Die Motte, das Kleid und ich

kleid

Liebe Lisa, wenn ich sie finde, dann kann sie ihr blaues Wunder erleben. Von wem ich rede? Von einer gemeinen, miesen, hinterhältigen Motte. Sie hat nämlich ein dickes, fettes Loch in etwas gebissen, was ich wirklich liebe. Nicht, weil es so teuer war oder so unfassbar schön. Nein, das Wollkleid von dem ich spreche, habe ich in beiden Schwangerschaften praktisch nonstop getragen (oben siehst Du ein Bild von mir, ein paar Tage vor der Geburt meiner Tochter). Gekauft habe ich es damals in einem kleinen Laden in Berlin-Mitte. Dunkelblaue Wolle, lange Ärmel, Rollkragen, in Tulpenform, schön bequem. Getragen mit schwarzen Wollstrumpfhosen, Booties und einem bunten Schal fühlte ich mich trotz dickem Bauch schick angezogen. Wenn wir mal ausgegangen sind, tauschte ich die Stiefel gegen Pumps und legte Schmuck auf – auch das ging. Ich liebte dieses Kleid so sehr, dass ich es auch nach den Schwangerschaften angezogen habe – der Oversize-Look macht´s möglich.

Gestern morgen also holte ich es nach langer Zeit mal wieder raus. Ohne Grund, das nennt man wohl Intuition. Ich hielt es in den Händen und wurde etwas wehmütig. Ich bin niemand, der unfassbar gerne schwanger war. Mir hat nie jemand gesagt, ich hätte dieses Leuchten. Ich hatte nur Rückenschmerzen. Aber natürlich waren diese neun Monate etwas ganz besonders. Niemand bleibt cool, wenn er das erste Mal Kindsbewegungen spürt. Niemand guckt nicht ungläubig auf seinen Bauch, der wächst und wächst und wächst. All das verbinde ich mit diesem Kleid. Als ich das Motten-Loch entdeckte, wurde ich richtig richtig traurig. Sollte ich noch ein drittes Kind bekommen, würde das Kleid das nicht mehr mit mir durchstehen?

Ach was, dachte ich dann. Manche Dinge sind trotz kleiner Makel wunderbar, einfach, weil wie sie lieben. Und dann habe ich das Kleid gepackt und bin zum Schneider gelaufen. So schnell gebe ich es nicht auf! Nicht nach all dem, was wir gemeinsam erlebt haben. 

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