Ihr Lieben, ein Baby katapultiert uns Eltern in eine ganz neue Welt. Jeder von uns weiß, wie einsam man sich in der Babyzeit fühlen kann, obwohl man keine Sekunde mehr alleine ist. Unsere Leserin Simone hat vor 1,5 Jahren ihr zweites Kind bekommen, sie taucht langsam wieder auf aus der Babyblase und stellt fest: So richtig weiß ich gar nicht, was ich in Gruppen erzählen soll. Hier kommt ihr Bericht:
„Vor eineinhalb Jahren habe ich unser zweites Kind bekommen, gerade ist die Eingewöhnung abgeschlossen und ich steige nach den Sommerferien wieder mit ein paar Stunden in den Job ein. Heisst also, dass ich die letzten 18 Monate sehr viel zu Hause und sehr viel mit den beiden Kindern unterwegs war. Ich weiß alles darüber, wann welche Impfung dran ist, wie man Beikost startet, warum unsere Große im Kindergarten gerade eine schwere Phase hat (Wackelzahnpubertät) – in all dem bin ich Expertin, weil ich mich sehr viel mit Kinderthemen beschäftigt habe.
Nun war ich letzte Woche auf dem Geburtstag einer ehemaligen Arbeitskollegin eingeladen. Ich habe mich sehr gefreut, endlich mal wieder rauszukommen. Doch ich habe mich selten so fehl am Platz gefühlt wie an diesem Abend. Mein Gehirn ist irgendwie matschig, so dass ich echte Schwierigkeiten hatte, den Gesprächen zu folgen. Ich hatte zudem das Gefühl, dass ich gar nichts Interessantes beitragen kann. Babykram ist doch öde und Erwachsenensachen fanden nun lange kaum in meinem Leben statt.
Ich kenne die Kinofilme nicht, die gerade laufen. Auch die Netflix-Serien schaffe ich nie komplett anzuschauen. Ich gebe zu, ich habe auch zu wenig Nachrichten in der letzten Zeit gesehen, weil mich all die schlechten Nachrichten traurig machen und ich das Gefühl hatte, mich ein wenig vor all dem Grauen und den schrecklichen Zukunftsvisionen schützen zu müssen. Leider aber mit der Folge, dass ich mich auf vielen Gebieten nicht gut genug informiert fühle, um etwas zu Diskussionen beizutragen.
Ich konnte nach der Babyzeit nicht mehr smalltalken
Früher war ich eine hervorragende Small-Talkerin, ich konnte mich eigentlich mit jedem unterhalten und habe schnell Zugang zu Gruppen gefunden, auch wenn ich da niemanden kannte. Heute stehe ich da, meine Zunge fühlt sich bleiern an und ich weiss überhaupt nicht, was ich sagen soll.
Als ich von dem Geburtstag nach Hause gefahren bin, habe ich im Auto geweint. Ich hatte schon das Gefühl, dass ich mich ein Stück weit verloren habe in den letzten 18 Monaten. Dass ich irgendwie nur noch eine bedürfniserfüllende Hülle bin. Und plötzlich hatte ich Angst, ich könnte nie wieder so sein wie früher.
Am nächsten Tag habe ich meiner Freundin davon erzählt, die mich beruhigte. Sie sagte, es sei ihr genauso gegangen und dass ich mich darauf verlassen kann, dass meine alte Wortgewandtheit, meine Lebendigkeit und auch mein Smalltalk-Talent zurück kommt. „Du hast es nicht verlernt, es ist momentan nur überdeckt“, sagte sie.
Seitdem geht es mir etwas besser und ich hoffe, dass das stimmt und dass ich mich wieder mehr selbst fühle, wenn der Kleine in die Kita geht und ich durch dem Job auch wieder andere Themen habe. Ich würde mich freuen, wenn hier auch andere Mamas schreiben würden, ob es ihnen genauso ergangen ist.
3 comments
Absolut genauso! Die „Großen“ sind jetzt 6 und 9 Jahre alt und wir haben nun noch eine Nummer drei mit 3 Monaten im Rudel. Nach den ersten beiden Kindern erging es mir genauso. Mit den Jahren wurde es aber besser und nun sind wir auch in die Baby-Blase zurückkatapultiert worden. Und auch mir fehlen akut die Themen und auch die Kontentration für andere Themen außerhalb von Kindern. Aber ich weiß zum Glück schon, dass das alles wieder kommt und einfach jetzt grade halt nicht dran ist.
Hallo Simone,
Das ist doch völlig normal, das geht doch den meisten Menschen, wenn sie eine zeitlang nur ihren Fokus auf eine Sache hatten. Smalltalk Themen entstehen auch durch das gemeinsame Erleben. Du findest bestimmt schnell wieder Themen außerhalb der Babyzeit. Es ging mir damals auch so und jetzt kann ich nach 7 Jahren überhaupt nicht mehr bei Babybrei und Windeln mitreden.
Kopf hoch und freu dich auf neue Aspekte im Leben und genieße die Zeit mit deinen Kids und deiner Familie.
Liebe Grüße
Kenne ich. Und es hat damals die Sache nicht leichter gemacht, dass auf Parties etc. auch in Deutschland sich schnell die Männlein und die Weiblein in zwei getrennte Gruppen aufteilen. Ob man will oder nicht, man landet dann meistens eben doch bei den Frauen. Wenn die dann auch noch alle im ähnlichen Alter sind und viele von ihnen auch Kinder im selben Alter wie die eigenen haben, wird der Themenkreis sehr schnell sehr öde. Und wehe, man versucht, sich zu den Männergruppen mit den interessanteren Themen zu gesellen. Und – ohweh! – sogar mitzureden! Da wird man angeschaut, als würde man für unzurechnungsfähig gehalten. Und oft einfach geflissentlich ignoriert.
Mittlerweile sind meine Kinder erwachsen, und ich kann gar nicht zählen, wie oft ich in den Jahren davor Sätze begonnen habe mit „Früher, als ich noch Single war …“. Es war, als sei ich mit der Geburt des ersten Kindes einfach vom Planeten verschwunden. Meine Ausbildung im Ausland, meine 7 Fremdsprachen, meine Kenntnisse in Astronomie und Raumfahrt, meine Handarbeitstechniken, meine Portraitzeichnungen, meine Reisen und Auslandskontakte — alles verschwand nach und nach. Mein Ich verschwand. Plattgemacht, plötzlich irrelevant, weil keine Zeit und keine Energie. Ich fühlte mich zeitweilig regelrecht tot im Kopf. Zeitlich ausgelastet, aber geistig komplett verdorrt.
Besser wurde es erst – tut mir leid, das so sagen zu müssen – als ich mich scheiden ließ und das bisschen Restfreizeit am Abend dann tatsächlich wieder mir gehörte. Und mir niemand mehr dreinredete, wie ich sie gefälligst zu verbringen hätte. Als ich dann Twitter entdeckte, wo man Interessengemeinschaften auch vom Sofa aus finden und Kontakte regelmäßig und asynchron halten konnte. Und nebenher auch noch das Zeitgeschehen mitbekommt.
Und dann graduell mit zunehmendem Alter der Kinder. Mein altes Ich ist tatsächlich nicht weg, sondern irgendwo vergraben, und ich erobere mir alles zurück.
Seit September lerne ich Fremdsprache Nr. 8, und vor ein paar Jahren wurde ich erstmals von der ESA mal wieder zu einem wichtigen Event eingeladen. Aber es wurde in den Jahren dazwischen wahnsinnig viel Potenzial nicht genutzt. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten wollte, dass ich das nicht betrauere.
Ja, Kinder groß zu ziehen ist etwas Schönes, und ich würde meine zwei nicht eintauschen wollen. Aber es bringt in anderen Lebensbereichen auch enorme persönliche Verluste mit sich, die man anschließend vielleicht minimieren kann – aber niemals ganz ausgleichen. Man ahnt zuvor nicht mal ansatzweise, wie groß sie sein werden. Da die Mutterrolle leider zu oft romantisiert wird, müssen wir als Gesellschaft daran arbeiten, diese Dynamik sichtbar zu machen und ohne Vorwürfe anzuerkennen.