Von Ostern zu Ostern – Annett erzählt uns von ihrem Pandemie-Jahr

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Rückblick: Am 13. März 2020, 3 Wochen vor den Osterferien schließen unter anderem Schulen und Kitas. Von Freitag bis Sonntag haben alle Familien Zeit Ihren neuen „Alltag“ zu organisieren. 

Unsere beiden Jungs sind zu diesem Zeitpunkt  14 und 10 Jahre alt. Ich gehe Montag, den 16. März 2020, ganz normal arbeiten, in dem Glauben, dass meine Kinder alt genug sind, den Tag alleine zu bewältigen. Ich fange morgens ganz früh an und bin entsprechend früh zurück. So der naive Plan… 

Nachdem die erste Woche geschafft ist, merken wir, dass es so nicht weiter geht. Das Loch in das die Kinder gefallen sind, ist zu groß oder zu tief oder beides. 

Wir gehören zu den Familien, deren Terminkalender vor Corona sicher immer zu voll war, mit ganz viel Sport und Wochenenden auf dem Fußballplatz. Uns wird schmerzlich bewusst, dass den Kindern alles fehlt, was ihren Alltag ausgemacht hat: der Sport, die Freunde, die Großeltern, die Schule. Der neue Alltag besteht aus unendlich langen, langweiligen Tagen, die Kinder streiten sich oft, die Stimmung ist schon nach der 1. Woche gekippt.

Ich bitte daher meinen Arbeitgeber Überstunden abbauen zu dürfen, um zu Hause bleiben zu können.

Zwischenzeitlich wird klar, dass vor den Osterferien kein Unterricht mehr stattfinden wird, das erscheint auch vernünftig. Wir retten uns also bis in die Osterferien, strukturieren den Alltag der Kinder und unserer Familie neu, nehmen uns viele Dinge vor, für die sonst keine Zeit war, versuchen die Kinder weiter zum Sport treiben zu animieren, packen die Brettspiele aus, halten die Spielekonsole der Jungs in Schach. Ostern 2020 ist anders als die Jahre davor. Alles ist anders, am meisten fehlt den Kindern ihr heiß geliebter Fußball, aber wir sind uns sicher, es wird nicht mehr lange dauern.

Kurz vor Ende der Osterferien erfahren wir, dass unsere Kinder auch nach den Ferien nicht in die Schule gehen werden. Wir sind ganz schön geschockt, das erste Mal macht sich Skepsis breit, wie soll das funktionieren!? Ah…digitale Beschulung ist die Lösung…Ich darf zum Glück im Homeoffice arbeiten und die Kinder?

Digitaler Unterricht, weiterhin Fehlanzeige.

Vor den Osterferien hatten wir Verständnis dafür, aber jetzt?? Die technischen Voraussetzungen waren nicht vorhanden, der Schulserver schaffte es nicht, alles scheinbar unlösbare Probleme. Die Schule ist auf Tauchstation, ab und zu wird ein Arbeitsblatt geschickt.  Im Fach Kunst soll mein Fünftklässler jetzt Figuren aus Seife schnitzen. Aha.

Jeder Tag ist ein Kampf um Struktur, um die Erledigung von Aufgaben. Jeden Tag versuchen wir als Eltern Dinge und Erlebnisse zu ersetzen, die wir gar nicht ersetzen können.  Erstmals ernsthafte Sorgen mache ich mir, als mein 14-Jähriger zu mir sagt, er wisse gar nicht mehr, wozu er morgens aufstehen soll.

Im Mai 2020 ein erster Lichtblick: die Vereine holen die Kinder ins Training zurück, zum kontaktlosen Fußballtraining. Kontaktlos? Egal, alles macht Freude, was man gemeinsam mit Gleichaltrigen machen und erleben kann. Wir atmen auf und sind den ehrenamtlichen Trainern unendlich dankbar, sie leisten tolle Arbeit, stampfen Hygienekonzepte aus dem Boden, gestalten kontaktlose Trainingseinheiten!  Gleichzeitig fragen wir uns, warum die Vereine schneller agieren als die Schulen…

Unsere Schule war zu diesem Zeitpunkt immer noch untergetaucht, digital und analog. Es hieß, dass das Kultusministerium seinen Aufgaben nicht nachkommt, auch Lehrer und Schulleiter scheinen frustriert. Manche Schulen finden bessere Lösungen, manche schlechtere. Unsere Kinder gingen jedenfalls bis zum Beginn der Sommerferien noch ganze 5 Tage in die Schule, zum Glück wussten wir das im März 2020 noch nicht.

Wir blieben in den Sommerferien 2020 natürlich zu Hause, wollten weiterhin Solidarität mit den vulnerablen Gruppen üben und nichts riskieren für den Start ins neue Schuljahr. Reiserückkehrer bereiteten da bereits erste Sorgen, wird das Virus wieder eingeschleppt? Aus heutiger Sicht denke ich manchmal: Wir hätten damals in den Urlaub fahren sollen, hätten Kraft tanken sollen, für das, was dann kam.

Nach den Sommerferien starteten die Schulen mit Hygieneauflagen in den Regelbetrieb.

Das erschien uns als Eltern mutig, war aber sicher aufgrund (weiterhin) mangelnder digitaler Möglichkeiten alternativlos.  Bis zu den Herbstferien hielt man durch, danach wurde der Präsenzunterricht ab Klasse 7 bereits wieder beendet, man ging über zum Wechselunterricht. Ich habe nachgerechnet, für meinen älteren Sohn gab es von März-Dezember 2020 lediglich 60 Tage Präsenzunterricht.  

Ende Oktober 2020 mussten die Vereine den Spiel- und Trainingsbetrieb einstellen, der erste schmerzhafte Rückschlag für die Kinder. Am 16. Dezember 2020 schlossen die Schulen komplett. Das Weihnachtsfest 2020 verlief ähnlich wie das Osterfest 2020, ein wenig trostlos und natürlich kontaktarm, Brettspiele waren inzwischen auch nicht mehr angesagt. Wir sehnten den Jahreswechsel herbei, 2021 konnte ja nur besser werden.

Im Januar 2021, nach Beendigung der Winterferien, hatten wir dann große Hoffnungen in den, von der Schulleitung angekündigten, verbesserten digitalen Unterricht. Den Eltern wurde mitgeteilt, dass die Kinder zwar nicht in die Schule zurückkehren könnten, aber nun (wenigstens) die Hauptfächer digital –nach Stundenplan- unterrichtet würden.  Die Erleichterung war groß, kündigte sich doch eine gewisse Struktur für die Kinder und Entlastung für die Eltern an, wenn endlich Mathe, Deutsch und Englisch digital nach Stundenplan unterrichtet würden. Die  sogenannten Nebenfächer würden wir dann weiterhin  „nebenbei“ erledigen.

Leider lief es aber nicht wie angekündigt, Onlineunterricht gab es nicht im Umfang des Stundenplanes, so wurden z.B.  5 Wochenstunden Englischunterricht gekürzt auf 20 Minuten Onlineunterricht wöchentlich.

Leider ist Bildung bzw. Unterricht in der Pandemie  Glückssache.

Abhängig vom Engagement der Schule, vom Engagement  des einzelnen Lehrers, der Inzidenzzahl am Wohnort, dem Alter des Kindes, den Möglichkeiten der Eltern, bei den Aufgaben zu helfen. 

Wir haben jetzt April 2021. Die analogen Schultage im Jahr 2021 beschränken sich  bei meinen Kindern bis heute  auf  0  bzw. 15 Tage bei meinem  jüngeren Sohn.  

Wie soll das Schuljahr nun weiter gehen!?

Vom hessischen Kultusministerium wurde am 29.03.2021 ein Brief verfasst, der sich an alle Schülerinnen und Schüler der hessischen Schulen richtet. Wir Eltern hatten uns erhofft, diesem Schreiben entnehmen zu können, wie es nach den Osterferien weiter gehen soll. Dem war aber leider nicht so. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

„Diese ständigen Änderungen und Ungewissheiten darüber, was gerade eigentlich passiert, sorgen bei einigen für Stress, Angst, Unsicherheit oder schlechte Stimmung. Vielleicht geht es auch Dir so.“

Ehrlich!? Nach einem Jahr Pandemie fällt es dem Kultusministerium auf,  dass es einigen Kindern psychisch schlecht gehen könnte, das ist wohl eher ein schlechter Witz. Im weiteren Verlauf des Briefes werden etliche  Anlaufstellen  benannt, bei denen sich die Schüler psychologische Hilfe holen können. Kaum ein Kind oder Jugendlicher wird sich wohl hier melden.

Man verabschiedet sich mit folgenden Sätzen:

„Unsere psychische Gesundheit sollten wir nicht vernachlässigen, denn wie körperliche Krankheiten können sich auch psychische Erkrankungen mit der Zeit verschlimmern und den gesamten Alltag beeinträchtigen. Gemeinsam mit Dir hoffen wir, dass die alltäglichen persönlichen Begegnungen in Schule und Freizeit bald wieder möglich sein werden. Bis dahin brauchen wir noch etwas Geduld.“

Geduld!? Nach einem Jahr, Ostern 2020 bis Ostern 2021!? Ist Hoffnung ein Plan? Wir können doch nicht weiter nach dem Prinzip Hoffnung leben, vor allem die Kinder nicht, das macht sie doch erst Recht mürbe.  Es ist nicht Aufgabe des Kultusministeriums Hoffnung zu verbreiten, darum bemühen sich bereits täglich viele Eltern und es wird zunehmend schwerer. Das Kultusministerium muss für qualitativ und quantitativ besseren digitalen Unterricht  sorgen und dafür, dass wieder alle Kinder, zumindest im Wechselmodell regelmäßig zur Schule gehen können. Dann gibt es auch wieder  Hoffnung. Momentan ist das Glas nämlich weder halb voll noch halb leer, man kann sich vielleicht um die Interpretation des zum Viertel  gefüllten Glases streiten.

So wie es jetzt aussieht bleibt es also bei dem zermürbenden „ Denn sie wissen nicht was sie tun“ (sollen)!?  Wieder wissen Eltern und Kinder nicht,  wie es nach den Ferien weitergeht, auch Ostern 2021 nicht.

Es wird dringend Zeit für bessere  Lösungen! Teilhabe an Bildung und Sport für Kinder und Jugendliche darf nicht dann erst wieder möglich sein,  wenn die Pandemie vorbei  ist – denn keiner weiß, wann das der Fall sein wird! 

Und es braucht  dringend mehr  Erwachsene und Politiker,  die sich für die Probleme von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie interessieren und sich zeitnah für deren Lösung stark machen!  

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13 comments

  1. Liebe Annett, du sprichst mir aus der Seele… Meine Tochter ist 7…erste Klasse… Nach den Osterferien wird wieder Homeschooling sein… Ich schaff mittlerweile den Spagat zwischen Job und Schule nicht mehr… Es ist einfach nur noch irre was grad passiert… Das ganze Chaos mit den Impfungen… Der Spahn will jetzt allen ernstes den Geimpften mehr Freiheit geben… Leute wacht auf… Das sind unsere Grundrechte… Er kann das gerne machen… Aber erst dann wenn wirklich jeder die Möglichkeit auf Impfung hat… Alles andere ist diskriminierend
    .. Ich weiß nicht wie ihr das seht
    .. Ich fühle mich als Apothekerin grad auch verarscht… Lehrer und Erzieher die immer die gleichen Kinder um sich haben werden bevorzugt geimpft… Wir stehen täglich für viele Patienten, die wir nicht kennen, an der Front und werden erst viel später geimpft… Aber wir haben halt keine starke Lobby im Hintergrund… Alles nur zum kotzen

    1. Ich nehme an, du stehst als Apothekerin mit Maske hinter einer Glasscheibe. Deine Kunden niesen hoffentlich in ihre Armbeuge und halten Abstand.
      Stell dir kurz eine Kita und eine Erzieherin (ohne Maske) und ein spuckendes Kleinkind vor und dann denke nochmal über deine „Front“ nach 🙂

      1. Und als Lobby würde ich durchaus einen finanzstarken Bereich nennen, der sich ohne mit der Wimper zu zucken durch die Masken-Coupons mal eben einen Gewinn im sechsstelligen Bereich pro Apotheke eingestrichen hat.

    2. Ich bin nicht geimpft und bin sicher auch nicht so schnell dran…aber von mir aus darf jeder Geimpfte gerne sofort seine Grundrechte wiederhaben! Das macht mich ja auch nicht glücklicher, wenn keiner im Schwimmbad ist, wenn ich nicht hindarf.

      Liebe Stefanie, ich finde – ehrlich gesagt- dein Beitrag ist fast klischeehaft typisch für das, was gerade für so Viele gilt: Jeder sieht sich als am Härtesten betroffen, jeder findet, er hat das Recht zuerst geimpft zu werden. Das ist ein Riesen- Ego- Ding.
      Und sich als Apothekerin als „an der Front“ arbeitend zu bezeichnen ist gegenüber allen Friseuren, Krankenpflegern, Altenpflegern, Lehrern, Erziehern, Ärzten, Zahnärzten, Arzthelfern…ziemlich dreist. Ganz zu schweigen von den Gastronomen, Künstlern, Kinobesitzern etc. !!!

  2. Liebe Schuchi, das hast du schonungslos real erzählt…So geht es leider vielen… und ein Ausweg ist (noch) nicht in Sicht 😞

  3. danke! ja genau, wie lange sollen die kinder koch geduld aufbringen!? oder , wie meine nichten.
    , halten sich in der schule an alles: hygiene, maske tragen die ganze zeit!, abstand, nur die aus der gleichen klasse treffen- und trotzdem wird die ganze schule geschlossen nachdem in nur zwei klassen positive getestete sind. ja für was dann das ganze ?! dieses hü und hott ist ja schon für uns erwachsene kaum erträglich aber für die kinder noch viel schlimmer….und das nach einem jahr es in den schulen noch nicht läuft ist einfach nur ein anfutszeugnis!

    1. Ich empfinde es ganz genauso. In dieser Pandemie wird natürlich versucht die Gesundheit aller zu schützen, aber meines Erachtens ist der Blick viel zu wenig auf die psychische Gesundheit gerichtet, vor allem auf die unserer Kinder. Dass Schulschließungen nach über einem Jahr Pandemie immer noch als erstes Mittel zur Eindämmung der Infektionen herangezogen werden (trotz detaillierter Hygienekonzepten an den Schulen), ist ein Armutszeugnis sondergleichen.

  4. Du hast einfach nur recht. Ich weiß oft auch nicht weiter. Die Kinder brauchen Hilfe beim Digitalunterricht und gleichzeitig soll ich wie gehabt arbeiten. Es funktioniert nur auf meine Kosten oder Kosten meiner Kinder. Daher arbeite ich seit einem Jahr um die Homeschooling Zeiten der Kinder herum: abends, am Wochenende oder wie heute am Feiertag.
    Auf Dauer ist das untragbar und es ist unmöglich, wie Eltern und Kinder hier behandelt werden.

    Ich habe mittlerweile jegliche Hoffnung bereits verloren. Wir wurden zu oft von Bundes- und Landesregierung enttäuscht.

    1. Hier ist es ähnlich, wobei unsere Schulen einen tollen Job machen. Und das meine ich wirklich!!! Allerdings fällt es uns immer schwerer, den Teenager (13) für das Home Schooling zu animieren die beiden Jüngeren Kids (10 und 7) haben das unsagbar Glück, dank einer kleinen Dorfschule, jeden Tag zur Schule gehen zu dürfen. Allerdings auch mit Einschränkungen, kein Sport, kein Musik im eigentlichen Sinn und in der Pause bitte keinen Körperkontakt. Hobbits, wie Handball und Schwimmen finden seit einem Jahr nicht mehr statt.
      Wie soll das alles nur weiter gehen. Ich bzw. wir merken einfach, dass die Grenze des machbaren deutlich überschritten ist und die Akkus einfach nur leer sind.
      Hoffentlich wird bald alles besser!

      1. Sehr gut geschrieben. Wir als Familie finden uns in so vielen Sätzen wieder.
        Dass das hier KEIN Ego-Ding ist, dass sich jeder so hart getroffen sieht, liebe Lena, ist den meisten von uns zum Glück klar. Mit Ego hat das schon lange nichts mehr zu tun. Viel mehr mit der psychischen Gesundheit unserer Kinder und ihrer Eltern. Das schreibe ich als Kinderärztin, würde es aber mit jedem anderen Beruf auch schreiben.
        Wir als Familie und Kinder im Besonderen brauchen endlich eine Lobby und nach über einem Jahr (unglaublich!!) dich so langsam mal einen Weg aus der Krise. Entschuldigt meinen Unterton.

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