Ich hätte so gern gestillt, aber mein Baby möchte die Flasche!

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Liebe Tanja, erstmal herzlichen Glückwunsch zu deinem dritten Kind, das vor Kurzem zur Welt kam. Erzähl mal, wer sonst noch zu deiner Familie gehört. 

Zu meiner Familie gehören mein Mann Karl, 33 Jahre alt, im Qualitätsmanagement tätig. Ich, Tanja, 31, Krankenschwester in Elternzeit. Unser Sohn Moritz, 5 Jahre, unser Sohn Maximilian, 2 Jahre und unsere Tochter Marlene, die am 2.10. geboren ist. Wir kommen aus der schönen Oberpfalz in Bayern.

Deine beiden Großen hast du gerne und lang gestillt, richtig? 

Genau, meine beiden Jungs hab ich gerne und lange gestillt. Moritz insgesamt 18 Monate, dann wollte er von jetzt auf gleich nicht mehr. Das war ein trauriger Moment, aber ich war unglaublich stolz, weil er es selbst für sich so entschieden hatte und es ohne Tränen ablief.

Maximilian hab ich bis Februar/März dieses Jahres noch gestillt. Da war er ca. 22 Monate alt und ich schon wieder schwanger. Und da ging meine Milch langsam zurück und irgendwann war nichts mehr da. Und es war ok für ihn. Stillen war für mich immer etwas ganz Inniges und besonders. Kuschelzeit, Trost, Beruhigung, Einschlafhilfe. Und einfach mega praktisch. Immer und überall verfügbar, gesund, kindgerecht.

Doch deine Tochter hatte andere Pläne. Erzähl mal, wie das Stillen bei ihr ablief…

Meine Tochter hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie kam schon unersättlich zur Welt, hat im Kreißsaal 1 1/2 Stunden zwischen links und rechts gewechselt und war dennoch nicht satt und unzufrieden. Sie hat bis abends nur gestillt und gestillt, ständig hungrig. Dann hat sie Fruchtwasser erbrochen und ich sollte sie 2-3 Stunden nicht stillen und ab da ging es los.

Sie schrie hysterisch an der Brust, hat gesaugt, wieder ausgespuckt, geweint, angedockt, wieder ausgespuckt und immer so weiter. Die ganze Nacht. Vormittags das selbe Spiel und ab da wurde ich pausenlos von einer Stillberaterin betreut. Wir haben mit allen möglichen Tricks versucht, das kleine Mädchen an die Brust zu kriegen, erfolglos. Irgendwann hat sie gar nicht mehr gepinkelt.

Nachdem schon 15 Stunden nichts mehr ausgeschieden und auch nichts mehr getrunken hatte, hab ich ihr aus Angst und Sorge Pre-Nahrung gegeben. Und sie hat die Flasche in kürzester Zeit geleert und um mehr gebettelt. Und dann war sie zufrieden, satt und hat friedlich geschlummert. Das Anlegen zwei Stunden später ging wieder in ein Chaos über.

Nach zwei Stunden Kampf hab ich wieder aufgegeben, mein Mädchen hat Pre getrunken und alles war wieder gut. Und so wuchs in mir der Gedanke, dass sie vielleicht kein Stillbaby sein möchte.

Was hast Du im Krankenhaus alles probiert, damit das Stillen doch noch klappt?

Wir haben echt mit allen Tricksereien versucht, mein Baby zum Stillen zu bewegen. Ausstreichen und in den Mund träufeln lassen, verschiedene Haltungen, Stillhütchen, Pre mit einer Spritze auf die Brustwarze zu geben während sie saugt. Sie wurde von einem Kinderarzt untersucht, zwecks Zungenbändchen, es war sogar eine Kinderostheopathin da. Aber sie wollte einfach nicht.

Wie ging es Dir damit, als Du beschlossen hast, dass das Baby nun die Flasche bekommt?

Der Entschluss, ihr die Flasche zu geben, fiel mir anfangs leicht, da ich sie nicht mehr leiden sehen konnte. Sie hatte so schlimm Hunger, hat ständig an allem gesaugt, nur nicht an meiner Brust. Sie dann zu sehen, wie zufrieden und satt sie war, als sie die Pre-Nahrung bekommen hatte, das war eine Erleichterung. Als die Windeln endlich nass waren, das war beruhigend.

Der Schmerz kam erst später. Zu wissen, dass wir nie stillend einschlafen werden, die Vorstellung, dass uns diese Körper-zu-Körper-Momente verwehrt bleiben werden, das trifft mich erst jetzt so richtig. Seit unserer Entlassung überkommt es mich täglich mehrmals und ich weine bitterlich.

Es tut unglaublich weh und ich mache mir Vorwürfe, dass ich etwas falsch gemacht hab und ich uns diese Möglichkeit irgendwie genommen habe. Dann seh ich aber "wie viel" sie trinkt und versuche es mir damit zu erklären, dass ihr die Menge an Milch, die anfangs zur Verfügung steht, hinten und vorne nicht gereicht hat.

Sie ist 6 Tage alt und trinkt alle 1-3 Stunden 70-90ml. Sie hat ständig Hunger. Und dann rede ich mir ein, dass das vielleicht der Grund war. Ich komm wirklich nur schwer damit zurecht, dass es nicht funktioniert hat.

Hat dein Umfeld verstanden, warum du so traurig darüber bist?

Mein Umfeld reagiert unterschiedlich. Stillende Mamas verstehen mich, Flaschenmamas nicht. Mein Mann kümmert sich rührend um mich und redet mir gut zu, das hilft mir ungemein.

Über das Stillen wird ja immer wieder viel diskutiert. Wie empfindest du die ganze Debatte um Stillen und Nicht-Stillen?

Die Debatte ums Stillen und Nicht-Stillen finde ich schon immer furchtbar dämlich, weil es einfach jedem selber überlassen ist, wie er sein Baby ernähren möchte. Diese Anfeindungen unter Müttern ist eine Katastrophe. Und gerade jetzt, trifft mich sowas mit der vollen Breitseite.

Man liest so oft von Müttern, dass sie gern gestillt hätten, es aber nicht geklappt hat. Und dann wird kommentiert, dass es sowas gar nicht gibt und es wird einem unterschwellig unterstellt, man hätte sich einfach nicht genug Mühe gegeben.

Grundsätzlich glaube ich, dass jede Mama für ihr Kind das Beste will und wenn eine Mama die Flasche geben möchte und die andere ihren 4-jährigen Sohn noch stillt, dann hat man das zu akzeptieren. Denn wohlfühlen müssen sich nur die betroffenen Personen und sonst niemand.

Hast du nun deinen Frieden mit dem Nicht-Stillen geschlossen?

Den Frieden mit dem Nicht-Stillen hab ich nicht geschlossen und es wird wohl auch noch eine Weile dauern, bis ich das überwunden hab. Ich hab auch noch nicht aufgegeben und versuche immer noch sie anzulegen. Aber sie brüllt nur, saugt nicht, will nicht.

Ich füttere sie mit der Flasche, kuschle währenddessen mit ihr und versuche, aus dem Füttern ein tolles Erlebnis für uns zwei zu machen. Damit auch das etwas besonderes werden kann. Aber mein Herz sehnt sich zurück in den Kreißsaal, als sie zum ersten Mal gestillt hatte und ich niemals dachte, dass uns sowas mal passieren könnte.

 

 

 

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2 comments

  1. Ich verstehe dich so gut. Mein Sohn trank damals auch schlecht, obwohl er teilweise bis zu 40min angelegt war. Leider hat es 6 Wochen gedauert, bis eine Familienhebamme das rausfand. Danach haben wir auf Zwimilchernährung mit Abpumpen umgestellt. Also Milch abpumpen und mit Fläschen verfüttern und bei Bedarf mit Premilch aufstocken. Das war für mich unglaublich kräftezehrend, aber im Endeffekt genau das richtige für uns.

  2. Kopf hoch
    Liebe Tanja,

    ich habe mit meiner kleinen Maus (8 1/2 Monate alt) ähnliches durch. Da wir nach der Geburt jeweils auf der Intensivstation gelandet sind, hat sie gleich erstmal die Flasche bekommen und ich hatte durch die Medikamente, die ich bekam, erstmal so gut wie gar keine Milch. Als wir dann zu Hause waren, konnte sie mit meiner Brust gar nichts anfangen und hat auch nich daran gesaugt.

    Meine Hebamme meinte damals zu mir, wenn du stillen willst, musst du 6 Wochen durchhalten und es immer wieder probieren. Ich habe alle paar Tage mal das Anlegen versucht, was immer mit panischem Schreien quittiert wurde, aber genau als sie 3 Wochen alt war, dockte sie plötzlich an und mit 5 Wochen stillten wir voll.

    Also vielleicht hast du Glück und deine Maus ist einfach auch noch nicht so weit und es ändert sich noch. Und wenn nicht, dann ist das auch kein Beinbruch. Man kann auch wunderbar mit der Flasche Haut an Haut kuscheln und so kann der Mann auch mal kuscheln. 😉

    Geh nicht kaputt daran. Dein Baby liebt dich so oder so

    Alles Gute

    Jana

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