Warum eine Grundschullehrerin versteht, warum kaum jemand noch LehrerIn werden will

Lehrermangel

Ihr Lieben, vor fast einem Jahr hatten wir ein Interview mit Grundschullehrerin Diana. Sie hat uns erzählt, wie schlecht sich viele Kinder konzentrieren können, wie niedrig die Schwelle zur Gewalt ist und wie ausgelaugt viele Lehrer sind. Nun ist einige Zeit vergangen und wir wollten mal nachhören, wie Diana die aktuelle Situation der Lehrermangel erlebt und wie es ihr persönlich geht.

Liebe Diana, unser letztes Interview ist fast ein Jahr her. Damals ging es um die Folgen der Pandemie.  Du warst damals auch ganz schön erschöpft und ausgebrannt. Wie geht es dir heute?

Wir befinden uns wieder kurz vor den Ferien. Wie jedes Jahr ist natürlich die Luft bei Schülern und Lehrern raus. Allerdings muss ich sagen, dass ich mich nicht so ferienreif, wie letztes Jahr fühle. Die anstrengende Arbeit im letzten Jahr hat sich ausgezahlt und meine Klasse hat sich super entwickelt. Ich freue mich jeden Tag auf sie und gehe gerne in meine Klasse.

Momentan macht den Schulen auch der Lehrermangel zu schaffen. Wie ist die Situation bei euch?

Unterricht
Foto: pixabay

Dies haben wir massiv gespürt. In diesem Schuljahr wurden drei Kolleginnen schwanger, die teilweise sofort oder immer wieder zu Hause waren. Dazu gab es einen sehr hohen Krankenstand wie ich ihn noch nie erlebt habe.

Dies führte dazu, dass notwendige Doppelsteckungen (Doppelsteckung bedeutet, dass statt einer Lehrkraft, zwei Lehrkräfte gleichzeitig eine Unterrichtseinheit betreuen), um einzelne Schüler zu fördern, oder der DAZ (Deutsch als Zweitsprache)-Unterricht regelmäßig ausfielen. Man hätte sich permanent mehrfach teilen müssen, um allen gerecht zu werden.

Außerdem kamen viele Kollegen halbkrank oder viel zu früh wieder in die Schule, weil man die personelle Situation nicht weiter verschlechtern wollte. Leider sieht es auf Dauer nicht besser aus, weil einfach keine Lehrer zur Verfügung stehen. Das beunruhigt schon.

Du hast vor einem Jahr geschrieben, wie schlecht sich die Kinder konzentrieren können. Hast du das Gefühl, es ist besser oder schlechter geworden im letzten Jahr?

Natürlich haben wir uns so langsam als Team eingespielt. Die Kinder kennen mich, wissen worauf ich Wert lege, und können kleinste Gesten richtig deuten. Auch ich weiß, wie jeder Einzelne tickt und kann ihn entsprechend einschätzen und unterstützen. Die Kinder haben sich in den Schulalltag eingefunden und halten sich an die Regeln. Somit ist eine Lernatmosphäre geschaffen, die allen Beteiligten Spaß macht und gut tut.

Allerdings habe ich 4 von 24 Kindern die sehr, sehr große Probleme haben, sich zu konzentrieren. Diese Vielzahl hatte ich in den Jahren zuvor nicht. Auch meine Kollegen stellen dies fest. Den neu eingeschulten Kindern fehlte einfach die Zeit im Kindergarten, der meist eine Basis schafft, auf der wir aufbauen können. Das veränderte Freizeitverhalten und der gestiegene Medienkonsum tut sein Übriges.

Lehrermangel

Wir haben auch über das Thema Frust, Toleranz und Gewalt auf dem Schulhof gesprochen. Sie hat sich das entwickelt?

Es ist insgesamt ruhiger geworden. Die massiven und gewalttätigen Auseinandersetzungen sind weniger geworden. Die Kinder haben wieder einen strukturierten Tag mit Regeln. Der Kontakt zu Gleichaltrigen und das Miteinander haben die von einigen Kindern „vergessenen“ Sozialkompetenz wieder aktiviert.

Was meinst du: welche Kinder sind besonders schlecht durch die Pandemie gekommen? Und welche besonders gut?

Es zeigt sich leider immer wieder, dass viele Kinder aus sozial schwachen Familien, weniger Unterstützung von ihren Eltern bekommen. Oftmals können oder wollen es die Eltern nicht leisten, sich mit ihren Kindern hinzusetzen, um Inhalte nachzuarbeiten oder zu wiederholen.

Jedoch zieht sich dieses Problem seit Jahren durch den Schulalltag. Diejenigen, die sich um ihre Kinder kümmern, haben auch während der Pandemie dafür gesorgt, dass die Aufgaben erledigt wurden. Die anderen Schüler hatten leider das Nachsehen und können die Lücken kaum aufholen.

Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Quereinsteiger die Lösung für den Lehrkräftemangel sind. Was denkst du dazu?

Würde ich diese Frage mit Ja beantworten, dann brauchen wir keine ausgebildeten Lehrer mehr. Dann kann jeder Mensch unseren Job machen. Allerdings meinen viele Eltern, sie könnten Lehrer spielen und uns erzählen uns, wie wir unseren Job zu machen haben. Ich würde auch keine Operation durchführen oder ein Auto reparieren – weil ich es nicht gelernt habe.

Es gibt viel zu wenige Lehramtsstudenten. Warum ist der Beruf so unattraktiv geworden?

Der Beruf hat sich sehr verändert. Oft haben wir den Eindruck, dass wir mehr mit Dokumentieren als mit Unterrichten beschäftigt zu sein. Der bürokratische Teil hat so immens zugenommen, das kaum noch Zeit für die eigentlichen Dinge bleibt.

Die geforderten Konzepte werden immer mehr und meist nach wenigen Jahren wieder über den Haufen geworfen. Das ist sehr ermüdend und frustrierend. Auch die Arbeit mit den Kindern ist komplexer und leider viele Eltern fordernder und schwieriger geworden. Eine Kollegin meinte vor einiger Zeit, dass wir immer mehr zum Dienstleistungsunternehmen werden.

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8 comments

  1. zwei meiner Kinder wären gerne Lehrerinnen geworden. Sie standen auf Position 369 und 1250 (!!!!!) der Aufnahmeliste und haben keine Studienplätze deutschlandweit bekommen. Wo liegt da der Fehler?

  2. Mich würde es freuen, wenn ein Lehrer sich mal dazu äußern könnte, ob ein Smartphone verbot vor Unterreichtsbeginn hilfreich wäre und ob es überhaupt realistisch durchführbar ist?

  3. Auf keinen Fall würde ich den Job der Lehrer*innen machen wollen!
    Ich habe zwei Grundschulkinder, die gute gefördert wurden zu Hause, keine Konzentrationsschwierigkeiten haben, auch sozial kompetent sind und bei denen keine Sprachbarriere vorhanden ist. Da sie gut mitlaufen und nicht auffallen, müssen sie halt klar kommen. Trotzdem haben sie (wie alle Kinder) manchmal besondere Bedürfnisse, auf die die Lehrkräfte natürlich nicht eingehen können.
    Diese stehen nämlich an fast allen Schulen völlig allein gelassen vor der Klasse und haben gerade so genug Kapazitäten, um den Schülern gerecht zu werden, die eben einen deutlich mehr Begleitung brauchen.
    Das mag jetzt Jammern auf hohem Niveau sein. Ich finde es aber schade, denn so war das alles ja ursprünglich nicht gedacht.
    Es muss sich also wirklich dringend etwas tun. Und die Hoffnung, dass meine Enkel dann davon profitieren habe ich noch nicht aufgegeben. 😊

    1. Das sehe ich ähnlich, und es hat mich dazu bewogen, meinen Sohn für die Oberstufe an einer Privatschule anzumelden, die seit 40 Jahren mit sehr kleinen Klassen, voll ausgebildeten Lehrkräften und moderner Ausstattung den Kindern und Jugendlichen viel besser gerecht werden kann und einen hervorragenden Ruf hat.

      Ja, das kostet mich ab August einen höheren dreistelligen Betrag im Monat. Aber nach insbesondere den letzten zwei Jahren mit (je nach Fach) 30 bis 100(sic!) Prozent Unterrichtsausfall sehe ich absolut keinen anderen Ausweg mehr.

      Wenn ich als Mutter schon offiziell angehalten bin, die Defizite des staatlichen Systems nach besten Kräften auszugleichen, dann mache ich das auch konsequent.

  4. Was noch dazukommt (und die Lehrer in den Grundschulen und Gymnasien wahrscheinlich nicht so mitbekommen, weil es nicht ihr tägliches Brot ist): die Situation an den ehemaligen Haupt-, Real- und Förderschulen ist nochmal viel schlechter geworden. Diese wurden in den letzten Jahren in den meisten Bundesländern in irgendeiner Art fusioniert, gleichzeitig wurden die Klassen wegen dem Lehrermangel deutlich vergrößert. Ich arbeite an einer solchen Schule, mit einer Mischung aus Schülern, die früher eine Förderschule besucht hätten, ehemaligen Hauptschülern und (wenigen) etwas besseren Schülern. Dazu kommen noch die, die kein Deutsch können, hier vor allem Polen, Syrer und Ukrainer (vier in meiner Klasse). Ich habe eine Klassenstäre von 27!! Also ich soll an einer solch schwierigen Schule mit einer Klassenstärke wie am Gymnasium arbeiten und Schüler zum Abschluss führen.
    Stell Dir vor, die 4 aus jeder Grundschulklasse, die sich nicht konzentrieren können, plus alle anderen mit Defiziten kommen in eine Schule. Doppelsteckung oder Hilfe durch Sonderpädagogen gibt es fast nicht, die müssen ja die Vertretung machen. Tür zu und sieh zu, wie Du klar kommst. Es macht Schüler und Lehrer kaputt. Deshalb kann ich für meine Schule leider nicht sagen, dass es im letzten Jahr wieder besser geworden ist. Ich habe eher das Gefühl, es geht alles den Bach runter und und die Politik verschließt die Augen davor und delegiert alle Verantwortung an die Lehrer. Das ist ein Pulverfass, das uns in den nächsten Jahren um die Ohren fliegen wird.

    1. Bei YouTube gibt es eine Menge Videos über Schulverweigerer. Das sind Kinder und Jugendliche, die die Schuke kennen gelernt haben und deshalb nicht mehr hingehen. Die haben jetzt endlich Zeit zum Lernen gefunden!

  5. Hallo,
    auch ich bin seit fast 20 Jahren Lehrerin und kann manchen Punkten, welche oben beschrieben sind, nicht zustimmen. Ich empfinde es auch so, dass sich die Kinder wieder gut in den Schulalltag eingefügt haben. Die Kinder kommen gern in die Schule und die Sache mit der Konzentration hat sich deutlich verbessert, das soziale Miteinander auch.Der intensive Medienkonsum sollte hinterfragt werden, wobei das in die Hand der Eltern zu legen ist. Der Umfang des Dokumentierens hält sich bei uns in Grenzen, dadurch wird der Unterricht und die Zeit für das Kind nicht geschmälert oder beeinträchtigt.
    Ich liebe diesen Beruf und es gibt nichts, was ich lieber machen würde.
    Grüße aus BaWü

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