Familie in Israel: Ella spielt mit ihren Toniefiguren „Yoga im Schutzbunker“

Israel

Ihr Lieben, manchmal stehen wir fragend und ratlos vor der Weltlage. Wir bekommen viel schneller mit, wenn etwas geschieht, wir sehen verstörende Bilder. Als vor einer Woche die Terroreinheit Hamas in Israel über ein freudiges Festival von jungen Menschen herfiel, weitere Hunderte von Menschen tötete und verschleppte, darunter Frauen, Kinder, Alte, da fiel es vielen von uns schwer, Worte zu finden.

Wir haben euch heute Morgen das Kinderbuch „Wann ist endlich Frieden?“ vorgestellt, damit ihr besser gewappnet seid auf die Fragen eurer Kinder. Bei uns hat sich aber auch eine Zweifachmama gemeldet, die vor Jahren der Liebe wegen nach Jerusalem gezogen ist. Sie erzählt uns hier heute im Interview, was es für sie als Mutter in Israel ganz subjektiv bedeutet, in der aktuellen Berdrohungslage zu leben. Sie spendet Muttermilch und geht Szenarien durch, um ihre Kinder schützen zu können. Liebe Elisa, wir danken dir von Herzen für dein Vertrauen!

Liebe Elisa, du lebst seit 2015 in Israel. Wie kam das und wie lebst du dort? 

Ich bin 2015 der Liebe wegen nach Israel ausgewandert. Meinen heutigen Mann, Daniel, habe ich während einer Studienfahrt in Regensburg kennengelernt. Im Mai 2020 ist zu Beginn der Corona-Pandemie unsere Tochter Ella geboren. Seit Dezember 2022 sind wir mit unserer zweiten Tochter Noa jetzt zu viert. Mein Mann arbeitet für das israelische Außenministerium, daher waren wir viel im Ausland. Im August sind wir endlich zurück in unsere frisch renovierte Wohnung in Jerusalem gezogen.

Nun gab es am Samstag ein schreckliches Massaker von Hamas-Terroristen. Wie hast du diesen Tag erlebt?

Während der jüdischen Feiertage haben wir eine kleine Israel-Rundreise gemacht. Wir haben in Haifa begonnen und am Mittwoch noch Freunde neben dem Gazastreifen besucht, sie haben gerade einen Sohn bekommen. Unsere letzte Station war Eilat im Süden Israels am Roten Meer.

Am Samstag wollten wir zurück nach Jerusalem fahren. Noa ist sehr früh aufgewacht und wir haben eine Nachricht von meiner Schwiegermutter bekommen, die sehr besorgt klang. Noch konnte niemand das Ausmaß erahnen. Die Stimmung beim Frühstück im Hotel war sehr angespannt. Wir haben ausgecheckt und sind ins Auto gestiegen. Während mein Mann die Koffer ins Auto geladen hat, habe ich in den Nachrichten gehört, dass alle Straßen im Süden gemieden werden und die Bewohner in ihren Häusern bleiben sollen. Parallel wurde Raketenalarm in ganz Zentralisrael sowie Jerusalem gemeldet.

Ich habe es wirklich mit der Angst bekommen und habe meinem Mann gesagt, dass ich lieber eine Nacht länger bleiben möchte. Den Rest des Tages waren wir alle nur am Handy. Niemand konnte glauben, was in den Nachrichten kam. Wir sind Sonntagmorgen zurück nach Jerusalem gefahren. Zum Glück ohne Raketenalarm, aber ich konnte vier Stunden an nichts anderes denken, als daran, wie ich die zwei Mädchen bei einem Alarm schnellstmöglich aus dem Kindersitz bekomme, um in einen Schutzraum zu laufen – die Kindersitze bekommt man ja selbst in aller Ruhe oft nicht schnell auf…

Kannst du beschreiben, wie sich euer Leben seitdem verändert hat?

Die Israelis sind traurigerweise geübt, wenn es um Raketenangriffe und tödliche Terroranschläge geht. Aber niemand kann auf solch einen Anschlag vorbereitet werden. Am 7. Oktober hat das größte Massaker an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust stattgefunden. Wir sprechen von 1400 getöteten Israelis, die Opferzahl steigt weiter.

Es wurden ganze Familien ausgelöscht, kleine Kinder in ihren Betten hingerichtet, Babies bei lebendigem Leib verbrannt. In unseren schlimmsten Albträumen konnten wir uns solch Horrorszenarien nicht vorstellen. Das sind Bilder, die einen nachts stundenlang wachhalten. Wir alle kennen jemand, der vermisst, ermordet oder gekidnappt wurde.

Wie sieht euer Alltag aus?

Das öffentliche Leben steht erstmal still. Die meisten Restaurants und Cafés sind geschlossen und auch Kindergärten und Schulen. In den ersten Tagen habe ich mich kaum auf die Straße getraut. Mein Mann arbeitet weiter im Außenministerium und der Weg vom 2. Stock in den Schutzraum im Keller ist mit Baby und Kleinkind doch schwierig.

Wir haben vom Kindergarten Bücher bekommen und Videos, die uns und die Kinder auf den Ernstfall vorbereiten. Ella bekommt natürlich alles mit. Sie spielt, dass ihre Toniefiguren im Schutzbunker Yoga machen und sagt ihrem Papa, er soll sich morgens schnell anziehen, falls der Alarm losgeht. Seit dem ersten Alarm geht sie nicht mehr alleine auf die Toilette und schläft bei uns im Bett.

Noa ist noch zu klein, aber sie bekommt definitiv meine Anspannung mit, durch die ich zudem einen heftigen Milchstau bekommen habe.

Israel

Wie erlebst du das Land gerade?

Dieses Land ist etwas ganz Besonderes. Wir stehen alle unter Schock und trotzdem hilft jeder, wo er nur kann. Überall werden Spendenzentren eingerichtet für die Überlebenden des Massakers. Junge Israelis fliegen aus der ganzen Welt nach Hause, um sich für die Armee zu melden. Der Zusammenhalt ist groß, aber der Schock sitzt sehr tief.

Ich kann es immer noch nicht fassen, wie man unschuldigen Kindern, Babys, schwangeren Frauen so etwas antun kann. Am schlimmsten ist die Vorstellung, dass über 150 Geiseln in den Händen der Hamas sind, darunter eine Mutter mit deutsch-israelischer Staatsbürgerschaft und ihre zwei kleinen Mädchen. Niemand sollte so etwas durchmachen müssen.

Überlegt ihr, Israel zu verlassen und nach Deutschland zu kommen?

Natürlich habe ich darüber nachgedacht, schließlich muss ich doch meine Kinder beschützen. Besonders die Angst vor einem Mehrfrontenkrieg hält mich nachts oft wach. Mein Mann würde Israel niemals in einer solch kritischen Situation verlassen. Auch ich möchte hier bleiben und helfen, wo ich kann.

Zum Beispiel versuchen wir mit den anderen Familien mehrmals wöchentlich Treffen mit den Kindern aus dem Kindergarten zu organisieren, damit die Tage ein bisschen mehr Struktur bekommen. Zudem helfe ich einer Freundin, die sich freiwillig zur Armee gemeldet hat mit ihrem Baby. Ich spende Muttermilch für verwaiste Babys. Es ist vielleicht nicht viel, aber wir sind hier. Das Ziel der Hamas ist, dass wir hier nicht mehr leben können, aber Israel ist unser Zuhause und das geben wir nicht so schnell auf.

Wie empfindest du die Unterstützung und Solidarisierung aus Deutschland?

Ich bin unendlich dankbar für die Reaktionen der deutschen Regierung. Die entschlossene Solidarität aus Deutschland macht uns Mut. Es geht hier nicht um den Israelisch-Palästinensischen Konflikt, sondern den Kampf gegen eine Terrororganisation, die so schlimm ist wie der Islamische Staat. 

Jüdische Einrichtungen in der ganzen Welt werden jetzt bedroht und brauchen offene Unterstützung. Ich möchte an jeden appellieren, den Jüdinnen und Juden und den jüdischen Gemeinden in Deutschland ihre Solidarität auszudrücken. Jedes warme Wort hilft in dieser dunklen Stunde, in der auch in Deutschland Anhänger und Befürworter der Terrororganisation Hamas auf die Straße gehen und die Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung verherrlichen und zu Gewalt gegen Jüdinnen und Juden aufrufen. Man darf sich nicht durch die vermeintliche Rechtfertigung für diese Gewalt beirren lassen. 

Nun hat die israelische Regierung zum Gegenschlag ausgeholt. Wie geht es dir damit, wenn du die Bilder aus Gaza siehst?

Im Moment denke ich vor allem an alle unsere Freunde im Süden und Familienmitglieder in der Armee und hoffe, dass sie unversehrt nach Hause zurückkommen werden. Wenn ich Bilder von Gaza sehe, dann denke ich zuerst an die vielen Geiseln der Hamas, darunter ein neun Monate altes Baby. Die Terrororganisation Hamas benutzt Zivilisten im Gazastreifen bewusst als Schutzschilder. Zum Beispiel hat die Hamas heute Straßensperren errichtet, um die Bevölkerung an der Flucht zu hindern. Die israelische Armee hat sich die vollständige Zerschlagung der Hamas als Ziel gesetzt. Ich hoffe, dass Gaza von der Hamas befreit werden kann.

Was wünscht du dir für die nächsten Tage und Wochen?

Höchste Priorität hat für mich, dass die Geiseln befreit werden können. Ich wünsche, dass unsere Freunde gesund nach Hause kommen. Und ich wünsche den Menschen in Gaza, dass sie für immer von der Terrororganisation Hamas befreit werden. Dann brauchen wir wohl einfach Zeit uns langsam zu erholen und zu heilen.

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2 comments

  1. Danke für diesen Bericht, der uns Einblick in diese Ausnahmesituation ermöglicht. Das berührt sehr! Elisa und ihrer jungen Familie wünsche ich alles Liebe!

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