Eine Lehrerin antwortet: Kinder sind ungeduldig. Erwachsene aber auch!

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Ihr Lieben, lange wurde ein Artikel nicht mehr so viel und heftig diskutiert, wie unser Interview gestern mit der Grundschul-Lehrerin Juli. Sie arbeitet seit 15 Jahren als Lehrerin und beschrieb uns, wie sich ihr Arbeitsalltag, die Schüler und Eltern verändert haben. (HIER der Link zu dem Interview). Auch Felicitas hat sich bei uns gemeldet. Sie ist im dritten Berufsjahr nach dem Referendariat und wohnt am Rande einer Großstadt. In den letzten Jahren hat sie an einem Gymnasium mit sehr gutem Bildungshintergrund und an einer Realschule im Brennpunkt gearbeitet. Derzeit unterreichtet sie an einer kooperativen Gesamtschule. Mit Felicitas haben wir nochmal über das Interview gesprochen und sie um ihre Meinung als Lehrerin gefragt: 

Liebe Felicitas, wir hatten gestern ein Interview mit einer Grundschul-Lehrerin, das für viel Diskussion gesorgt hat. In dem Interview hat die Lehrerin beschrieben, wie eine Mutter ein Kind abgeholt hat, das zuvor andere Kinder geschlagen hatte. Sie sagte, dass viele Kinder keine Grenzen mehr kennen, weil die Eltern eben auch keine mehr setzen. Wie siehst du das und wie fandest du die beschriebene Reaktion der Mutter?

Die beschriebene Reaktion der Mutter ist für mich unvollständig dargestellt. Selbstverständlich hoffe ich in solchen Fällen immer auf zugewandte Eltern, die ja an sich immer die Anwälte ihrer Kinder sind. Die beruhigende Nachfrage der Mutter signalisiert Interesse. Das bedeutet nicht, dass hier automatisch von der "Unschuld" des Kindes ausgegangen wird.

Lehrerin Juli sagte auch, dass viele Kinder nicht mehr abwarten könnten, bis sie dran sind. Sie wären schnell frustriert und auch egoistischer als früher. Kannst du das bestätigen?

Ja, das Warten auf Aufmerksamkeit fällt Kindern schwer, allerdings können auch viele Erwachsene nicht besonders gut warten. Das sieht man wunderbar im Straßenverkehr.

Man kann aber auch im Unterrichtsgeschehen durch kleine Gesten, die den Schülerinnen und Schülern (SuS) signalisieren, dass man sie wahrgenommen hat, lenken.  Kurze Rückmeldungen helfen, um die Geduld zu verlängern. Das ist ein Lernprozess, der nur funktioniert, wenn SuS merken, dass die Lehrperson zuverlässig ist und im Zweifelsfall nochmal nachfragt, ob sich z.B. ein Problem geklärt hat, oder noch Hilfe benötigt wird.

Wir hören immer wieder wieder, dass das Schulsystem veraltet ist. Was würdest du am Liebsten sofort ändern?

Jetzt sofort wäre es dringend notwendig, kleinere Lerngruppen zu bilden und häufiger Doppelbesetzungen möglich zu machen. Außerdem müsste man den Eltern dringend klar machen, dass nicht Abitur das einzige Ziel sein sollte.

Du bist Lehrerin und selbst Mutter von drei Kindern. Du kennst also beide Seiten. Sind wir Eltern wirklich anstrengend? Merkst du auch, dass Eltern Druck machen und die Lehrer-Entscheidungen in Frage stellen?

Das kann man nicht pauschal sagen. Auch Eltern mögen es, wenn man ihnen auf Augenhöhe begegnet und ihre Sorgen ernst nimmt. Viele Eltern haben selber negative Schulerfahrungen, die in das Eltern/Lehrer/Schülerverhältnis mit hineinspielen. Natürlich gibt es die Eltern, deren Kinder nie etwas tun und zu Hause nicht so sind. Ganz häufig stimmt das sogar. Schülerinnen und Schüler nehmen auch Rollen ein, in der Schule eine andere als zu Hause, im Unterricht eine andere als in der PeerGroup usw. Wenn die Lehrkraft das auch den Eltern vermitteln kann, ist schon viel gewonnen.

Selbstverständlich hinterfragen Eltern Lehrerentscheidungen. Das ist aber ein gesellschaftspolitisches Problem. Solange der Beruf des Lehrers belächelt wird, wird die Kompetenz in Frage gestellt werden.

Was würdest du dir als Mutter von Lehrern wünschen? Und was als Lehrerin von Eltern?

Als Mutter wünsche ich mir von Lehrern, dass sie sich die Zeit nehmen, die Stärken und Schwächen meines Kindes auch fachunabhängig wahrzunehmen und zu bestärken. Als Lehrerin wünsche ich mir von Eltern, dass sie ehrliches Interesse an der Entwicklung ihres Kindes haben und ab und zu "von außen" auf ihr Kind schauen.

Im Interview ging es auch darum, wie hilfreich es ist, wenn Kinder den ganzen Tag fremdbetreut sind. Wie siehst du das?

Diese Frage ist in der heutigen Zeit nicht diskutabel. Das Rollenverständnis und die finanziellen Notwendigkeiten haben sich geändert. In anderen Ländern ist diese lange Betreuungszeit völlig normal. Es geht viel mehr darum, wie diese Betreuungszeit sinnvoll genutzt werden kann.

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6 comments

  1. Es gibt viele Gründe
    Ihr Lieben,
    auch ich habe teilweise mit Ärgernis, Verwunderung, aber auch mit Zustimmung sowohl das Interview als auch die Kommentare gelesen und finde es passend, dass ihr nochmal eine andere Lehrerin habt zu Wort kommen zu lassen.
    Auch ich unterrichte seit mehr als 10 Jahren- an einer großen Gesamtschule in der Stadt mit K: Willkommen im Leben, willkommen in der Diversität und Heterogenität. Die SchülerInnen sind bei mir älter, kommen aus ganz unterschiedlichen Soziokulturen. Aber selbst, wenn dem nicht so ist, finde ich es SEHR wichtig, zu unterstreichen, dass es weder „die Kinder“ noch „die Lehrer“ oder „die Eltern“ gibt.
    Die Biographien der Kinder sind sehr unterschiedlich, ebenso ihre Prägung. Und warum es heute alles andere als einfach ist, die SchülerInnen kompetent und liebevoll zu begleiten, ist multifaktoriell bedingt und lässt sich nicht auf eine Ursache reduzieren. Das wäre ja auch zu schön. Es gibt tolle Kitas, und weniger gute, es gibt LehrerInnen, die sich ein Bein für ihre Kids ausreisen und welche, die das Gegenteil tun. Bei den Eltern dasselbe. Und am Ende bringt einen die Ursachenforschung ja auch nicht weiter.
    Mir ist wichtig zu sagen, dass die Kinder heutzutage oft ganz viel richtig machen. Die meisten stehen morgens auf, um sich Mühe zu geben. Viele wollen ihr Bestes geben. Und einige Kinder haben morgens, bevor sie um acht im Klassenzimmer sitzen, schon das ein oder andere hinter sich, was wir nicht als idealen Start in den Tag bezeichnen, und damit meine ich nicht die fehlenden Schnitzereien bei den Gurkenstückchen. Und manchmal ist es eben schwer, sich zu konzentrieren. Weil Mama und Papa morgens schon wieder gestritten haben. Oder niemand ein Schulbrot macht und der Hunger so groß. Oder der Weg sehr weit ist und man übelst geärgert wurde in Bus und Bahn. Vielleicht war die Nacht auch blöd, weil das Baby geweint hat und man selbst nicht schlafen konnte. Und dann möchte man gesehen werden. Und wählt dann auch nicht immer den richtigen Weg dazu. Versteht mich nicht falsch. ich finde unseren Beruf eine große Herausforderung und über das System an sich könnte ich mich stundenlang in Rage reden. Und natürlich regt mich das Verhalten einiger Kinder auf und manchmal auch das der Eltern. Aber einen differenzierten, liebevollen Blick auf die Kids und einen verständnisvollen auf deren Eltern hilft schon mal. So- ich habe fertig und jetzt freue ich mich auf meine fünfte Klasse und darauf, meiner fast Vierjährigen nach dem Kindergarten davon zu erzählen.

  2. Danke Felicitas!
    Danke, dass Sie sich Zeit für diese treffende und reflektierte Antwort nehmen könnten! Kollegiale Grüße von einer erfahrenen Grundschullehrerin und zweifachen Schulkindmutter

  3. Tolle Lehrerin
    Liebe Felicitas,
    ich wünsche mir Frauen und Männer wie dich als Lehrerin für meine Kinder. Deine Schüler und deren Eltern können froh sein, dich als Lehrerin zu haben, denn du scheinst einen respektvollen und wertschätzenden Umgang mit deinen Mitmenschen zu pflegen.
    Alles Gute und viel Kraft für deine berufliche Zukunft.
    Liebe Grüße Maria

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