Super Mann, super Kinder, superfancy Job: Dann Zusammenbruch

Burn-out

Foto: pixabay

Ihr Lieben, manchmal erreichen uns Gastbeiträge, die direkt aus dem Herzen kommen und an denen wir so gut wie nichts mehr verändern müssen, weil sie so treffend formuliert sind. So wie dieser hier von Laura. Alles in ihrem Leben war irgendwie bilderbuchmäßig – bis sie nicht mehr konnte und zusammenbrach. Wie sie aus ihrem Loch wieder rauskam und was sie anderen Frauen in ihrer Situation rät.

Einweisung in die Klinik

„Es ist der 12. März und ich starre kopfschüttelnd aus dem Fenster und höre die Ärztin sagen: „Frau A., hören Sie mich? Ich denke es ist sinnvoll, wenn sie erstmal ein paar Tage bei uns in der Klinik bleiben. Eine schwere depressive Episode kann man gut behandeln, aber sie brauchen jetzt Ruhe. Ich kann sie nicht zwingen hierzubleiben, aber sie sind sehr krank und brauchen Unterstützung.“

Moment mal! Von wem reden wir hier gerade? Schwere depressive Episode? Krank? Unterstützung? Entschuldigung, aber reden wir hier gerade über MICH? Ja, okay, ich bin erschöpft von dem ganzen Corona-Wahnsinn, dem Im-Homeoffice-Kindern-gerecht-werden, müde von der nicht existierenden Freizeit neben Kind und Kegel, dem Nebenbei-mal-kurz-ein-Haus-bauen und auch von dem Druck der letzten Wochen auf der Arbeit in dem superwichtigen Projekt…

Und ja, ich hatte ständig Blasenentzündungen, aber ich schob es auf meine Endometriose. Und jeder hat doch Stress, jeder Mensch, egal ob groß oder klein, arm oder reich, jeder ist schlichtweg am Limit und möchte so schnell wie möglich sein Post-Corona-Life ausnutzen, aber wieso sollte gerade ICH, selbst ernannte Working Mum, eine depressive Episode haben?

Hoch funktionale Depression und Angststörung

Ich doch nicht! Die 34-jährige Twin-Mom mit einem internationalen, super coolen fancy Job in einer glossy Firma (’so international, yeah‘), verheiratet mit einem erfolgreichen, tollen Mann, die eigentlich ihr Leben lang alles dafür getan hat, um eben NICHT an so einen Punkt zu kommen. Und mit diesem Punkt meine ich die Psychiatrie: ICD-10: F32.2 ‚Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome.

Nun saß ich da, konnte meine vorläufige Diagnose ‚hoch funktionale Depression‘ und ‚generalisierte Angststörung‘ kaum fassen. Gedanken wie ‚Bestimmt finden die Ärzte noch organische Ursachen‘ oder ‚Die Ärztin übertreibt doch gerade, es ist doch alles gar nicht so schlimm‘ , ‚Warum zum Teufel habe ich die Symptome meines Körpers, die vielen Krankheiten, meinen Gewichtsverlust, meine Schlafstörungen nicht wahrgenommen und sie zur Seite geparkt, als wäre es eine Banalität?‘ bis hin zu ‚Gratulation, du bist eine komplette Versagerin. Das ist die Niederlage, die du verdienst, Laura‘. Game over, du hast verloren. 

„Ich wollte es immer allen beweisen“

Ich dachte, ich sei super reflektiert und achtsam, super multikulturell unterwegs, zielstrebig. Ich bereiste Länder und studierte Sprachen und Kulturen, bin eine gesellige Dame mit Humor (sagen meine Freunde!), ein ‚girl next door‘, heiratete mit 29, bekam mit 30 meine kleinen Zwillingsgirls und dachte, es wäre voll schlau nach meiner Elternzeit wieder Vollzeit arbeiten zu gehen. Gleichberechtigung, Emanzipation und so.

Ich wollte immer unabhängig sein, mein eigenes Geld verdienen, sodass sich mein Studium und meine Auslandsaufenthalte ‚lohnen würden‘. Ich war die Erste aus meiner Familie, die studiert hat. Ich wollte es meinen Eltern und natürlich mir selbst schon immer beweisen und dachte, mit ein wenig Biss und Durchhaltevermögen schaffe ich alles, was ich will. 

Einmal Psychiatrie und zurück

Gefangen in dem Hamsterrad des scheinbaren Erfolgs, dem Streben nach Anerkennung und Bestätigung im Außen, meiner vernachlässigten Ehe, dem Voll-Speed meines Lebens raste ich mit Tempo 300 auf eine Betonwand zu. Und Rumms. Es kam zum Crash.  

Insgesamt verbrachte ich zwei Wochen stationär in der Psychiatrie und acht Wochen in einer Tagesklinik und stelle rückblickend fest, dass es die beste Entscheidung meines Lebens war, mir dort Hilfe zu holen.

Die Patienten und auch die Ärzte in der Klinik waren unaufgeregt normal, viele hatten ähnliche Geschichten oder sogar Suizidversuche hinter sich. Ich hatte viel Zeit nachzudenken, zu weinen, für mich selbst Verständnis aufzubringen und mich zu sortieren.

„Ich schämte mich für die Depressionen“

Zugegeben, anfangs schämte ich mich sehr für meinen Aufenthalt und meine Diagnosen. Ich hatte meinem Mann und meiner Familie gesagt, dass niemand etwas erfahren darf. Als zu groß empfand ich das Stigma der Gesellschaft. 

Mittlerweile ist mein Aufenthalt in der Klinik ein Jahr her, ich war insgesamt elf Monate krankgeschrieben und arbeite wieder, aber in Teilzeit. Zwei Mal pro Woche war ich in Therapien, las etliche Bücher, begann Sport zu treiben – versuchte alles, damit diese scheiß Depression nicht wieder Oberhand gewinnen konnte.

Damit geht es mir mittlerweile soweit gut, aber gesund oder stabil bin ich noch lange nicht. Es braucht Zeit, dies musste ich schmerzlich lernen. 

Mutmacher: Holt euch Hilfe!

Liebe Lesende, falls dir einige Zeilen bekannt vorkommen sollten, lass dir gesagt sein – du bist nicht allein! Depressionen betreffen so viele Menschen und es wird Zeit, dass diese Krankheit gesellschaftlich akzeptiert wird und dass niemand sich mehr schämen muss.

Die Zeit ist reif für mehr Akzeptanz und Toleranz, mehr Empathie und Liebe zwischen den Menschen. Ich gehe nun offen mit meiner Diagnose um, nicht, weil ich Mitleid möchte, sondern weil ich weiß, dass das Thema Depressionen allgegenwärtig ist und dass meine Geschichte anderen Mut machen kann, sich ebenfalls Hilfe zu holen.

Es gibt einen Weg raus aus der Negativspirale und du musst diesen Weg nicht alleine gehen! Alles wird gut, immer.“

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12 comments

  1. Mich würde es sehr interessieren, was es heißt „nicht mehr zu können“. Wie genau äußerte sich bei Laura die Symptomatik?

  2. Toller Artikel und ich kann die Situation so nachfühlen. Und man muss den Weg doch alleine gehen.
    Wie kommt man raus aus dem Mumsterrad? Keine Zeit für Depression oder Burn-Out ist auch eine Lösung für das Dilemma.
    Ich sag meinem Mann aktuell ganz klar, dass wir keinen SEX haben weil das die EINZIGE freie Entscheidung ist, die ich in meinem Leben treffen kann.
    Nach 70% Teilzeitjob und 90% Haushalt und Versorgung von 2 Kindern und einem Mann mache ich gefühlt jeden Handgriff für jemand anderes…
    Da muss ich auch noch so 5-10 Jahre durch…
    Ich weiß ich bin nicht alleine, aber gesprochen im Umfeld wird darüber nicht!

    1. Keine Zeit für Burnout oder Depression ist völliger Schwachsinn, weil es unterstellt, es gäbe hier eine Wahl, die es aber gar nicht gibt.

        1. Ich bin depressiv und im Burnout, in die Psychiatrie möchte ich aber nicht… Was käme danach? Letztes Jahr ist meine Schwester gestorben, mein Mann und ich sind jetzt beide ohne Geschwister, die Eltern sind schon alt, wir hatten nie ein enges Verhältnis, soziale Kontakte, wenige. Ich bin irgendwie alleine mit meinen psychichen Problemen und leiden werden die Kinder! Seit 4 Jahren rufe ich bei Psychologen an, die keine Termine haben, auch nicht auf der Warteliste… mal sehen…
          Heute Morgen hatte ich einen schlimmen Streit mit meinem Mann bevor der 9jährige zur Schule los musste. Das Kind hat dann geweint und ich bin „schuld“ und heute nach der Schule muss ich mich entschuldigen und hoffe dass es dann wieder gut ist. Das schlechte Gewissen ist unerträglich und ich glaube einfach, dass meine Kinder mit einer anderen Mutter einen besseren Start ins Leben gehabt hätten. Meine Eltern waren die ersten Menschen in meinem Leben, die mich nicht mochten. Es ist einfach schwer, wenn man immer alleine ist…
          Ich mache für meine Jungs jetzt einfach mal so lange weiter, bis ich zusammen breche…

  3. schade, dass der Mutter scheinbar keine Alternative zwischen „stillen“ und „Flasche“ aufgezeigt wurde….. unsere Tochter ist als Frühchen zur Welt gekommen, anfangs wollte es mit dem Stillen noch nicht so klappen; doch die Kompetenten Schwestern zeigten uns das „Fingerfeeding“. Natürlich war das anfängliche Abpumpen lästig, aber mit dieser methode konnten wir eine Saugverwirrung vermeiden, nach ca. 3 Wochen konnte sie dann doch voll gestillt werden. Auch bei ihrer Schwester mit einer anderen Problematik hat uns die Fingerfeeding-Methode gerettet, bis ein vollständiges Stillen möglich war

  4. Deine Worte fühle ich so sehr. Ich war vor 3 Jahren an dem Punkt. Erst Tagesklinik, dann stationär, dann nochmal Tagesklinik. Insgesamt 9 Monate und danach bis heute ambulant in Therapie. Ich kämpfe noch täglich gegen die Depression und die dafür zugrunde liegenden Ursachen. Es war schwer zu akzeptieren das ich krank bin. Auch ich habe immer an allen Fronten gekämpft. Immer 100 Prozent. Immer allem gerecht werden wollen, dem Streben nach Anerkennung. Gesehen werden. Alles was mir als Kind nicht gegeben wurde. Ich wünsche dir für deinen weiteren Weg immer Mut und Kraft.

  5. Wow. Ja wo uns der leistungswahnsinn hintreibt. Ich habe meinen gut bezahlten Job gekündigt weil ich wusste es geht in die Richtung. Sehr sehr mutig Laura und das ist wahre Stärke. Zu seinen Grenzen zu stehen. Sich von dem Hamsterrad Wahnsinn zu emanzipieren und Entscheidungen für SICH zu treffen jenseits der alten antreiber und äußerer Bewertungen. Ich gratuliere Dir und wünsche Dir alles alles Gute.

  6. Vielen Dank für die offenen Worte. Auch ich hatte hier schon über meine Erfahrung mit Depressionen geschrieben. Aber es tut auf eine makabere Art gut, zu sehen, dass ich nicht der einzige bin/war. Das heißt aber auch, dass du es auch schaffen wirst. Für deine Familie und vor allem für dich. Tag für Tag einen Schritt weiter

  7. Ein sehr offener, sehr guter Bericht, danke! Besonders der letzte Satz, du musst den Weg nicht allein gehen ( aber du musst ihn überhaupt erstmal gehen). Ich hoffe, Laura hat ihre innere Mitte und ( nur) was sie braucht gefunden. Du “ musst“ nur Dir genügen und gut für Dich selbst sorgen. Freimachen von glitzernder perfekter Socialmedia- und Medienwelt mit falschen Bildern.

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