KI und Apps in Schulen: Lernen unsere Kinder dann noch genug?

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Ihr Lieben, Künstliche Intelligenz (KI) und ChatGPT sind wahrscheinlich in jeder Familie schon einmal Thema gewesen. Die Eltern sind meist skeptisch, die Kinder finden es überwiegend cool. Auf jeden Fall ist es faszinierend zu erleben, wie die KI auf wirklich jede Frage eine Antwort weiß. Sie schreibt auf Befehl Aufsätze und Gliederungen, Kurztexte für soziale Netzwerke und sogar Gedichte, die den Stil bekannter Dichter imitieren. Und sie kann Hausaufgaben erledigen. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom e. V. im Mai 2023 haben mehr als die Hälfte der Schüler*innen in Deutschland ChatGPT schon einmal ausprobiert.

Viele Eltern sind darüber besorgt und fragen sich: Lernt mein Kind jetzt nichts mehr, weil es in allen Dingen ChatGPT fragen kann? Tatsächlich sind in Hamburg in den Abiturprüfungen mehrere Fälle aufgetreten, bei denen Schüler*innen möglicherweise mithilfe von ChatGPT geschummelt haben. Wir brauchen also bald eine Antwort auf die Frage, welche Rolle Künstliche Intelligenz zukünftig beim Lernen spielen soll. Und dabei haben wir noch nicht einmal die Diskussion zu Ende geführt, wie viel Medienkompetenz Kinder und Jugendliche benötigen, um die bisherigen digitalen Tools verantwortungsvoll zu nutzen. Zu genau diesen Themen hat Max Kade, pädagogischer Leiter bei Studienkreis GmbH einen sehr guten, interessanten Gastbeitrag geschrieben. Vielen Dank dafür!

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Hybrid Lernen: analog und digital schlau mischen

Fest steht: Künstliche Intelligenz ist nicht erst mit ChatGPT in die Welt gekommen – und sie wird ganz sicher nicht wieder weggehen. Anstatt uns zu fragen, welche Aufgaben eine bestimmte Technologie uns abnehmen darf, finde ich es sinnvoller, vom Lernen auszugehen. Und zu überlegen, welche Technologie wann Lernprozesse unterstützen kann und wann nicht.

Als Pädagogischer Leiter beim Nachhilfeanbieter Studienkreis mache ich mir viele Gedanken über diese Frage. Unser Ansatz im Studienkreis ist hybrides Lernen, also das jeweils Hilfreichste aus der analogen und digitalen Welt zu kombinieren. Der Kontakt mit einem realen Menschen steht dabei aber immer im Zentrum, denn Lernen ist vor allem auch ein sozialer Prozess. Neben Fachwissen braucht es Empathie, Anerkennung und ein feines Gespür für die Stimmung der Schüler*innen, um Lernprozesse wirksam zu begleiten.

Anders als die Lehrer*innen in der Schule betreuen unsere Nachhilfelehrkräfte nur sehr kleine Gruppen von höchstens fünf Kindern oder Jugendlichen. Dadurch sind sie sehr nah dran an den individuellen Lernsituationen und -sorgen. Sie kennen die Frustration über schlechte Noten, die Angst sitzenzubleiben oder nicht die Schule der Wahl besuchen zu können. Diese Nöte lassen sich nur durch eine gute persönliche Beziehung auffangen. Und nur authentische Menschen können eine ansteckende Begeisterung für ihr Unterrichtsfach ausstrahlen, die die Schüler*innen motiviert, trotz vergangener Rückschläge engagiert und mit Zuversicht zu lernen. Bei diesem für das Lernen wichtigen Zuspruch ist menschliche Unterstützung im Vergleich zu KI bislang ungeschlagen.

Erklären führt nicht automatisch zu Verstehen

Natürlich nutzen unsere Schüler*innen auch digitale Technologien, zum Beispiel lassen sie sich Mathematikregeln in YouTube-Videos erklären, wenn sie sie nicht verstanden haben. Manchmal funktioniert das gut, aber in vielen Fällen führt es nicht so zum Ziel, wie es sich viele wünschen. Ist ein Lernvideo gut gemacht, dann haben viele Kinder und Jugendliche den Eindruck, dass sie alles nachvollziehen konnten und verstanden haben. Bis sie versuchen, eine andere Rechenaufgabe auf dieselbe Weise zu lösen. Vielleicht sind es nur andere Zahlen, vielleicht steht irgendwo ein Minus, wo im Video ein Plus stand – jedenfalls sind sie dann verunsichert und kommen möglicherweise sogar zu dem fatalen Schluss: Ich kann Mathe einfach nicht. Was sie unterschätzen, obwohl sie es eigentlich täglich beobachten: Erklären führt meistens nicht auf direktem Weg zu Verstehen. Erst durch Üben, Fehler machen und die Verknüpfung mit bereits Gelerntem stellt sich Verstehen ein. Was in diesen Fällen hilft: ein Mensch, der die Schüler*innen dabei begleitet, den Rechenweg aus dem Video selbst anzuwenden – und der erkennt, an welchen Punkten mehr Übung oder Erklärung nötig ist.

Deshalb mischen wir auch hier Technologie und menschliche Unterstützung. Unsere Schüler*innen können zum Beispiel per Chat Sofort-Hilfe anfragen: Wenn sie außerhalb der Nachhilfestunden Unterstützung bei einer Hausaufgabe benötigen oder zum Beispiel mit einem Video nicht weiterkommen, wenden sie sich per Chat an eine für das Fach ausgebildete Lehrkraft. Die kann dann individuell auf die Frage eingehen – und sie dokumentiert die Anfrage, so dass in der nächsten Nachhilfestunde noch einmal daran angeknüpft werden kann.

Sprachen lernen in der Virtual Reality (VR)

Manchmal allerdings können Technologien erheblich beim Lernen helfen, zum Beispiel in den Fremdsprachen. So lässt sich zum Beispiel mithilfe von VR-Brillen eine fremdsprachige Umgebung simulieren, in der sich die Lernenden frei bewegen und ihre Sprachkenntnisse anwenden können. Studien haben nachgewiesen, dass das unter anderem hilft, um flüssiger zu sprechen und Ängste abzubauen.

In unseren VR-Sprachkursen erhalten die Lernenden eine VR-Brille und tauchen gemeinsam in eine virtuelle Realität in einer fremdsprachigen Umgebung. Hier kaufen sie zum Beispiel auf Englisch auf einem Marktplatz ein oder halten eine Rede vor Publikum. Auch die Lehrkraft nimmt an der Simulation teil und begleitet die Lernenden bei allen Aufgaben. Die Teilnehmenden unserer ersten VR-Kurse haben zurückgemeldet, dass sie dadurch gelernt haben, freier zu sprechen. Außerdem hätte der Ausflug in die virtuelle Welt viel Spaß gemacht. Das ist mehr als ein angenehmer Nebeneffekt – schließlich belegen unzählige Studien, wie wichtig Freude und Motivation für den Lernerfolg sind. Was sie aber ebenfalls sehr positiv hervorgehoben haben: die enge Betreuung durch die Lehrkraft.

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Per KI den Lernstand ermitteln

Wenn Noten schlechter werden, hängt das meist mit Lernlücken zusammen. Irgendwann in der Vergangenheit ist den Schüler*innen ein bisschen Stoff entgangen. Oft fällt das nicht sofort auf, aber das Fundament an Vorwissen wird wackeliger, weitere Lücken kommen hinzu, die Motivation sinkt und irgendwann fällt es immer schwerer, den Durchblick zu behalten. Um in solchen Fällen gut helfen zu können, ist es wichtig, die Lernlücken möglichst schnell zu finden. Allerdings kann das sehr aufwendig sein, vor allem, wenn sie schon vor langer Zeit entstanden sind. Das Aufdecken fachlicher Lücken könnte eine der Aufgaben sein, die Künstliche Intelligenz in einigen Jahren besser und vor allem viel schneller kann als menschliche Lehrkräfte.

In unserer App nutzen wir aktuell bereits einen digitalen „Lerncheck“ für Mathematik. Lernchecks für Englisch und Deutsch werden folgen. Die Schüler*innen lösen dabei Aufgaben, die sie am Ende ihres vorherigen Schuljahres laut Lehrplan hätten beherrschen sollen. Anhand der Fehler kann die App genau ermitteln, wo die Lernlücken liegen. So können die Lehrkräfte sehr schnell gezielt unterstützen und die Lücken schließen. In Zukunft kann KI vermutlich nicht nur Lernlücken erkennen, sondern auch deren Ursachen: Zum Beispiel könnte sie bei englischen Grammatikfehlern feststellen, ob jemand unbewusst eine Regel aus dem Deutschen auf die englische Sprache überträgt oder vielleicht eine bestimmte Zeitform im falschen Zusammenhang anwendet.

ChatGPT: Lernhilfe oder Einladung zum Schummeln?

Wohin die Entwicklung geht, die mit ChatGPT & Co. gestartet ist, kann derzeit niemand so genau sagen. An einem wird sich allerdings nichts ändern: Lernen findet nach wie vor im Gehirn statt. Künstliche Intelligenz kann Anregungen dazu geben, Recherchen übernehmen (aktuell noch nicht besonders zuverlässig) und sogar Lernaufgaben stellen. Es gibt also viele Möglichkeiten, wie KI beim Lernen unterstützen kann. Wer sich vollständige Texte von ChatGPT schreiben lässt und als die eigenen ausgibt, wird früher später feststellen: Es reicht nicht aus, wenn das ganze Wissen nur irgendwo niedergeschrieben ist. Es muss auch im Hirn verarbeitet werden. Ob das geschehen ist, können Lehrkräfte erkennen, wenn sie den Lernprozess begleiten, Gelerntes abfragen und nicht nur auf fertige Ergebnisse blicken.

Außerdem lässt sich der Einsatz von KI natürlich auch mit Regeln begrenzen. Hamburg zum Beispiel hat bereits Konsequenzen daraus gezogen, dass Schüler*innen in den schriftlichen Abiturprüfungen mithilfe von ChatGPT zu schummeln versucht haben: Für die Präsentationen in der mündliche Abiturprüfung dürfen die Schüler*innen ganz offiziell Künstliche Intelligenz verwenden – vorausgesetzt, sie geben nicht nur die KI als Quelle an, sondern auch jeden einzelnen „Prompt“, also jede einzelne Frage, die sie ihr gestellt haben.

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