Hausmann Arne: Meine Frau macht Karriere, ich kümmere mich um die Kinder

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Meine Frau und ich, wir führen eine „moderne“ Ehe. Aber was ist das überhaupt? „Modern“ heißt laut meines Fremdwörterlexikons: „der Mode entsprechend, neuzeitlich“

Okay, nehmen wir „neuzeitlich“ und fragen uns, wie es früher war. Und das ist nicht kompliziert. Meine Mama blieb zum Beispiel zu Hause, bis ich sechzehn war. Andere Mütter begannen in Teilzeit zu arbeiten, als die Kinder in die Grundschule kamen. Früher meistens nicht. Und die Männer? Die arbeiteten in meinem Friede-Freude-Eierkuchen-Vorort-Umfeld immer. Natürlich Vollzeit. Sie setzten sich abends an den gedeckten Tisch und lasen Zeitung. Ich habe meine Kindheit geliebt. Dennoch lebt unsere Familie das Gegenteil. Und diese Grundsatzentscheidung fiel schon zu einem Zeitpunkt, als meine Devise in Hinblick auf die Anzahl der Kinder lautete: eins oder keins! (Es sind zwei geworden.)

„Na, später wirst du dich wohl um unsere Kinder kümmern“, sagte meine beruflich ehrgeizige Frau, als sie noch meine Freundin war, zum Künstler, dessen Bücher nicht verlegt wurden. 

Das Konzept „moderne Ehe“ haben wir dann beim ersten Kind konsequent und beim zweiten Kind radikal umgesetzt. Es gab viel Anerkennung, aber auch viel Kopfschütteln – vor allem nach Geburt des zweiten Kindes: Denn meine Frau fing nach zwei Monaten wieder voll an zu arbeiten, während ich als Elternzeitpionier im Jahr 2007 die 12 Monate nahm, um anschließend in Teilzeit zu unterrichten.

Unser Rollentausch war so extrem, dass ich von mir vollkommen unbekannten Menschen gefragt wurde:„Sagen Sie, gibt es eigentlich eine Frau dazu?“

In Arztpraxen saß ich schon allein mit meiner Tochter, als sie ein paar Monate alt war, Fläschchen mit abgepumpter Milch immer griffbereit. (Meine Frau sagte, sie sei sich manchmal wie eine „Kuh“ vorgekommen.)

Und im PEKIP-Kurs war ich auch. Mit sieben Müttern. War cool. Einmal hatte ich allerdings die Milch vergessen. Was den Müttern nie passierte. Nerven tat mich in jener Zeit nur die Standardfrage: „Vermisst deine Frau eigentlich gar nicht ihr Kind?“ Hm. Was war denn mit den anderen Vätern? Solche Fragen kann man immer auch umdrehen.

Auch auf einem anderen Gebiet haben wir Eheentscheidungen getroffen, die eher „modern“ waren:  So bin ich meiner Frau immer hinterhergereist. Von Hamburg zogen wir nach Berlin, wo meine Frau ein Stipendium annahm – in einem Unternehmen mit weiterem Standort in Wuppertal. Unser Running Gag lautete: „Zur Not gehen wir nach Wuppertal!“

Aus dem Witz wurde dann Ernst. In Wuppertal leben wir seit elf Jahren. Die Stadt ist ein großes Dorf, in dem alle Menschen mit dem Auto fahren. Auch zum Briefkasten, zum Bäcker sowieso. Viele Eltern wohnen in Nachbarschaft zu ihren eigenen Eltern und schicken die Kinder auf die Schulen, die sie selbst besucht haben. Ist ja im Einzelfall schön. Aber die vielen Einzelfälle haben bei uns längst den Eindruck hinterlassen, dass wir mit unserer Biografie hier nicht hingehören.

Unsere Kinder sind inzwischen 13 und 16 … Papa ist inzwischen nicht mehr so wichtig. Das schmerzt mich mehr, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Freue ich mich auch deshalb, das erneut ein radikaler Umbruch unmittelbar bevorsteht und die Kinder mich vielleicht wieder brauchen werden? Warum? Weil meine Frau den Job wechselt.

Dieses Mal ziehen wir nicht in eine andere Stadt, sondern in ein anderes Land: nach Schweden! Das ist monstermäßig aufregend – Schwedisch beginnen wir gerade erst zu lernen. Die Kinder fanden das am Anfang super. Jetzt geht es bald los, und bei meiner Tochter spürt man, dass immer wieder die eine oder andere Sorge aufblitzt. Aber wäre alles andere nicht auch seltsam? Ich selbst stelle mir ja auch tausend Fragen. Die drei wichtigsten sind vermutlich:

Werden unsere Kinder an den neuen Schulen glücklich sein und Freunde finden? Werden wir irgendwann Schwedisch verstehen und es bestenfalls fließend sprechen? Und: Werden wir als Familie die ersten, gewiss nicht einfachen Monate, mit der notwendigen Gelassenheit hinter uns bringen?

Ihr seht also: Abgesehen vom Rollentausch sind wir eine ganz normale Familie, in der sich ständig wegen Kleinigkeiten gezankt wird – aber eben nicht über solche Lebensentscheidungen.

Arne Ulbrich ist Autor und zweifacher Vater. Gerade ist sein Roman „Schlicksee“ erschienen“ Mehr Infos unter: https://arne-ulbricht.de/ oder https://www.instagram.com/arneulbricht/

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SchilseeShooting

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6 comments

  1. Wow, so viele Parallelen. Auch bei uns ist es so, dass wir wegen meinem Job oft unziehen und ich wenige Monate nach der Geburt meiner Kinder wieder arbeiten musste, weil es im Ausland auch keine klassische Elternzeit gibt und mein Mann als Freiberufler zu Hause war. Natürlich mit Nanny Support, aber die Arztbesuche macht er, wenn die Kinder krank sind, dann betreut er sie daheim und wenn ich auf Dienstreise war, war er oft tagelang im Vollversorgungdbetrieb. Leider wird unser Modell oft belächelt, vor allem seine Mutter reibt sich sehr daran, dass er nicht das Familieneinkommen nach Hause bringt ☹️ Aber um auf die Parallelen zurückzukommen: wir ziehen nächstes Jahr auch nach Schweden 😉

  2. Naja. Also irgendwas passt hier ist meiner Meinung nach.
    Entweder er ist Hausmann, dann ist er aber mit 1 Partner arbeitet voll und einer nicht, nicht modern. Oder er war ein Jahr in Elternzeit und seitdem arbeiten die Eltern beide während er vorallem für den Nachmittagsbereich zuständig ist, das wäre dann modern aber doch kein Hausmann? Sondern zwei arbeitende Eltern? Oder habe ich jetzt im Interview was falsch verstanden?

  3. Als ich die Artikelüberschrift las dachte ich erst: Hä? Ein Artikel über mich, ohne dass ich davon weiß? 😉
    So viel Ähnlichkeiten zu meiner (unserer Situation) und dann auch noch dass ich selber auch Arne heiße. Welch ein Zufall? Nur dass es bei uns alles noch brandaktuell ist mit unseren 3 Kindern (davon eines gerade 3 Wochen alt). Väter als Hausmann, ein echt spannendes Thema. Finden das eigentlich Frauen toll?

    1. Ja, Arne, ich denke, (viele) Frauen finden das toll. Ich bin definitiv großer Fan von euch Hausmännern und hätte sicher auch schon ein Kind, wenn mein Mann auch nur ansatzweise dazu bereit wäre, ein bisschen mehr Hausmann zu sein. 😉

  4. Ich bin eine Frau, Jahrgang 1986, die eine wohl konservative Meinung hat. Ich mag es, wenn ein Elternteil daheim beim Kind bzw bei den Kindern ist, um m es/sie auch erleben zu können. Bei uns daheim ist es klassisch, aber auch Konstellationen wie diese hier, Mama arbeitet, Papa ist daheim bzw später Teilzeit im Job, finde ich persönlich super. Irgendwann ist die Kindheit vorbei, die Kleinen werden groß, flügge und man geht unterschiedliche Wege. Ich bin der Auffassung, wenn es finanziell geht und es für jemanden kein Problem darstellt, auf seine eigene Arbeit für einen gewissen Zeitraum zu verzichten, dann sollte auch diese Person ihren Wunsch nachgehen können und seine Kinder genießen können. Ohne Vorurteile, ohne doofe Kommentare, ohne bissige Spitzen.

  5. Klasse! Ich unterstütze das voll und finde es wichtig, dass nicht das eine Rollenbild oder das andere als richtig oder falsch gilt, sondern dass wir Eltern und die Gesellschaft mit der Zeit geht. Es geht um die neue, moderne und aktive Vaterschaft, eine Vereinbarkeit, die ein gleichberechtigtes und aufgeteiltes Familienleben im Sinne aller (Eltern und Kinder) ermöglicht und fördert.

    LG, Richard von der Papammunity.de.

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