Marlene Hellene: „Die Ansprüche an Schwangere sind viel zu hoch!“

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Ihr Lieben, wir saugen ja eh alles auf, was Marlene Hellene so schreibt und von sich gibt, diesmal aber toucht sie uns ganz besonders, denn nun hat auch sie ein Buch zur Schwangerschaft geschrieben, dass ihr – neben unserem Wow Mom-Mutmacher natürlich – dringend haben oder verschenken müsst an alle, die Kinder bekommen. Mit Bauch frei!: Ein Plädoyer für eine selbstbestimmte Schwangerschaft spricht sie uns aus der Seele. Warum das so ist, lest ihr hier im Interview.

Liebe Marlene, du sagst, die 40 Wochen bis zur Geburt seien „in höchstem Maße aufgeladen mit gesellschaftlichen Zuschreibungen und Erwartungen“. Was meinst du damit genau? 

Die Gesellschaft hat ein fest verankertes Bild von Schwangeren. Schwangere sind strahlend, Schwangere sind voller guter Hoffnung und überglücklich. Entspricht man nicht diesem Bild, weil man beispielsweise ungewollt schwanger ist, weil man sich schlecht fühlt, weil man zweifelt oder hadert, weil man Angst hat oder sich das alles irgendwie anders vorgestellt, dann wird man sofort verurteilt. Dann ist man irgendwie falsch, passt nicht in die märchenhafte Vorstellung der Menschen, ist direkt eine schlechte Mutter, wenn nicht gar insgesamt ein schlechter Mensch.

Haben dich selbst in deinen Schwangerschaften diese Erwartungen fertig gemacht?

Diese Erwartungen haben mich unter Druck gesetzt und verunsichert. Meine erste Schwangerschaft war sehr angstbesetzt. Ich hatte – ohne speziellen Anlass – die ständige Befürchtung, ich könnte dieses Kind, das ich mir so sehr gewünscht habe, verlieren. Zu dieser Angst kamen auch noch körperliche Beschwerden. Erst war mir wochenlang übel und später musste ich mit vorzeitigen Wehen in der Klinik liegen. Da blieb nicht viel Platz für glückliches Strahlen. Ich wollte dieses Kind, aber mir ging es bisweilen wahnsinnig schlecht. Psychisch und physisch. Das zu zeigen fiel mir jedoch total schwer. Schließlich sollte ich mich doch „glücklich schätzen“ und außerdem sei ich doch „schwanger und nicht krank“. Und so hatte ich zu all meinen Beschwerden ständig ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht ausreichend glücklich und froh war. Ich schämte mich richtig, die Schwangerschaft nicht zu genießen.

Du warst also nicht so gerne schwanger?

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An manchen Tagen schon. Aber oft auch überhaupt nicht. Und das ist völlig normal und ok. Das hat absolut nichts mit den Gefühlen für das Ungeborene zu tun. Das weiß ich heute. Man darf schwanger sein sogar richtig scheiße finden! Das ist eigentlich der Tatsache, das ein Mensch in einem wächst, die eigenen Organe verdrängt und irgendwann einen doch recht schmalen Ausgang benutzt gegenüber viel angemessener.

Welche Gefühle waren da in dir, als du durch den Schwangerbauch du quasi über Nacht zu „Allgemeingut“ wurdest?

Damals war da in erster Linie Verunsicherung. Ich wollte alles richtig machen. Ich wollte eine vorbildliche Schwangere sein. Ein recht aussichtsloses Unterfangen. Irgendwer findet immer scheiße, dass du Salat isst oder die Nachbarkatze streichelst. Aber mittlerweile ist sie da. Die Wut. Die Wut über die Einmischung, über die Bevormundung und deswegen werde ich jetzt laut.

Dein Buch ist ein Plädoyer für die Selbstbestimmtheit der Frau in der Schwangerschaft: Meine Schwangerschaft, meine Entscheidung!

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Das Thema Schwangerschaft ist noch immer ein sehr konservatives. Die Erwartungen, die Ansprüche an Schwangere sind sehr hoch. Die ganze Gesellschaft meint teilhaben zu müssen und dafür Sorge zu tragen, dass das Ungeborene geschützt und geliebt wird. Dabei wird die Mutter jedoch völlig vergessen. Wie geht es ihr? Ihr wird nur eine sehr kleine Bandbreite an Gefühlen zugestanden. Sonnige Gefühle, helle und positive. Das muss aufhören. Gerade Schwangere sollten unseren Rückhalt haben. Ohne Urteile von außen. 

Du sprichst von einem „neuen Bauchgefühl“. Meinst du damit eine selbstbewusstere Einstellung zum eigenen Leben, zu den eigenen Entscheidungen, zum eigenen Kind?

Ja, das ist so notwendig. Schwangeren muss die Last, die Scham genommen werden. Sie sind nicht nur eine Hülle für eine kostbare Fracht. Eine Schwangere muss fühlen dürfen, muss entscheiden dürfen. Her body, her choice. Immer!

Möchtest du mit deinen Worten auch dafür sorgen, dass wir schon mit einer guten Basis in die Mutterschaft starten, denn die Einmischung des Umfelds steigert sich ja gefühlt nach der Geburt des Babys nochmal.

Na klar. Frauenwohl ist Kindeswohl. Wir helfen Kindern nicht durch die 5 Cent, die wir in die Sammelbüchse beim Bäcker stecken. Wir unterstützen sie am besten, wenn wir Frauen schützen. Sie gut und gleichberechtigt behandeln. Ihnen Freiheit und Hilfe bieten. Sie ihren Weg gehen lassen, auch wenn es nicht unserer wäre. 

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Manchmal sind Hinweise ja auch nur gute Tipps, wie unterscheidest du zwischen Übergriffigkeit und Hilfsangebot?

Wer helfen will sollte nicht urteilen. Menschen, die sich einmischen und die schwangere Person in ihren Entscheidungen übergehen braucht niemand. Hilfe ist toll und wichtig, aber nur da, wo sie gewünscht ist. Gerne also fragen und anbieten, aber nie für die andere Person entscheiden.

Was möchtest du jeder Schwangeren am liebsten direkt zu Beginn der Schwangerschaft in den Mutterpass schreiben?

So wie du bist, so wie du fühlst, bist du genau richtig.

Danke für deinen Einsatz und deine Worte, liebe Marlene!

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Und wenn ihr jetzt direkt gedacht habt, „Das MUSS ich haben“ oder „Das brauch ich DRINGEND für meine Freundin, Schwägerin, Nachbarin“, dann habt ihr hier nun die Chance drei (!) Exemplare von Bauch frei!: Ein Plädoyer für eine selbstbestimmte Schwangerschaft zu gewinnen. Bitte kommentiert dafür einfach hier im Blog, für wen ihr euch das Buch wünscht, die Losfee zieht dann vielleicht auch euch. Ihr werdet per Mail benachrichtigt. Viel Glück und… gute Hoffnung!

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21 comments

  1. Das wünsche ich mir für meine beste Freundin! Sie lässt sich leider ab und an verunsichern und die Lektüre kann ihr sicher was von dem Druck nehmen.

  2. Ich (als Mann) wünsche Euch Betroffenen einfach mal ein wenig Selbstbewusstsein – dann stören Euch die, in Euren Augen, unnötigen Meinungsäußerungen von Dritten nicht mehr so.

    1. Danke Holger! Dieses ganz selbstverständliche Selbstbewusstsein der ( meisten) Männer ist etwas, dass wir Frauen für uns selbst lernen müssen. Da stehen nur wir selbst uns im Weg!

  3. Als Schwangere mit dem zweiten Kind und Frauenärztin wünsche ich mir das Buch. Gestern habe ich erst wieder den Spruch gehört: „Wann kommt das Kind denn, du platzt ja bald!“ (Und bin aus irgendeinem verrückten Grund stolz, wenn dann wieder jemand sagt, „von hinten sieht man ja gar nicht, dass du schwanger bist“). Was ist das für eine Welt?

  4. Ich wünsche es mir zum einen selbst, um meine erste Schwangerschaft zu reflektieren und die nächste vorzubereiten. Da gerade einige meiner Freundinnen schwanger sind, würde ich es aber zuerst verleihen 🙂

  5. Ich wünsche mir das Buch für meine Schwägerin. Aber vorher lese ich es natürlich selbst und lasse meine beiden Schwangerschaften revue passieren.

  6. Gern für mich. Ich bin in der 16. Woche und auch in meiner 2. SS mit Hyperemesis „gesegnet“. Viel gelitten und zu hören bekommt in der 1. SS, diesmal teilweise getoppt mit Übergriffigkeit aus der Abteilung „Warum tust du dir das auch nochmal an?!“ statt Mitgefühl… 🤷🏼‍♀️

    1. Wahre Worte! Gerade beim ersten Kind ist die Verunsicherung oftmals groß. Vor allem wenn das nähere Umfeld sich einmischt oder die sozialen Medien ihre strahlenden Bildchen präsentieren. Ich bin gespannt auf den ganzen Text und freue mich über die literarische Bereicherung.
      Mein wichtigster Tipp: Fragen!! Was sagt mein Körper dazu? Wie denke ich darüber?
      😉

  7. So wahr. Freue mich schon auf das Buch. Da aktuell schwanger ist es für mich quasi schon Pflichtlektüre.
    Und dank hyperemesis habe ich viel Zeit und Langeweile auf der heimischen Couch 🙈

  8. Wir lassen uns nur soviel Druck machen, wie wir selbst zulassen weil wir uns nicht klar abgrenzen können. Ich bin in meiner Schwangerschaft offen mit der Bedenkzeit am Anfang ( behalten oder nicht) umgegangen und habe auch sonst keine Erwartungshaltung an mich gespürt. Ich bin allerdings generell jemand, die sich klar ausdrückt, abgrenzen kann. Ich habe mir auch noch nie die Frage gestellt wie andere Menschen meine Handlung… jetzt finden. Da kommt diese Haltung garnicht erst auf.

    1. Genauer gesagt wird längst vor und unabhängig von Schwangerschaften Druck gemacht bzw. herrscht die Erwartungshaltung, Frauen sollten das Thema Kinder, Schwangerschaft, Familie, Stillen etc. positiv, wichtig und toll finden und sich ständig dafür interessieren, auch und gerade durch Fachpersonal wie Ärzte etc.

    1. Das wäre genau das richtige Buch für mich! Ich bin gerade zum ersten Mal schwanger und kämpfe oft mit negativen Gedanken, für die ich mich schäme und für die ich keinerlei Verständnis ernte. Zudem will mich scheinbar jeder behüten und ich höre ständig „Pass bloß auf!“. Kurz gesagt fühle ich mich wahnsinnig allein mit meinen Bedürfnissen, Sorgen und Gefühlen.

  9. Ich würde mich total über das Buch freuen und es meiner Schwester schenken, es würde ihr hoffentlich viel Druck nehmen und sie auf ihren Bauch hören lassen:)

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