Warum ich meine Kinder bekommen habe. Lisas Brief an „die Politik“

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Gestern erschien ein Artikel in der FR, bei dem ich immer noch nicht genau weiß, ob das Satire sein soll. Aber ich befürchte, dass ist alles ernst gemeint. Es geht darum, dass die Deutschen ja so „gebärfaul“ sind. CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat nun vorgeschlagen, einen Deutschen Geburtenindex einzuführen, der dann direkt nach dem Aktienindex in der Tagesschau gezeigt werden könnte. Ich zitiere einen mit Sicherheit dann doch witzig gemeinten Absatz aus dem Artikel:

„Man könnte währenddessen noch ein Laufband mit Statistiken von geburtenstarken Städten einblenden. Köln heute ganz vorne mit 240 Babys, Frankfurt verliert leicht, runter auf 200 Neugeborene. Nach den Moderatoren an der Börse könnte zu den TV-Reportern im Kreissaal geschaltet werden, die mit OP-Häubchen den aktuellen Deutschen Geburtenindex (DGX) bis zehn Stellen hinter dem Komma aufsagen, bevor dann der Meteorologe dran ist.“

Ihr merkt: Es wird verzweifelt versucht, die Deutschen zum Kinderkriegen zu animieren. Was mich veranlasst hat, einen Brief an „die Politik“ zu schreiben.

Liebe Politik,

es ist süß, wie Du Dich bemühst, uns das Kinderkriegen schmackhaft zu machen. Kindergeld, Elterngeld, Betreuungsgeld, Ausbau von Kitaplätzen. Aber weißt Du was? Kein Geld der Welt und keine Vereinbarkeitsmaßnahme könnte mich vom Kinderkriegen überzeugen. Denn alles, was Du tust, Politik, das kommt von außen. Äußere Einflüsse prägen uns, gewiss. Aber ich bekam schon als Kind stets eingebläut, dass nicht die äußeren Werte zählen, sondern die inneren. Das geht mir mit dem Kinderkriegen ganz genauso.

Ich habe Kinder gekriegt, weil ich Kinder kriegen wollte. Punkt. Nicht, weil ich wusste, dass ich sie nach achteinhalb Monaten in die Krippe packen kann, nicht weil ich mich auf die Hundert-und-ein-paar-Gedrückte pro Monat freute, die mir das Kindergeld bescheren sollte. Überraschung! Es war eine Überzeugung von innen heraus. Ich habe mich für Kinder entschieden, weil mein Bauch mir gesagt hat, dass ich Kinder haben möchte. Mein Bauch, nicht mein Kopf.

In jedem zweiten Ratgebertext für Eltern lese ich, dass ich auf mein Bauchgefühl hören soll. Ich habe das gemacht. Ich hätte auch in Sydney Kinder haben wollen oder in Timbuktu, wo auch immer ich gelebt hätte. Weil schon früh klar war für mich, dass mein Lebensmodell mit Kindern einhergeht, mit eigenen oder angenommenen, das wusste ich damals ja noch nicht. Ob das auch alles biologisch so hinhaut. Ich bin selbst mit vielen Kindern aufgewachsen, mit Cousinen und Cousins, aber auch mit vielen temporären Gastgeschwistern. Für mich war klar: Kinder würden dazu gehören. Zu meinem Leben.

Nennt mich naiv, aber ich habe bei der Zeugung nicht an das Armutsrisiko gedacht, das mit Kindern einhergeht, nicht an die Vereinbarkeitsdebatten oder an den Chef, der mich als Mutter vielleicht nicht mehr will. Ich hab das einfach gemacht, weil ich das so wollte. Weil ich die Vorstellung des Leben-weitergebens faszinierend finde, weil ich den richtigen Partner an meiner Seite hatte, weil ich überzeugt bin davon, dass Kinder das Leben bereichern.

Ich war schon schwanger, als meine Ausbildung endete und ja, ich habe mit offenen Karten gespielt – und (deswegen?) keinen Folgevertrag bekommen. Das ist doof. Für die Karriere. Und für die Finanzen. Aber selbst wenn mir jemand vorher gesagt hätte, dass es so kommen würde, hätte ich mich wieder für mein Baby entschieden. IMMER wieder. Weil für mich und meinen Bauch die Priorität klar dort lag, in meinen Kindern. Wahrscheinlich ist es als Glück zu bezeichnen, dass ich so bauchgesteuert handeln kann. Dass meine Prioritäten so glasklar vor mir lagen und gesagt haben: Familie. Denn es gibt viele andere, die kopflastiger an die Kinderplanung herantreten. Die kannst Du vielleicht erreichen, liebe Politik. Wenn es um die Entscheidung für oder gegen Kinder geht. Aber mich, mich hätte nichts von meinem Kinderwunsch abgebracht.

Dass ich jetzt, im Alltag mit drei Kindern wieder ein Ohr für Dich habe, liebe Politik, das finde ich nicht unlogisch. Ich bin jetzt mitten drin in der (Nicht-)Vereinbarkeitsdebatte, ich spüre deutlich, wo der Schuh drückt für uns Familien. Aber das sind Dinge, mit denen Ich mich JETZT auseinandersetze. Jetzt, da die Entscheidung für eine Familie längst gefallen ist. Die Entscheidung, die für mich von außen nicht beeinflussbar gewesen wäre. Weil das Innere zählte.

Danke fürs Zuhören, liebe Politik. Und setz Dich nicht zu sehr (unnötig) unter Druck, was das angeht. Liebe Grüße, Lisa

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8 comments

  1. Kinder und Beruf
    Liebe Lisa,

    ich finde es sehr schön, dass du überall auf der Welt und unter allen Bedingungen Kinder bekommen hättest. Weil das Innere zählt. Stimmt schon. Es gibt auch Bauchgründe, sich für ein Kind zu entscheiden. Und diese Bauchgründe haben tatsächlich wenig mit Entscheidungen zu tun, die auf politischer Ebene getroffen werden.
    Aber wir Frauen haben doch auch einen Kopf. Und ich treffe meine Entscheidungen mit beidem, Kopf und Bauch. Und beim Kinderkriegen spielen auch Kopfentscheidungen eine Rolle.
    Mach es den Politikern und Politikerinnen bitte nicht zu einfach. Die Rahmenbedingungen fürs Kinderkriegen müssen verbessert werden.
    Habe gerade erst dazu einen Artikel geschrieben.
    „Sonst noch was?“

    http://mamaleoni.blogspot.de/

    Liebe Grüße, Ane

  2. Das sehe ich auch so, aber…
    Ich denke auch, dass die Frage, OB man Kinder bekommt, eine Bauchentscheidung ist und nicht durch äußere Faktoren, wie Kindergartenplätze oder Kindergeld abhängen. Aber ich denke auch, dass die Frage, WANN man Kinder bekommt eben doch von der finanziellen Lage, der Möglichkeit Elternzeit zu nehmen, der Art des (z.B. befristetetn) Jobs usw. abhängt. Vielleicht nicht bei Dir, aber bei einigen anderen schon. In meinem Freundeskreis sind sehr viele, die Kinder wollen, aber noch warten, weil der Freund gerade in einer anderen Stadt arbeitet, weil der Arbeitsvertrag demnächst ausläuft oder weil die Doktorarbeit noch nicht in der Tasche ist. Und irgendwann ist es dann zu spät. Oder man „schafft“ nur noch ein Kind, an statt der eigentlich gewünschten zwei…

  3. ein Kind…
    …hätte ich auf jeden Fall bekommen, auch wenn es dafür keinerlei Kindergeld, Erziehungsgeld usw. gegeben hätte, ein zweites und drittes Kind aber aber eher nicht!Ganz ohne Familienförderung würde es dann bei uns nämlich doch eher eng werden…oder auch ich müsste voll arbeiten – udn das möchte ich mit Kindern schlicht udn einfach nicht!
    Ich finde übrigens, dass finanziell einiges für Familien in Deutschland getan wird!

  4. Bauch, Klima, Politik…
    Liebe Lisa,

    also ich gehöre auch zu den Bauchmenschen. Es „musste“ einfach sein. Trotzdem freue ich mich -wie Du- über familienfreundliche Maßnahmen seitens der Politik. Vielleicht spielen für andere Menschen aber auch noch ganz andere Faktoren als „nur“ die politischen eine Rolle. Von einigen Amerika-Kennern habe ich in letzter Zeit öfter gehört, dass es dort fast (bzw. gar?) keine staatliche Unterstützung für Familien gäbe. Trotzdem/stattdessen herrsche eine große Willkommenskultur/Familienfreundlichkeit. Spannend, dass die Amerikaner es damit immerhin auf 0,5 Kinder mehr bringen. 😉

  5. Re: Das musste mal gesagt werden

    Lieber Tom, ich WILL diese Fragen ja auch gar nicht ausblenden, aber ich KANN nicht anders. Weil für MICH (ich verallgemeinere ja ganz bewusst nicht) ein Leben ohne Kinder schwer vorstellbar wäre. Du kennst mich ja, ich bin ein Bauchtyp. Und vom Kopf her betrachtet ist es natürlich naiv, nicht an die Folgen zu denken, wenn man ein Kind plant. Aber das war bei mir so. Ich habe mir vorab keinen Masterplan zurecht gelegt. Ich habe das einfach so kommen lassen. Und dachte, ich kriege das hin. Ich hätte damit sicherlich auch ordentlich auf die Schnüss fallen können. Bei meinem ersten Kind gab es im Übrigen auch noch gar kein Elterngeld in diesem Land (lang, lang ist´s her). Ich halte es für Quatsch, das mit einem Geburtenindex wieder mehr Leute vom Kinderkriegen überzeugt werden können. Falls bei den Freunden, von denen Du erzählst, tatsächlich die Finanzen als einziger Grund für die Entscheidung gegen Kinder eine Rolle gespielt haben sollten, dann würde ich mich sehr freuen, wenn Du sie zu einem Beitrag für uns überreden könntest, den wir als Kontrast neben meinen Blogpost stellen können. Mich interessiert das nämlich wirklich, welchen Einfluss diese äußeren Umstände nicht nur auf mich (wenig), sondern auch auf andere (viel?) haben. Was meinst Du? Liebe Grüße von der Wiese, Lis

    P.S. Was die Zahl der Kinder angeht, hast Du Recht. Da kenne ich tatsächlich auch einige, die ein zweites, drittes oder viertes Kind für sich aus finanziellen Gründen ausschließen. Also lass uns in dieser Diskussion bei der Entscheidung Kind ja oder Kind nein bleiben. Denn dieser Schritt ist ja im Grunde der größte. 

  6. Na ja. Aber…
    Lisa, ich finde, so einfach geht es leider nicht. Wenn der Satz „nennt mich naiv, aber“ kommt, ist bei mir auch immer Alarmstimmung. Und zwar: Ich kenne gleich mehrere Leute, die aus finanziellen Gründen keine Kinder bekommen haben oder nicht so viele, wie sie eigentlich wollten. Bei meinen Recherchen hab ich immer lange mit denen geredet und muss sagen, es wird dann schnell etwas traurig. Manch einer kann nicht all diese Fragen einfach ausblenden. Ich finde es gemein, wenn wir jetzt (weil wir vielleicht irgendwie privilegiert sind??) so tun, als sei „das Äußere“ ganz egal. Für viele ist es das nicht, und deswegen ist es eben doch bescheuert, wie dümmlich Elterngeld etc.pp. in diesem schönen Land geworden sind.
    Ich schließe mit einem anderen doofen Powersatz: „Das musste mal gesagt werden.“
    Love,
    Tom

  7. Wie wahr!
    Aber trotz aller Bauchentscheidungen freue ich mich natürlich über mehr KiGa Plätze und mehr Geld (auch hier in Österreich, wo das Problem ja ähnlich gelagert ist) 😉 Das macht das Leben schon leichter und gibt mir die Möglichkeit, weniger Stunden zu Arbeiten und dadurch mehr Zeit für meine Kinder zu haben. Auch wenn ich bezweifle, dass es andere zum Kinderkriegen animiert. Ich kenne niemanden in meinem Freundes/Bekanntenkreis, der danach entscheiden würde, wie viel Geld er vom Staat bekommt. Bestenfalls in bildungsferneren Familien mit schlechten oder gar keinen Jobs die teils vom Kindergeld & der Familienbeihilfe mehrerer Kinder leben …