Ihr Lieben, wenn uns derzeit einer Geschichte ganz besonders berührt, dann ist es die von Elisa und ihrer Familie. Die Dreijährige lebt mit einem DIPG, einem unheilbaren bösartigen Hirntumor und ihr Papa Alexander findet immer und immer wieder Worte für das Unbeschreibliche, die uns und sehr vielen anderen Menschen Gänsehaut bescheren.
„Wir wissen, dass uns mit Elisa nur begrenzte Zeit bleibt“, schreibt Alexander in einem Beitrag Anfang des Jahres, „aber genau deshalb wollen wir jeden Moment nutzen – um ihre Wünsche zu erfüllen, ihr Lächeln zu sehen und ihr so viel Freude wie möglich zu schenken.“
Lieber Alexander, wie schaffst du es, immer wieder so würdige, verliebte und passende Worte dafür zu finden, dass ihr möglicherweise in naher Zukunft Abschied nehmen müsst von eurer Elisa? War das Schreiben schon immer ein Ventil für dich oder kam das erst jetzt mit den tiefen Gefühlen?
Ich glaube, wenn du keine Worte findest, findest du irgendwann gar nichts mehr. Für mich war Schreiben früher kein großes Thema. Ich war ein ganz normaler Vater, mit einem ganz normalen Leben. Ich habe gearbeitet, wir haben den Alltag gelebt. Aber dann kam der Moment, an dem dieser Alltag in sich zusammengefallen ist. Und plötzlich war alles dunkel und laut und schwer. Und ich wusste nicht, wohin mit all dem, was ich fühle.
Das Schreiben hat sich wie ein Notausgang geöffnet. Es war nicht geplant. Es kam einfach. Ich habe angefangen, Dinge aufzuschreiben, weil ich sonst innerlich geplatzt wäre. Ich schreibe nicht, um stark zu wirken. Ich schreibe, weil ich es sonst nicht aushalte. Und manchmal, wenn ich lese, was ich geschrieben habe, merke ich selbst erst, wie tief das alles wirklich geht.
Ihr kommt gerade erst von einem wunderbar leichtfühligen Türkei-Urlaub wieder, in dem die Schwere der Diagnose DIPG in die Ferne rutschte und Elisa mit Mama, Papa und ihrer Schwester wirklich unbeschwert lachen durfte. So, als existiere da gar nichts Lebensbedrohliches in ihrem Kopf…
Diese Reise war wie ein Atemzug mitten im Sturm. Wir wussten, dass wir nicht vor der Realität weglaufen können. Aber wir wollten sie für ein paar Tage anhalten. Nicht für immer. Nur für einen Moment. Und es hat funktioniert.
Elisa war frei. Sie war einfach nur ein Kind. Sie hat gelacht, geplanscht, war mutig und wild und ganz bei sich. Ich habe sie angeschaut und gedacht: Wie kann in diesem kleinen, fröhlichen Körper etwas wohnen, das tödlich ist. Für ein paar Tage war es, als wäre dieser Tumor weit weg. Nicht weg, aber still. Und wir durften durchatmen. Nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen.
Vor dem Urlaub gab es eine Entwicklung, von der ihr wusstet, dass sie kommen würde, die euch aber dann Schwarz auf Weiß doch erschütterte. Was genau waren die Worte der behandelnden Ärztinnen?
Die Ärztin sagte: „Der Tumor ist gewachsen“.
Kein Drama in der Stimme. Keine Emotion. Nur ein nüchterner Befund. Aber in mir hat alles geschrien. Ich habe auf den Bildschirm gestarrt und gedacht, vielleicht ist es ein Fehler. Vielleicht haben sie sich vermessen. Aber es war eindeutig. Von zwei auf fast vier Zentimeter.
Und da war sie wieder, diese Erkenntnis, die man immer wieder verdrängt: Es gibt keinen Weg zurück. Es gibt nur noch einen Weg nach vorn. Und der führt ins Ungewisse.
Ihr versucht nun nochmal ein neues Medikament aus, das Elisa nicht heilen wird, ihr aber noch ein paar Monate mehr mit euch schenken könnte. Auch hier wieder ein Gänsehautmoment, als wir lesen durften, dass ein Härtefallantrag gestellt wurde und ihr das teure Medikament, das keine Kasse zahlt, nun ohne Bezahlung von der Firma testen dürft…
Dieses Medikament ist keine Rettung. Aber vielleicht ein kleiner Anker inmitten des Sturms. ONC201 ist ein Hoffnungsschimmer. Kein Versprechen. Aber für uns ist jeder Tag, den wir gewinnen können, ein Geschenk.
Wir haben lange überlegt, ob wir es versuchen sollen. Es gibt keine Garantie, aber was wäre die Alternative gewesen? Nichts zu tun? Das UKE hat für uns gekämpft. Die Firma hat den Antrag bewilligt. Und plötzlich hatten wir die Tabletten in der Hand. Es war ein stiller Moment. Kein Jubel. Nur ein leises: Wir versuchen es. Für sie.
Erlebt ihr weitere Momente der Hilfsbereitschaft, Fürsorge und Dankbarkeit?
Ja. Und es ist kaum zu begreifen. Es gibt Menschen da draußen, die uns nie begegnet sind. Und trotzdem fühlen sie mit. Sie schreiben uns. Sie schicken Geschenke, Briefe, kleine Aufmerksamkeiten.
Sie beten für Elisa. Sie erzählen anderen von ihr. Sie begleiten uns aus der Ferne. Und manchmal bekomme ich Nachrichten, die mich mehr berühren als Worte sagen können. Diese Welle an Mitgefühl trägt uns. Gerade an den Tagen, an denen wir selbst nicht mehr wissen, wie wir aufstehen sollen.
Was ist Elisa für ein Mädchen? Beschreib sie gern mal in wenigen Worten.
Elisa ist Licht.
Sie hat eine Energie in sich, die du spürst, sobald sie den Raum betritt. Sie ist wild, laut, voller Leben. Und gleichzeitig so liebevoll. Sie kann dich anschauen und du weißt, sie versteht mehr, als sie sagt.
Sie liebt Tiere, Puppen, bunte Kleider. Sie tanzt zu jeder Musik, auch wenn keine läuft. Sie lebt. Ganz und gar. Und das ist das Schlimmste und Schönste zugleich.
Wie würdest du das Verhältnis zwischen ihr und ihrer großen Schwester Clara (die gestern 7 geworden ist, happy birthday, Clara!) beschreiben?
Die beiden sind Herz und Herz. Clara ist Elisas Rückhalt. Und Elisa ist Claras größte Bewunderin. Sie lachen miteinander, streiten, versöhnen sich. Und sie verstehen sich auf eine Weise, die man nicht erklären kann.
Clara spürt, wenn es Elisa nicht gut geht. Sie stellt Fragen, für die man eigentlich ein ganzes Leben brauchen würde. Und trotzdem ist sie Kind geblieben. Voller Liebe, voller Mitgefühl, voller Kraft.
Wie geht Clara mit der Situation um? Wie deine Frau? Ihr reagiert vermutlich alle unterschiedlich…
Clara fragt viel. Und manchmal fragt sie das, was wir selbst nicht laut sagen können. „Muss Elisa sterben?“ – ich hätte nie gedacht, dass ich auf eine solche Frage einmal antworten muss. Wir versuchen ehrlich zu sein. Wir nehmen nichts vorweg, aber wir verschweigen auch nichts.
Meine Frau Melissa trägt vieles mit sich allein. Sie ist leiser als ich. Aber sie kämpft. Jeden Tag. Für Elisa, für Clara, für uns. Wir weinen. Wir schreien. Wir umarmen uns. Und manchmal sitzen wir einfach nur da und sagen nichts. Auch das ist Liebe.
Ihr wart auch schon beim Bestattungsinstitut. Hilft euch Planung dabei, zumindest etwas Kontrolle in diese unkontrollierte Situation zu bringen?
Es war der schwerste Termin, den ich je hatte. Kein Vater sollte ein Grab für sein Kind aussuchen müssen. Und trotzdem war es wichtig. Weil wir nicht irgendwann, im völligen Chaos, Entscheidungen treffen wollen, die wir später bereuen.
Wir wollten bewusst gestalten. Einen Ort finden, der richtig ist. Und wir haben ihn gefunden. Direkt gegenüber von unserem Haus. Keine zehn Meter entfernt. Das klingt für viele vielleicht seltsam. Für uns fühlt es sich an wie ein letzter Liebesbeweis. Sie ist nicht weg. Sie ist nah. Für immer.
Was würdet ihr jederzeit wieder so machen? Was nicht?
Wir würden wieder reisen. Wieder Wünsche erfüllen. Wieder jeden Moment feiern. Wir würden wieder alles daransetzen, dass Elisa nicht Patientin ist, sondern einfach Kind bleiben darf.
Was wir nicht noch einmal tun würden? Vielleicht so lange auf Ärzte vertrauen, wenn unser Bauchgefühl längst gewarnt hat (damit ist die Zeit vor der Diagnose gemeint). Aber wir wussten es nicht besser. Und vielleicht haben wir trotzdem alles richtig gemacht. Weil wir aus Liebe gehandelt haben.
Was wäre euer Wunsch für die nächsten Tage, Wochen und Monate?
Noch ein Morgen mit Sonne. Noch ein Abend mit Lachen. Noch ein Tag ohne Schmerz.
Wir wünschen uns, dass Elisa spürt, wie sehr sie geliebt wird. Jeden Tag. Ohne Pause.
Und wenn der Moment kommt, an dem sie gehen muss, dann wünschen wir uns, dass es in Liebe geschieht.
Ohne Angst. Ohne Leiden.
Und dass wir irgendwann zurückblicken können und sagen: Wir haben nichts versäumt. Wir haben geliebt, gelebt, gehalten.