Gute Noten = gutes Leben? Warum diese Einstellung nur Stress bedeutet

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Bist du im Schulstress, obwohl du deinen Abschluss längst in der Tasche hast? Sitzt du viele Nachmittag mit deinem Kind am Schreibtisch, anstatt deine eigenen Dinge zu erledigen? Gehen bei euch die Wochenenden häufig fürs Lernen drauf und ihr habt viel zu wenig Zeit für Spaß und für Freizeitaktivitäten? Wenn dir diese Gedanken bekannt vorkommen, bist du eindeutig im Schulstress. 

Wahrscheinlich hast du dir vorgenommen, deinem Kind einen guten Start in ein glückliches Leben zu ermöglichen. Eine echte Herausforderung, wie du nicht zum ersten Mal feststellst.

Zum einen stehen Familien nicht selten 24/7 unter Strom. Druck im Job, Termine in der Familie, Freizeitstress, Erziehung und dann auch noch das Lernen. Zum anderen verfallen wir beim Thema Schule ganz schnell wieder in Muster aus der eigenen Kindheit und vergessen, was wir seitdem schon gelernt haben. Stellen wir die Frage doch mal anders: Wie kann ich meinen Kindern helfen, zu jemandem zu werden, der sein Leben selbst in die Hand nimmt und glücklich ist?

Geben wir Schule zuviel Bedeutung?

Pippi Langstrumpf erkannte nach einem sehr kurzen Intermezzo, dass Schule nicht der Ort ist, wo man das lernt. Was in der Schule gelernt und gelehrt wird, ist nur ein Teil von Bildung und bringt uns diesem Ziel nicht zwangsweise näher. Viel wichtiger ist, was darüber hinaus in der Familie und im Umfeld vermittelt wird. Trotzdem geben wir dem Schulthema eine solche Bedeutung, dass unter Umständen die ganze Familie darunter zu leiden hat.

Die meisten Eltern finden zwar Pippi Langstrumpf großartig, erziehen ihre eigenen Kinder jedoch zu kleinen Annikas. Sie sollen nicht auffallen und bitte schön lernen. Eltern und insbesondere Mütter geben ihr Bestes in Sachen Erziehung, Ernährung und Bildung und wollen um jeden Preis, dass ihre Söhne und Töchter glücklich sind – wenn sie die Hausaufgaben gemacht haben. Denn nur so haben sie in ihren Augen einen guten Start in ein erfolgreiches Leben.

Ist das wirklich so? Wir sollten uns viel häufiger fragen, ob es nicht noch andere Perspektiven auf das Thema Schule gibt. Wie wäre es, den Zauber von Pippi Langstrumpf ins Familienleben zu holen und die Welt zu machen, wie sie uns gefällt? Unser Leben selbst in die Hand zu nehmen und glücklich zu werden? Was es dafür braucht ist eine andere Einstellung, eine andere Erwartung, eine andere Herangehensweise.

Wenn die Familie im Schulchaos steckt

Der erste Schritt ist immer deiner. Diese Erkenntnis ist banal und doch lebensverändernd. Wenn die Familien im Schulchaos feststecken, sind sie geradezu gelähmt. Sie sehen nur den großen Berg, der zwischen ihnen und dem entspannten Leben liegt. Dabei wird auch dieser Berg ganz einfach Schritt für Schritt in Angriff genommen. Starten wir erst mal mit dem ersten Schritt, ergibt sich Schritt für Schritt der gesamte Weg in die Veränderung.

Wenn wir konsequent und in jeder Situation diesen ersten Schritt gehen, kommen wir heraus aus der Opferrolle und werden zu Gestalterinnen und Gestaltern unseres eigenen Lebens. Wenn wir aufhören über andere, die Lehrer oder die Schule zu schimpfen, erkennen wir in einer zweiten Stufe dann auch recht schnell unseren eigenen Anteil am Thema. Und zeigen unseren Kindern, wie sie ihr Leben in die Hand nehmen.

„Wo bitte ist mein Anteil am Schulstress?“, fragst du dich vielleicht. „Mein Kind macht schließlich keine Hausaufgaben.“ – So denken zunächst viele Eltern bevor sie erkennen, dass sie sozusagen im Autopiloten in alten Kindheitsmustern feststecken. Die eigenen Eltern haben immer gesagt, wir müssen brav und fleißig sein. Das fanden wir zwar total doof, ertappen uns aber genau bei den gleichen Ermahnungen unseren Kindern gegenüber. 

Was aber machen die Sprösslinge? Verhalten sich eigentlich genau so, wie wir das früher auch gerne getan hätten. Unsere Prägungen haben uns das damals nicht erlaubt. Wir haben die Hausaufgaben brav gemacht, bevor wir spielen gegangen sind. Und wenig widersprochen.

Geht es nicht auch mit weniger Aufwand?

Das bedeutet, dass dein Kind dir in einem solchen Falle eigentlich nur zeigt, was du selbst gerne gemacht hättest oder beispielsweise in deinem Job noch heute gerne tun würdest. Und was du dir vielleicht sogar dringend mal erlauben solltest: Denn sind wir mal ehrlich: Geht es nicht mit etwas weniger Aufwand genauso? 

Eine meiner Töchter hat mir das ihre gesamte Schulzeit über bewiesen. Ich war gefangen in meinem Weltbild, für die Schule müsse man fleißig sein. Sie tat nur das Nötigste. Ich konnte fast nicht hinschauen, wenn sie gechillt in ihrem Bett lag und mal mehr, mal weniger Hausaufgaben machte. Bis zum Abitur war sie völlig entspannt. Die Noten dann zwar nicht exzellent, aber allemal gut genug. Sie will Grundschullehrerin werden, da braucht es kein Einser-Abitur. Trotzdem habe ich ihre gesamte Schulzeit versucht, sie zu etwas mehr Fleiß zu ermutigen. 

Wer hatte das bessere Leben? Ich als Mutter, die jeden Tag ihr Kind ermahnt und wie eine Schallplatte immer die gleichen Phrasen wiederholt: Hast du schon die Hausaufgaben gemacht? Willst du nicht noch etwas für Englisch tun? Oder die Tochter, die einfach nur das tat, was nötig war, um einigermaßen ordentliche Noten zu haben und dabei eine gechillte Zeit hatte?

Gute Noten = gutes Leben?

Wenn wir lernen, dass die Schulthemen sehr viel mehr mit unseren eigenen Erwartungen, unserem Weltbild und unseren Glaubenssätzen zu tun haben als mit unseren Kindern, können wir diese reflektieren und mit Hilfe eines Coaches bearbeiten. Ist das so, dass „man“ ruhig noch ein bisschen üben könnte? Ist das so, dass nur gute Noten ein gutes Leben ermöglichen? Gegenbeispiele gibt es mehr als genug. Einer der größten Erfinder aller Zeiten Thomas Alva Edison war so schlecht in der Schule, dass seine Mutter gebeten wurde, ihn zuhause zu unterrichten, weil er im Unterricht nicht mitkam. Albert Einstein wurde als dumm angesehen, weil er immer so umständliche Fragen stellte.

Umgekehrt: Wie viele Einser-Absolventen machen alles andere als eine Bilderbuch-Karriere? Was sie können, ist Stoff auf Verlangen auswendig zu lernen und an einem ganz bestimmten Zeitpunkt zu reproduzieren. Auch Transferleistungen und Mitdenken sind selbstverständlich gefragt. Kritische Fragen, warum denn der Stoff wichtig sein, werden nicht so gerne gehört. Problemlösungskompetenz steht ebenfalls nicht auf dem Stundenplan. Im Gegenteil: Wer wenig fragt, nicht widerspricht hat häufig die besseren Noten.

Dabei brauchen die Unternehmen heutzutage genau diese Kompetenzen. Schreibt ein Kind eine schlechte Note, lernt es mit Niederlagen umzugehen. Lernt es beim nächsten Mal anders zu machen, die Strategie anzupassen. Das ist wichtig im Leben. 

95 Prozent aller Kinder kommen als Genies auf die Welt. Nach Abschluss der Schule sind davon weniger als 5 Prozent übrig. Vor der Schule glauben 99 Prozent der Kinder, sie können alles erreichen. Nach der Schule sind das nur noch wenige. Sie haben hinderliche Glaubenssätze aus der Familie, vom Schulsystem und aus der Gemeinschaft übernommen. „Warum klappt das denn nie? Bekommst du das nicht besser hin? Warum bist du immer so laut/leise/schnell/langsam?“ Sie können es uns so oft nicht recht machen, dass sie am Ende selbst glauben, dass sie nicht gut genug sind. Wie schon viele Generationen vor ihnen. 

Eltern müssen ihren Blick verändern

Diese Prozesse laufen in unserem Unterbewusstsein ab. Wir haben keine Chance, „Nein“ dazu zu sagen, weil wir gar nicht bemerken, was da passiert. Diese Sätze und Muster, die wir von unseren Eltern und Großeltern übernommen haben, passen jedoch nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Wir können, ja wir müssen sie verändern. Jeder kann das für sich tun und sein oder ihr Leben gestalten. Der erste Schritt ist immer deiner. 

Statt also das Schulthema ausschließlich als Baustelle der Kinder zu betrachten, können Eltern an ihrem Weltbild und ihren Glaubenssätzen arbeiten. Da sich das Betrachtete durch die Augen des Betrachters ändert, kommt dann auch wieder Entspannung ins Familienleben.

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Über die Autorin: Petra Trautwein ist Expertin für Lernen & Mindmastery und Autorin des Buches „Raus aus dem Schulchaos. Wie dein Kind leichter lernt und du entspannt begleitest.“ Sie unterstützt Mütter und ihre Kinder mit individuellen Lernstrategien selbstbewusst und erfolgreich durch die Schule zu kommen. Petras Buch könnt ihr HIER bestellen.

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9 comments

  1. Ja, wir Eltern sind häufig Teil des Problems: Wir geben den Schuldruck an unsere Kinder weiter – bewusst oder unbewusst. Gleichzeitig haben wir eine Riesenchance. Wir können unsere Kinder begleiten, aktiv nachfragen, nah dran sein, unterstützen. Da stimme ich mit der Autorin überein.
    Ein Aspekt fehlt mir: die Kooperation. Meiner Meinung sollte das, wenn immer möglich, in Zusammenarbeit mit der Schule erfolgen. Denn wenn Eltern und Lehrpersonen/Schule an einem Strang ziehen, kommt fürs Kind das Beste raus.

  2. Oh no, das sehe ich komplett anders. Noten sind nur eine Zahl, klar, aber diese Zahl ist wichtig, für das Erlernen des Lernens – denn es ist quasi der Lohn dafür. Der Wille nach – ich sag einfach mal guten Noten – sollte schon da sein und nicht von uns Eltern und anderen Menschen klein gehalten werden. Das ist kein stupides Auswendiglernen – das ist komplexe Zusammenhänge erkenne, das ist Wissensdurst, das ist die reine Freude am Lernen selbst. Leider werden solche Schüler schnell als Streber oder Perfektionisten etc. abgestempelt und müssen schon ein dickes Fell haben diese Sprüche auszuhalten. Daher finde ich diesen Artikel sehr platt. Sorry!

    1. Antje
      Es geht darum das dieser Wissensdurst freiwillig ist! Und nicht der Druck der Eltern! Und warum ist ein Kind ohne Gymnasium oder Einser Abo weniger wert? Oder warum ist man dann nicht mehr stolz auf sein Kind? Nein das sind die Komplexe der Eltern.

  3. Hallo, ich kann aus meiner Schulzeit leider bestätigen, dass kritische Nachfragen nicht gern gehört worden. Z. B. habe ich im Gymnasium nach dem Sinn der Analysis gefragt bzw. was man mit Minima und Maxima berechnen kann und wurde an die Realschule verwiesen, dass ich dann dort lernen sollte, wenn ich nur Anwendbares lernen möchte. Habe ich aber zum Glück nicht gemacht, habe ein Einser Abi gemacht, danach aber ne Ausbildung weil mir das „sinnlose“ lernen gegen den Strich ging und dann nochmal BWL studiert, als mir klar war, wozu ich es brauche und warum ich es brauche. Dort habe ich auch die Erklärung der Analysis bekommen, diese Minima und Maxima der verschiedenen Funktionen sind schließlich die Grundlage der meisten betriebswirtschaftlichen Entscheidungen, schade hätte ich das früher gewusst, hätte ich mit mehr Freude gelernt! Deswegen kann ich der Autorin einerseits zustimmen muss ihr aber andererseits widersprechen, denn ich habe auch mit/ trotz guter Noten kritisch gedacht und viel hinterfragt und einen glücklichen Weg im Berufsleben gefunden. Bei meinen eigenen Kindern sehe ich (einmal Grundschulkind einmal Gymnasiast), dass heute das kritische Hinterfragen schon erwünschter ist, den Kindern insgesamt mehr Lernfreiraum gegeben wird. Aber das eben „dran bleiben“ und Frustrationstoleranz sehr wichtig ist. Das versuche ich auch zu Hause den Kindern zu vermitteln. Es klappt etwas nicht? Versuche es noch einmal… Übung macht den Meister! Da sehe ich uns Eltern auch in der Hauptverantwortung: Die grundlegenden Dinge fürs Leben lernen wir den Kindern zu Hause. Sich selbst versorgen (Körperpflege, einkaufen, kochen, backen und Haushalt) lernen sie von uns. Das klappt auch alles nicht beim ersten Mal! Sinnvolle Freizeitgestaltung leben wir den Kindern vor (wir lernen ihnen Radfahren, schwimmen, inlinern, Ski fahren usw…). Wir leben ihnen die Freude an Hobbies vor, basteln mit ihnen usw… Wir gehen mit ihnen in die Natur und ins Museum, unterstützen sie in ihren Interessen usw.. Das kann und soll Schule nicht alles leisten! Und dann ist es natürlich so, dass man sagen kann: eine 3 in Deutsch- das ist kein Weltuntergang, schau mal Dein gekochtes Abendessen heute war total lecker! Was ich sagen will, schulischer Erfolg alleine macht nicht glücklich! Weder die Kinder noch uns! Aber rechnen, lesen, schreiben und fremde Sprachen muss man eben genau so ausdauernd lernen, wir kochen, backen Radfahren und vieles mehr.

  4. Ich habe als Kind extremen Schuldrill erfahren. Das war nicht schön. Teilweise hatte ich Angst mit einer 2 nach Hause zu kommen. Das mache ich bei meinen Kindern auf jeden Fall besser. Trotzdem fällt es mir auch sehr schwer, mich in schulischen Dingen zurückzunehmen und nicht alles bis auf das letzte Komma überprüfen und kontrollieren zu wollen. Für mich ist es sehr schwierig einen Weg zu finden zwischen „alles laufen lassen“ und Kontrolle. Ich arbeite daran und glaube, es gelingt immer ein bisschen besser. Wobei die Kinder irgendwann auch in einem Alter sind, wo sie sich sowieso nicht mehr reinreden lassen wollen, ohne dass es massiv das Verhältnis belasten würde.
    Ich finde, dieses Thema hat schon seine Daseinsberechtigung.

  5. Na klar. Alle, die sich für Genies halten, sind auch welche. Bei den anderen sind nur falsche Glaubenssätze daran schuld, dass sie nicht genial sind. Die guten Schüler sind einfach nur stupide Auswendiglerner ohne kritisches Denken (haha, als ob nicht längst schon mündliche Mitarbeit und eigenes Denken in die Schulnoten einfließen würden), während die Faulen einfach nur wissen, was sie wollen, und später bestimmt glücklicher werden. Und wenn nicht, sind natürlich die Eltern schuld.
    Danke für die Erleuchtung.

  6. Eltern sollten gelassener werden/sein, was das Schulleben ihrer Kinder angeht-das ist richtig.
    Ansonsten hat die Autorin einen solchen klischeehaften Müll (sorry!) geschrieben, dass es mir (als Grundschullehrerin) ganz anders wird bzw. ich große Lust hätte, auch mal in die Eltern-Klischee-Kiste zu greifen?!

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