Das Schulöffnungsdesaster: „Das geht doch so nicht!“ Eine Mama macht sich Luft

Distanzunterricht

Foto: pixabay

Ihr Lieben, nach Katharinas Text über die Pandemie-Müdigkeit erreichte uns dieser Text einer Leserin, die sich mal ganz kurz Luft über die Schulöffnungen und das Nicht-Konzept dahinter machen muss.

„Um es direkt vorne weg zu sage, ich bin Mutter von drei schulpflichtigen Kindern (12/14/17), einem Kindergartenkind (5) und arbeite als Schulsozialarbeiterin an einer weiterführenden Schule. Ich kann also durchaus von mir behaupten, dass ich mitbekomme, was hier seit einem Jahr so wirklich los ist im Schulalltag.

Ein Lob für unsere Kinder!

Viel Lob habe ich leider nicht zu vergeben. Wer aber eines verdient hat und zwar ein riesengroßes  Lob sind unsere Kinder!!!

Seit einem Jahr ertragen sie Schulschließungen, Distanzunterricht, Öffnungen in Kleingruppen mit Hygiene- und Abstandsregeln, mit Masken im Unterricht, auf dem Schulhof, im Sportunterricht, dann wieder Unterricht mit allen, Anstehen zum Händewaschen, ständiges Ermahnen, die Maske richtig zu tragen, mit „Extra Luftholpause“ und ohne – je nach Schule – …  die Liste könnte noch eine Weile fortgeführt werden.           Und all das ertragen sie ohne durchzudrehen, ohne sich allem zu verweigern, ohne ihre Freunde, ohne ihren Sport, ihre Hobbies, ohne Geburtstagsparty…

Ein Lob für unsere LehrerInnen

Auch loben möchte ich die LehrerInnen, die den Kontakt zu ihren Schülern halten, die Verständnis aufbringen für häuslich schwierige Situationen, die versuchen, niemanden hinten rüber fallen zu lassen und das unter widrigsten Umständen. So gab es erst jetzt Tablets für die Lehrer, die seit einem Jahr ihre eigenen Endgeräte nutzen und aufpimpen mussten, um online überhaupt etwas anbieten zu können. Die versuchen, sich neue Methoden einfallen zu lassen, um es den SchülerInnen leichter zu machen.

Viele von ihnen erlebe ich im Alltag meiner Kinder leider nicht. Das Aufgabenpensum übersteigt oftmals bei Weitem das, was sie in der Schule in einer Woche geleistet hätten. Unverschämte Ansagen in Klassenchats mit Androhungen von schlechten Noten, wenn die SchülerInnen ihr Pensum nicht erledigen, sind – zumindest bei meinen Kindern – leider keine Seltenheit.

Schulöffnungen: Was leider schief läuft

Was mich aber gerade richtig wütend macht, ist Folgendes: Es gibt kein konkret ausgearbeitetes Konzept vom Land, wie die Schulen die Öffnungen zu gestalten haben. So dürften die Oberstufenschüler im kompletten Kurs unterrichtet werden, wenn die Schulen ein Hygienekonzept dafür vorlegen. In der gängigen Praxis hat man die Kurse trotzdem aufgeteilt, um die Räume nicht so voll zu packen. Das hat zur Folge, dass sie Distanzunterricht vor Ort haben. Das  Lehrpersonal  springt zwischen den Räumen  hin und her und kann auch nicht viel mehr Unterricht leisten, als im Distanzunterricht….

Dazu kommen Toiletten ohne Waschbecken, Toiletten die sich nicht schließen lassen, LehrerInnen, die als Beamte und somit als Vertreter dieses Landes weiterhin Stoffmasken tragen, weil sie nicht an die Pandemie glauben…

Keine Lüftungsanlagen, kein Wlan in den Gebäuden, keine langfristigen Konzepte, keine Planungssicherheiten für Eltern.

Seit dieser Woche dürfen auch wieder die unteren Stufen im Wechselmodell in die Schule. Das sind unterm Strich fünf Tage Unterricht in zwei Wochen, gefüllt mit Sport, Vertretungsunterricht und Ausfall. Wofür?? Natürlich freue ich mich, dass sie ihre Klassenkameraden sehen. Aber bei Familien mit mehr als einem Kind bringt das Wechselmodell mehr Organisationswahnsinn als alles andere. Mehrwert von Inhalten des Unterrichtes gleich Null.

Alle klassenübergreifenden Fächer werden im Klassenverband unterrichtet. Das heißt, Religion wird dann zu Philosophie, weil der Religionsunterricht in der Parallelklasse unterrichtet wird. In der zweiten Fremdsprache oder den anderen Wahlpflicht-Fächern hat man mal eben wieder eine neue Lehrkraft, die ein bisschen Vertretung anbietet. Warum sich auch einfach mal nur auf die Hauptfächer konzentrieren? Unsere Kinder schreiben sogar Klassenarbeiten im Homeschooling. Die heißen dann halt anders. Fachüberpüfung oder ähnlich. In einer bestimmten Zeit müssen Aufgaben erledigt werden, die dann bewertet werden wie eine Klausur.

Kostenlose, wöchentliche Test? Fehlanzeige an vielen Schulen. Vielleicht in der nächsten Woche, wenn sie denn geliefert werden…

Lüftungsanlagen? Wofür? Maske und Fenster auf reichen. Sind ja nur unsere Kinder. Die Mutante? Damit konnte man ja nun wirklich nicht rechnen.

Impfungen für Lehrpersonal. Wie jetzt? Gab es doch. Ach ja, nur für GrundschullehrerInnen. Dass die weiterführenden Schulen die komplette Zeit Notbetreuungen und Study Halls angeboten haben, egal. Dass es Sinn gemacht hätte, die Lehrer und Lehrerinnen zu impfen, bevor die Schulen wieder aufmachen? Egal. Dann fällt eben Unterricht aus, sollte es zu Impfreaktionen kommen. Egal. Man könnte meinen, unser Schulministerium ist vom Wendler Song inspiriert worden.

Wie hat meine Mama-Freundin so schön gesagt? Durch den vielen Distanzunterricht geben hab ich Mathe jetzt endlich mal wieder richtig drauf…

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6 comments

  1. Ein sehr guter Beitrag. Ich sehe es auch so und habe viele Aspekte schon selbst erlebt.
    Was können wir tun? In der letzten Bund-Länder-Runde war das Thema Familie/Schule wieder ganz hinten angestellt. Und die Kinder werden auch nach der Pandemie noch mit den Folgen zu tun haben. Was können wir also tun? Ein Schreiben an die Familienministerin? Wie schaffen wir uns Gehör?
    Das wüsste ich gerne.

  2. Ich teile die obige Ansicht zum Hybridunterricht nicht, bei uns läuft das gut – kein Ausfall, der Unterricht mit den halben Klassen klappt, die Kinder kommen öfter dran, so dass vermutlich mit der Hälfte der Präsenzzeit ähnlich viele Inhalte vermittelt werden können, wie sonst mit der ganzen Klasse in der vollen Zeit.
    Viele Kinder aus dem Bekanntenkreis rutschen im Distanzlernen in depressive Phasen, tauchen ab, so dass der zumindest zeitweilige Präsenzunterricht sehr wichtig ist. Das soziale Lernen in der Gruppe darf auch nicht unterschätzt werden. Soviel zum Kind an der weiterführenden Schule – die Lehrerinnen an der Grundschule sind inzwischen geimpft, die Schüler werden jeweils zu Beginn ihrer Präsenzphase alle getestet, das hilft doch auch sehr. Ich kann somit in unseren Bundesland durchaus Konzepte erkennen.

    1. Ich bin in Österreich zu Hause. Wir haben seit 5 Wochen Hybrid- Unterricht und es funktioniert sehr gut (inkl wöchentlichen Testen). Ich stimme dem Kommentar oben zu: Es hat Vorteile für die Kinder zumindest hin und wieder die Freunde zu sehen und sie lernen in den zur Zeit bestehenden Kleingruppen sehr viel und ist auch für die SchülerInnen ein sehr angenehmes Lernklima.
      Ich merke auch dass sie durch den Distanz-Unterricht viel selbstständiger und selbst organisierter sind und auch das selbstständige und strukturierte Lernen viel besser klappt, als vor COVID.

      Von mir und meiner Familie aus könnte dieser Hybridunterricht weiterbestehen.

  3. Ein Traum, dieser Brief. Ich hätte sehr gern Kontakt zu dieser Leserin. Ich bin ebenfalls Mama von 4 Kindern, in ähnlicher Konstellation. Und kann das unterstreichen, was diese Mama geschrieben hat! Ich finde, diese Briefe sollten unsere Bildungsminister erreichen!

  4. ich kann das so gut verstehen, ich bekomme das bei unseren nachbarn und meiner schwester mit… meine kinder sind im kindergarten ( mein sohn 5, geht seit drei wochen wieder, meine tochter, bald 3, hat die erste woche eingewöhnung), ich habe anfang märz angerufen und gesagt ich habe bedarf, auch wenn ich in – noch -elternzeit bin. und letztes wochenende wurde hier in der stadt wieder alles runter gefahren, und es sollen wieder weniger kinder kommen. eigentlich sollten diese woche wieder mehr kinder in den kindergarten kommen, die schulkinder wieder in die schule gehen….nichts da, das ist so schade für die kinder und dieses hin und her seit einem jahr ist einfach nur noch kräfte zehrend. da unklar ist wie lange das jetzt wieder anhält! und in den kindergärten wird ja auch nix anderes gemacht außer zu lüften und hände zu waschen und die kinder dauernd mit diesem thema zu beschäftigen! furchtbar sowas auf diese zeit gesehen! diese politiker haben doch echt keine ahnung von unseren kindern und was es mit ihnen macht was da seit einem jahr veranstaltet wird.

    1. Genau so ist es! Ich habe die Darstellung der o.g. Mutter in der momentanen Situation verschlungen und Absatz für Absatz innerlich bestätigt. Als Mutter 3 er Kinder, ebenfalls Sozialpädagogin gucke ich auch von allen Seiten auf die schulische Situation.
      Dabei die momentane Belastung der Kinder und Jugendlichen zu sehen, und bei Öffnungen zuerst an die Kinder zu denken, halte auch ich für unabdingbar. Jedoch bin ich fassungslos wie chaotisch und unvorbereitet in den einzelnen Bundesländern die Schulöffnungen umgesetzt werden. Von der mangelhaften Hygiene- und Lüftungssituation in den Schulen mal ganz zu schweigen. Aber die Schulen unvorbereitet in ein solches Schnelltest- Desaster zu schicken ist nicht zu fassen.

      Meine Kinder haben auch keinerlei Zuspruch oder Gesprächsraum bekommen im Austausch nach 12 Wochen ohne Kontakt…kein Lehrer interessiert sich oder fragt die Kinder, wie es ihnen geht, was schwer war, welche Ängste sie haben…ich bin fassungslos! Aber bitte Abstand, Maske, Hefte raus, wir haben viel aufzuholen…
      Müssen Kinder nur noch funktionieren und können diese Krise nur mit Hilfe der Eltern bewältigen? Was sollte Schule anbieten, um Kindern ein Schutzraum zu sein, in der sie diese hohen Anforderungen der Pandemie bewältigen?

      Hinzu kommt, das sie genau mitkriegen das sie für ihre Familien ein hohes Infektionsrisiko darstellen. Was macht das mit einem Kind, das Angst hat sich und die Familienmitglieder anzustecken, und nicht zu wissen ob es alle gesund überstehen?

      Schule muss ein sicherer, fürsorgender,verantwortungsvoller Ort für unsere Kinder sein.

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