Happy birthday, Tochter: Über meine erste emotionale Geburt vor 15 Jahren

Geburtserfahrung

Ihr Lieben, heute vor 15 Jahren wurde ich zum ersten Mal Mutter. Einen Tag nach dem errechneten Entbindungstermin hatte ich plötzlich komische Regelmäßigkeiten in meiner Körpermitte wahrgenommen. Zu Anfang noch undefinierbar, aber doch so auffallend, dass ich meinen Vater, der bei uns in Berlin zu Besuch war, zwar zur Bahn brachte, dann aber nicht mit ins Museum fuhr, sondern lieber wieder den Heimweg antrat. Zu Hause platzte die Fruchtblase.

Es war ein Samstag, mein Mann hatte Wochenenddienst. Ich rief meine Hebamme an, die gleich kommen wollte. Ich rief den werdenden Papa auf der Arbeit an. Ich sagte meinem eigenen Papa Bescheid, dass es jetzt wohl losgeht – vor lauter Schreck fuhr er sich dann die Loveparade anschauen, denn ja, so lang ist das her, dass die sich noch wummernd durch die Hauptstadt schob.

Die Fruchtblase platzt: Die Geburt geht los

Die Hebamme war superzufrieden mit allem, wir verabredeten, dass sie nochmal heimfährt und wir uns gegen 19 Uhr im Geburtshaus treffen. Denn da wollte ich hin. Da fühlte ich mich wohl. Ich hatte ein riesiges Vertrauen in mich und meinen Körper und meine kleine Tochter, auf die ich mich so so so sehr freute. Auch in diesem Moment noch, unter Wehen. Am Tag zuvor war ich echt sauer gewesen, dass sie nicht kam, ich fühlte mich wortwörtlich wie bestellt und nicht abgeholt. Nun sollte es endlich losgehen. Juhuuuu. Wie sie wohl aussehen würde? Und ja gut, sie lang wohl als Sternengucker, aber dann würde es eben länger dauern, dachte ich.

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Im Krankenhaus-Garten in den ersten vier Tagen nach der Geburt

Wir sollten spazieren gehen und taten das auch. Liefen durch Prenzlauer Berg, kehrten noch in einer Pizzeria ein und ich veratmete zwischen jedem Bissen. Zurück zu Hause wollte mein Mann nochmal Kraft tanken, sich ein bisschen hinlegen und einen Film schauen. Das Liegen ging für mich allerdings GAR nicht mehr. Ich musste laufen und atmen, es wurde heftiger. So doll, dass wir früher als abgemacht ins Geburtshaus fuhren. Ich durfte in die Wanne, die mir so guttat, ich war wie in Trance, ganz in meiner eigenen Welt. Ohne Reden, nur ich und die Kleine und die Geburt. Ich brauchte eine Hand, die ich drücken konnte. Kurz wurde mir schlecht, dann ging es wieder. Alles lief nach Plan, ich schimpfte nicht, ich war ganz konzentriert und bei der Sache. Bis es zu den Presswehen kam.

Presswehen, aber das Kind kommt einfach nicht

Die Hebamme sagte, wir würden gleich das Köpfchen sehen. Doch es kam kein Köpfchen. Ich hatte einen immensen Pressdrang, aber es kam kein Kind. Ich bekam nicht mit, wie es um mich herum hektischer wurde, ich war mit Atmen beschäftigt, bis meine Hebamme irgendwann kam und meinte, es könnte sein, dass wir einen Kaiserschnitt bräuchten. Meine Tochter habe sich in einem hohen Geradstand verkeilt und käme wohl alleine nicht raus.

Ab diesem Moment wollte ich nicht mehr. Ich wusste jetzt, dass jede Wehe mein Kind auf mein Becken schlug, ich wollte keine einzige mehr davon erleben, wenn sie mir doch mein Kind eh nicht brachte. Ab da wurde es unangenehm. Im Krankenwagen schrie ich zum ersten Mal, hielt dem Druck nach unten nur noch schwer stand.

Im Klinikum versuchte ein Arzt noch, mein Baby mit der Hand zum Rauskommen zu bewegen, ein Schwall Fruchtwasser brach über uns hinein. Keine Chance. Ob ich noch eine halbe Stunde aushalten könne, fragten sie, dann wäre eine Spinalanästhesie möglich. Nein. Keine halbe Stunde mehr. Auf keinen Fall. Okay, dann Vollnarkose. Ohne den anwesenden Papa. Ohne eine Mama bei Bewusstsein.

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Mein Mann hörte den ersten Schrei unserer Tochter im Flur vor dem OP. Sie reichten ihm das kleine zerdötschte Bündel in die Arme, er reichte ihr seinen Finger und sie nuckelte um ihr Leben bis ich erwachte. Und sie zum ersten Mal sah. Und erstmal nachfragte. „Ist sie das?“ Ich erinnere mich nicht daran. Ich war wohl noch nicht ganz bei Bewusstsein. Ob der verformte Kopf wohl so bleibe, fragte mein Mann noch. Haha, grinste er Arzt, nee, das gebe sich in den nächsten Stunden. Sehr lustig.

Kaiserschnitt: Unsere Tochter ist da!

Man schob uns in einen Kreißsaal. Nur uns drei. Wir staunten über dieses Wunderwesen, mittlerweile war es nach Mitternacht, unser Baby, ein Sonntagskind. Ich weiß nicht, ob man uns zwei, drei oder sechs Stunden in diesem Kreißsaal vergaß. Dreimal versuchten wir, jemanden zu sprechen, um zu fragen, ob ich wohl trotz Narkose stillen dürfte. Bis irgendwann ein Zivi kam und uns ein Stockwerk höher ins Zimmer brachte. Da war es schon wieder hell, der nächste Tag war angebrochen. Ein neues Leben.

Wir fühlten uns rundum unwohl in dieser Klinik. Die eine Schwester sagte, ich solle so stillen, die andere so. Die eine im Liegen, die andere „niemals im Liegen“. Sie gaben meiner Kleinen Wasser gegen die Hitze – ohne mich zu fragen. Einmal nahmen sie sie mit und gaben ihr wohl sogar Premilch, das las ich in den Krankenhausunterlagen, die ich später anforderte. Sie wollten sie die erste Nacht ins Kinderzimmer bringen, ich verbot das. Niemand würde mich mehr von meiner Tochter trennen. Sie setzten mich ins Abpumpzimmer, wo ich mich entwürdigt fühlte, weil ich mithörte, wie sie im Schwesternzimmer nebenan über mich sprachen. Habt ihr sowas schon mal gesehen? Da spritzt das Blut aus der Brust, so entzündet ist das.

Das große Glück begann nach der Klinik

Erst zu Hause kam ich an in diesem neuen Leben. In den eigenen vier Wänden klappte es plötzlich wunderbar mit dem Stillen. Ich fühlte mich wieder sicher und geborgen. Und die nächsten Kinder, die würde ich ganz sicherlich nicht dort bekommen. Für sie fand ich einen anderen Ort, einen, an dem ich mich von Minute Eins an wohlfühlte und an dem mir die Menschen freundlich und wohlwollend begegneten. Die Heilung verlief schneller. Alles lief so viel reibungsloser, weil die Psyche in solch verletzlichen Tagen so unfassbar wichtig ist.

15 Jahre ist diese meine erste Geburt her. Sie hat mir die tollste Tochter der Welt beschert, ich könnte nicht stolzer sein. Auf uns. Aber ganz besonders auf sie.

Happy birthday, mein großes kleines Mädchen! Wir sind so froh, dass es dich gibt.

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1 comment

  1. Wenn alles anders kommt als geplant und man trotzdem das schönste Geschenk der Welt erhält… Danke für diesen Einblick und auf die nächsten tollen 15 Jahre! Und die nächsten und die nächsten… 😉

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