Trotzphase? Omm… Gastbeitrag von Nadine, der Autorin von „fashion, baby“

Baum

Gestern, 21:15 Uhr. Ich sitze mit einer brüllenden, sich windenden Babynella auf dem Schoß auf ihrem Bett und versuche ihr klar zu machen, dass sie jetzt keinen Joghurt mehr bekommt. Weil das Abendessen vorbei ist. Weil sie seit einer guten Stunde schlafen sollte. Weil ich weiß, dass sie keinen Hunger hat, sondern die Sache mit dem Joghurt einfach nur die Taktik du jour ist, um noch ein bisschen länger aufbleiben zu können.

Ich rede beruhigend auf sie ein, aber sie scheint mich überhaupt nicht zu hören. Irgendwann passiert dann das Unvermeidliche: Sie realisiert, dass ich es ernst meine, brüllt noch ein bisschen heftiger und – übergibt sich vor lauter Hysterie über uns beide.

Das Gute an diesem Moment ist, dass sie vor lauter Schreck jetzt zwar weint weil alles nass ist, aber vergessen hat, dass sie ja einen Joghurt wollte und wieder auf dem Planeten Erde angekommen ist. Während ich sie wasche und ihr einen frischen Schlafanzug anziehe, beruhigt sie sich und schläft schließlich ein paar Minuten später völlig erschöpft ein. Ich gehe zurück ins Bad, wechsle meine Klamotten ebenfalls und atme einmal tiiiief durch.

Babynella ist drei Jahre und drei Wochen alt und in der Trotzphase. Lange dachten wir ja, der Kelch ginge an uns vorbei, es würde alles gar nicht so schlimm. Aber ohne geht es wohl nicht (darf es gar nicht gehen, wie ich durchaus weiß), und seit Ende letzten Jahres sind wir nun mit dabei. Wie kann eine so kleine Person so willensstark sein?
Wenn sie etwas nicht will, überhört sie uns gerne geflissentlich. Wenn wir dann nicht locker lassen, gibt es erst Gemaule, dann wird sie frech, dann gibt es Gebrüll. Will sie etwas, wird es unbeirrt durchgezogen, gegen alle Widerstände. Gespuckt wird im Allgemeinen nicht, aber es ist schon vorgekommen, wenn wir es nicht geschafft haben, die Situation rechtzeitig in den Griff zu kriegen. Soweit, so normal.

Wir teilen da das Schicksal aller Eltern zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben ihres Kindes. Was mich dabei viel mehr beschäftigt als die Trotzphase an sich, ist das, was sie mit mir macht. Ich hätte es mir niemals vorstellen können, aber niemand, wirklich niemand kann mich so wütend machen wie meine trotzende Tochter. Ihre Verweigerung eines ordentlichen Miteinanders treibt mich auf die Palme, macht mir eine Wutgänsehaut, löst ein Kribbeln in meinem Magen aus. Nicht immer, aber doch immer wieder mal.

Und dann muss ich auch noch erwachsen sein und souverän reagieren. Ruhig bleiben, die Führung übernehmen, konsequent sein.
Neulich habe ich zu meiner Erleichterung dann gelesen, man solle ruhig auch mal authentisch sein. Das Kind müsse auch merken, wenn es eine Grenze überschritten habe und dürfe die Verärgerung des Erwachsenen auch mal spüren. Noch am gleichen Tag hab ich dann mal ganz authentisch vor Wut eine Tür hinter mir zu geworfen. Und mich furchtbar dafür geschämt.

Wenn es mir gelingt, im Moment des Dramas einen inneren Schritt zurück zu treten, sehe ich die Situation wie sie ist: Kleines Wutbündel ist fassungslos darüber, dass sie die Situation nicht nach ihrem Willen steuern kann und gibt alles, um doch noch zu gewinnen. Dann denke ich oft „Das gibt’s doch nicht, warum macht dich das denn jetzt so sauer?“.
Zugegeben, niemand anders benimmt sich mir gegenüber so wie Babynella in diesen Augenblicken, da ist es ja eigentlich nicht verwunderlich, dass auch ich Reaktionen zeige, die normalerweise nicht vorkommen.
Und auch, wenn sie es nicht mit Absicht macht, so erwischt Babynella meinen Mann und mich treffsicher an unseren schwächsten Punkten. Bei ihm ist das sein zu großes Harmoniebedürfnis, das dazu führt, dass er die Grenze nicht klar genug zieht, und Babynella verzweifelt, weil die Lage für sie nicht eindeutig ist. Manchmal ist ein klares Nein nämlich eine richtig gute Sache, weil es Orientierung gibt und eine Grenze zieht.
Mein Schwachpunkt ist das Gefühl, immer reagieren zu müssen. Zu erziehen, da zu sein und auf alles einzugehen. Aber auch, ins Negative gedreht: Eine Bekannte erzählte neulich, wieso sie ihr Lehramtsstudium aufgeben hatte: „Ich wollte einfach nur, dass die machen was ich sage.“

In dem Satz konnte ich mich wirklich gut wiederfinden! Und so bedeutet Erziehung eben manchmal auch Selbsterkenntnis. Das macht mich in den betreffenden Situationen nicht unbedingt weniger wütend, aber insgesamt sicherer. Ich merke, dass seitdem ich besser einordnen kann, was an der Situation mich gerade in den Wahnsinn treibt (und das ist eben nur sekundär die Frage, ob wir denn nun jetzt wirklich, wirklich, wirklich vom Spielplatz nach Hause gehen), ich besser mit ihr umgehen kann.

Manchmal sage ich dann auch einfach mal „Ja“, lasse etwas durchgehen und die Dinge laufen. Weil mir klar geworden ist, dass Babynella keine verzogene Göre wird, wenn ich nicht jeden Ungehorsam ahnde.

Irgendwie ein sehr entspannender Gedanke! Omm!

TAUSEND DANK, NADINE von „fashion, baby!“ für diesen Gastbeitrag!

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3 comments

  1. Selbsterkenntnis
    Oh ja, wir lernen viel über uns selber, während wir doch eigentlich unserer Kinder erziehen wollen. Bei meinem Kind steckt die Trotzphase noch in den Kinderschuhen und ich bin gespannt, was mich noch so erwarten wird! Einen kleinen Vorgeschmack habe ich ja nun erhalten. 😉
    Viele Grüße, Wiebke (vom Blog „Verflixter Alltag“)

  2. Mir ging es auch so..
    ,dass ich manchmal echt nicht wirklich einodnen konnte, was da bei mir und meinem 2,5Jährigen eigentlich los ist/war.
    Und als dann noch eine befreundete Mom ankam und mir nach 20Minütigem Trotzanfall sagte: „du lies doch mal Jesper Juul, kompetentes Kind“ , da ist mir fast die Hutschnur gerissen. Aber irgendwann hab ichs dann doch gelesen (auch wenn ich immer einen lässig abwertenden Kommentar gegen Elternratgeber parat hatte)… Im Grunde ist es ganz einfach: wir fordern Respekt ein und möchten unsere Grenzen gewahrt wissen, die Kinder wollen dies auch. Manchmal ist es in Ordnung, wenn wir dem Kind die Entscheidung überlassen, manchmal müssen wir (z.B. an der Straße an der Hand gehen) einfach die Verantwortung übernehmen. Das Kind kann lernen, dass wir es verstehen wenn es etwas will, aber das es manchmal nicht anders geht. Oder, dass wir auch seine Grenzen anerkennen und uns mal zurück nehmen.. Wenn wir seine Grenzen akzeptieren, wird es automatisch auch unsere anerkennen…
    Inzwischen bin ich wohl noch immer nicht ganz perfekt (wer ist das schon?!), aber wesentlich entspannter unterwegs 😉

  3. Herrlich!!
    Wahrscheinlich kennt jeder der Kinder hat, die Situationen, die du beschreibst:o) Ich danke dir dafür, denn so wird mir immer wieder klar, dass ich tatsächlich nicht alleine bin mit meinen Wutzwergen, sondern Millionen andere Mütter und Väter dasselbe durchmachen. Anfangs habe ich immer noch versucht alles zu erklären, aber inzwischen bleibe ich bei einem klaren Nein, gehe kurz aus dem Zimmer, um durchzuatmen (wenn es möglich ist und wir nicht gerade bei dm an der Kasse stehen;o). Das funktioniert gut, denn dann ist nach 2 min. wieder Ruhe im Karton, weil klar ist, dass man mit Wut eben nicht alles bekommt.
    Liebe Grüße,
    Kirsten