ich eben nicht die Mutter. Ich habe nicht die Rechte, darf nichts entscheiden, ohne dass ich eine Vollmacht von meiner Schwester habe.

Eure Situation ist ja doch recht außergewöhnlich. Hast du schon mal blöde Kommentare kassiert?

Klar, mir wurde schon gesagt: "Mensch, gib die Kinder zu ihren Eltern und mach endlich selber welche!" oder "Du bist so ein guter Mutterersatz, wird Zeit, dass du selber schwanger wirst!". Wenn nötig, erkläre ich dann, dass ich keinen Wunsch nach eigenen Kindern habe und dass ich mich bereits um zwei wunderbare Kinder kümmere. 

Aber ich habe es eigentlich aufgegegen, mich immer wieder rechtfertigen zu wollen. 

Wie bereichern diese Kinder Deinen Alltag und was möchtest du ihnen mit auf den Weg geben?

Sie bereichern definitiv mein Leben.Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht lache und ich bin wirklich dankbar für diese beiden Kinder in meinem Leben. Sie haben so viel Lebensfreude, das steckt an, auch wenn ich oft nicht weiß, wie alles weitergehen soll und ich jeden Cent fünf Mal umdrehen muss. 

Ich wünsche mir, dass sie später mal sagen können "Wir hatten, trotz aller Umstände, eine schöne Kindheit. Denn da war jemand, der uns Liebe gegeben hat und ein offenes Ohr hatte"

Ich hoffe, sie werden tolerante und soziale Erwachsene,  die auch mal über ihre Grenzen hinausgehen werden, ohne sich selber zu schaden. Welche, die sich trauen über den Tellerrand hinauszuschauen und so gefestigt sind, ihre eigene Meinung zu haben und zu vertreten. Die wieder aufstehen,wenn sie fallen und wissen, dass ich ihnen aufhelfe,falls sie es selber mal nicht schaffen. Ich hoffe, dass ich ihnen beibringen kann, allen Menschen gleichermaßen freundlich entgegen zu treten. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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