Still-Beratung: So findest du deinen Weg beim Thema Stillen

Stillen

Ihr Lieben, wie lange habt ihr eure Kinder gestillt? Oder: Habt ihr überhaupt gestillt? Tatsächlich war das Stillen ein großer AHA-Moment kurz nach der Geburt meines ersten Kindes. Ich hatte mir nie großartig darüber Gedanken gemacht, dachte: Baby wird geboren, ich lege es an, ich stille, fertig. Wie sensibel dieses Thema aber ist, wie oft man eine liebevolle Still-Beratung und Unterstützung bräuchte, wie viele Irrtümer immer noch in den Köpfen herum schwirren – das war mir gar nicht bewusst. Und genau hier setzen Anastasia und Tobias vom „TeamMuttermilch“ an. Sie wollen Frauen dabei unterstützen, ihren eigenen Still-Weg zu finden, der am besten zu ihnen und ihrem Baby passt. Wir haben mit ihnen über ihre Arbeit gesprochen.

Ihr Lieben, ihr beschäftigt euch beruflich mit dem Thema Stillen. Was
ist euer beruflicher Background?

Anastasia ist Kinderkrankenschwester und Stillberaterin, Tobias ist Kinderarzt. Wir haben uns ganz klassisch im Krankenhaus kennengelernt. Anastasia hat in ihrer Ausbildung viele Wöchnerinnen betreut und so ist zuerst bei ihr das Interesse an der Stillberatung aufgekommen. Das Thema ist auch im kinderärztlichen Kontext wichtig, findet aber viel zu wenig Beachtung.

Anastasia arbeitet jetzt freiberuflich als Stillberaterin in Hamburg (HIER mehr Infos dazu), Tobias ist vor allem im Medizinischen Kinderschutz tätig. Gemeinsam haben wir „TeamMuttermilch“ gegründet, ein kleines Projekt, um online möglichst leicht verständliche, lockere, aber doch professionelle Hilfe für Stillende anzubieten.

Stillen ist eigentlich etwas ganz natürliches, aber viele Mütter haben
Probleme mit dem Stillen. Was sind eurer Meinung größten „Anfänger-„Fehler?

Es gibt eine Reihe typischer Startprobleme, die wir nicht unbedingt als Fehler bezeichnen würden. Tatsächlich überrascht viele Frauen, dass das Stillen nach der Geburt kein Selbstläufer ist. Viele haben Schwierigkeiten, ihr Baby richtig anzulegen, wissen nicht, wie häufig es an die Brust möchte und geraten dabei früh in Stress. Da kommt es dann oft zu Schmerzen, der Sorge, zu wenig Milch zu haben und zum unnötigen Zufüttern. 

Der größte „Fehler“ in dem Zusammenhang ist, zu schnell aufzugeben. Wir erleben immer wieder eine große Trauer bei den Frauen, weil der eigene Körper vermeintlich nicht in der Lage ist, ein Baby mit ausreichend Milch zu versorgen.  Dabei ist das eine große Ausnahme. 

Eine Mama, gerade bei ihrem ersten Kind, sollte sich nicht verunsichern lassen (was manchmal extrem schwer ist), ihrem Körper vertrauen und sich oft helfen und zeigen lassen, wie das Anlegen am Besten funktioniert. 

Welche Stillbeziehung würdet ihr empfehlen?

Im Einklang mit der Empfehlung der WHO raten wir dazu, sechs Monate ausschließlich zu stillen, dann langsam die Beikost einzuführen, aber so lange weiter zu stillen, wie Mama und Baby es wollen. Häufig empfehlen die Kinderärzt*innen, schon nach vier Monaten die Beikost einzuführen, was bei einem gesunden Baby mit einer gesunden Mutter aber nicht nötig ist.

Leider wird die Beikosteinführung oft mit dem Abstillen gleichgesetzt, was aber nicht Hand in Hand gehen muss. Beikost bedeutet durchaus ein Stück Selbstständigkeit für ein Baby und es ist auch wichtig, nach spätestens sechs Monaten damit zu starten. Trotzdem wollen die meisten Kinder auch dann noch häufig und gerne an die Brust, was sie unbedingt auch dürfen.

Viele Frauen haben das Gefühl, dass sie praktisch nonstop stillen….

Was die Häufigkeit betrifft lautet der wichtigste Tipp: Nach Bedarf stillen, nicht nach Zeitplan. Oft heißt es, dass alle 3-4 Stunden Stillen reichen würde, das ist aber das absolute Minimum. Gerade in den ersten Tagen und Wochen kann das ultraanstrengend sein, weil manche Babys gefühlt 24 Stunden an der Brust wohnen wollen, selbst wenn sie gerade nicht trinken. 

Das verunsichert viele Frauen – stimmt irgendwas nicht mit meinem Kind, es lässt sich gar nicht ablegen? – ist aber fast immer normal. In den ersten Tagen wird die Grundlage für genügend Milch in der gesamten Stillzeit gelegt, das Baby sorgt mit seinem Stillbedürfnis ganz von allein dafür. Hier jetzt eine Flasche oder einen Schnuller anzubieten stört diesen natürlichen Vorgang. Wobei man sagen muss, dass auch wir bei unseren ersten zwei Kindern relativ früh einen Schnuller besorgt haben. Es kann wie gesagt sehr erschöpfend sein. Achten sollte man nur darauf, dass die Milchbildung bis dahin gut etabliert ist und das Stillen gut klappt. 

„Stillen ist Liebe“ – diesen Spruch kennen wir alle. „Nicht Stillen aber auch“, würde ich sagen. Ihr auch?

Wir würden eher sagen: Liebe kann auch stillen bedeuten, muss es aber nicht. Es geht uns nicht darum, eine Frau verurteilen zu wollen, die nicht stillen mag. Frauen – gerade Mütter – bekommen schon genug Kritik für alle möglichen Dinge vorgesetzt. Viele Ansprüche an die moderne Mama sind widersprüchlich und nicht erfüllbar. 

Andererseits ist es ein Fakt, dass die meisten Mamas durchaus stillen wollen. Und das liegt nicht ausschließlich an den Vorteilen, die das Stillen für Mutter und Kind hat, sondern oft auch einfach daran, dass es sich richtig anfühlt.

Und man weiß, nicht nur aus der Erfahrung mit vielen Müttern, sondern auch aus der Forschung, dass das Gefühl (vermeintlich) nicht stillen zu können, für viele Frauen als extrem negative Erfahrung empfunden wird. Uns geht es einerseits darum, werdenden Müttern (und Vätern) auf die Vorteile des Stillens hinzuweisen, sodass jede*r eine informierte Entscheidung dafür oder dagegen treffen kann. 

Noch wichtiger ist es aber, Frauen das Stillen zu ermöglichen, wenn sie es wollen. Denn viele stillen nicht oder deutlich kürzer, als sie es sich wünschen. Hier Hilfe und Tricks anzubieten – schon vor der Geburt, erst recht aber beim Auftreten von Problemen – ist unser Ziel. Dass stillende und nicht-stillende Mamas ihre Kinder genau gleich doll lieben, ist völlig klar.

Zurück zu eurer Unterstützung an Mütter. Wann wäre ein guter Zeitpunkt für eine Still-Beratung?

Die allermeisten Probleme beim Stillen entstehen schon in den ersten Tagen direkt nach der Geburt. Wir raten jeder werdenden Mama dazu, einen Stillvorbereitungskurs zu machen, genau wie es sinnvoll ist, einen Geburtsvorbereitungskurs zu besuchen. Hierbei lernt man, worauf es in den ersten Tagen ankommt, welche Schwierigkeiten auftreten können und wie man sie vermeidet oder eben löst.

Nach der Geburt ist es dann vor allem wichtig, schnell zu reagieren, wenn sich Probleme abzeichnen, zum Beispiel Schmerzen.  Hilfe kann die Pflege auf der Wochenbettstation bieten (die allerdings oft unter großem Zeitdruck steht und insgesamt leider oft zu schnell das Zufüttern empfiehlt), das kann die eigene Hebamme sein, oder eben eine Stillberaterin. So eine Beratung passiert idealerweise im Hausbesuch, oder aber im Rahmen einer Online-Stillberatung, wobei die sich nicht bei jedem Problem eignet. 

Klassischerweise berät die Nachsorge-Hebamme zum Thema Stillen. Was könnt ihr leisten, was in der Nachsorge nicht abgedeckt werden kann?

Vielleicht erklärt es der Vergleich mit einer Kinderärztin ganz gut: Eine Kinderärztin in der Praxis ist ja sowas wie eine Allgemeinärztin für Erwachsene. Sie kennt sich mit jedem Thema aus und ist für den allergrößten Teil der dort auftretenden Fälle super ausgebildet. Und trotzdem gibt es auch in der Kindermedizin viele weitere Spezialisierungen: Herz-Kinderärzte, Nieren-Spezialistinnen, Kinderärztinnen für die Lunge, den Darm, usw.

So ähnlich ist es bei Hebammen und dem Stillen: Hebammen haben ein sehr breites Wissen, sowohl für die Zeit vor, als auch für die Zeit nach der Geburt und sowohl was die Mama, als auch was das Baby betrifft. 

Das Stillen ist nur ein relativ kleiner Teil der Hebammen-Ausbildung und die meisten Hebammen beherrschen hier die wichtigen Tricks und Krankheitsbilder. Nicht viele kennen sich aber gut genug aus, wenn es weiter „in die Tiefe“ geht, oder wenn durch verschiedene Probleme das ausschließliche Stillen „bedroht“ ist.

Und da kommt eben die spezialisierte Stillberatung ins Spiel: Es ist einfach ein kleines Fach für sich, das Expert*innenwissen und tiefgehende Kenntnisse verlangt. Immerhin gibt es auch eine weltweit agierende Ärzt*innengesellschaft, die sich auf das Stillen und die Stillforschung spezialisiert hat.

Wie genau sieht eure Beratung aus?

Der eigentliche Teil unserer Arbeit als „TeamMuttermilch“ läuft über Blogartikel, sowie über Bild-, Video- und Textinfos bei Instagram und zunehmend auch auf Youtube. Damit lässt sich zwar kein Einzelfall umfassend abdecken, aber wir glauben durch tiefgehende und locker vermittelte Infos vielen Frauen helfen zu können.

Die persönliche Stillberatung macht bei uns ausschließlich Anastasia, entweder per Hausbesuch, oder eben Online per Video. Normalerweise beinhaltet das eine ausführliche Erhebung der Vorgeschichte, sowie eine Untersuchung von Mutter und Kind und dann individuell angepasste Empfehlungen.

Gibt es eine Geschichte, die euch ganz besonders berührt hat?

Eine sehr gute Freundin von uns hat neulich nach einer anstrengenden Schwangerschaft ihr erstes Kind geboren. Normale Geburt, gesundes Kind – alles super. 

Das Kind ging viel an die Brust, wollte viel kuscheln, also auch alles normal. Am dritten Lebenstag hatte es dann relativ viel Gewicht verloren – aber noch absolut im normalen Rahmen – und obwohl der Milcheinschuss sich völlig zeitgerecht ankündigte, wurde ihr (entgegen medizinischen Standards) zum Zufüttern geraten, was sie dann auch tat. 

Ihr wurde Angst gemacht, ihr Kind würde schwer krank werden, verhungern, wenn sie jetzt nicht die Flasche gäbe. Dabei bestand überhaupt kein Grund dazu. Unsere Freundin hat uns dann eine Sprachnachricht geschickt mit den Worten „Ich glaube meine Stillkarriere ist hier schon beendet“. Sie klang unglaublich traurig dabei.

Nun konnten wir sie zum Glück beruhigen und ihr versichern, dass das nicht das Ende der Stillzeit bedeuten muss. Aber diese Trauer oder vielleicht sogar Verzweiflung spüren tausende von Frauen jedes Jahr in Deutschland – das ist das, was uns eigentlich antreibt. Den Frauen könnte mit besseren Strukturen und stärker ausgebildetem Personal Mut gemacht und zu einer langen und glücklichen Stillzeit – die sich sehr viele Mamas wünschen – verholfen werden.

Mit welchem Gefühl möchtet ihr die Mamas aus euren Beratungen entlassen?

Mit einem positiven natürlich 😊  Bei einer persönlichen Stillberatung geht es gar nicht immer darum dafür zu sorgen, dass jede Mutter sechs Monate ausschließlich stillen muss. 

Manchmal reichen auch kleine Erfolge, zum Beispiel, dass das Baby wenigstens ab und zu an die Brust geht und sonst abgepumpte Milch statt künstlicher Nahrung bekommt. Man muss da auch nach der Lebensrealität schauen, wo sich eben nicht immer alles um das Stillen dieses einen Kindes dreht, sondern zum Beispiel auch noch der Job, weitere Kinder und das eigene Wohlbefinden balanciert werden müssen.

Insgesamt freut sich Anastasia besonders dann, wenn Frauen lernen, ihrem Körper, aber auch ihren Gefühlen oder ihrer Intuition wieder mehr Vertrauen zu schenken und das Stillen tatsächlich wieder natürlicher und weniger als Last empfunden werden kann. 

Ana
Wer noch mehr über Anastasia und Tobias erfahren möchte: https://teammuttermilch.de

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