Liebe Silja, du hast Dein erstes Kind 3,5 Jahre gestillt. War das so geplant oder hat sich das ergeben?
Schon in der ersten Schwangerschaft war mir klar, dass ich gerne mindestens ein Jahr, eher zwei Jahre stillen möchte, so wie es die WHO empfiehlt. Mein Mann hat schwere Neurodermitis und Heuschnupfen und auch noch viele Lebensmittelallergien, daher wollte ich meinen Kindern so viel Muttermilch wie möglich geben. Ich weiß, dass Stillen nicht alles verhindern kann, aber ich wollte mir zumindest in der Hinsicht nicht nachher was vorwerfen. Ich wusste natürlich vorher nicht, ob der Plan wirklich aufgeht und mein Kind bei der Sache auch mitmacht, aber ich wollte es zumindest versuchen. Hätte sich mein Sohn vorher von alleine abgestillt, wäre das für mich auch in Ordnung gewesen. Auch später habe ich mir gewünscht, er würde den Zeitpunkt des Abstillens selbst bestimmen, aber so wie ich ihn kenne, würde er dann noch heute, mit fast 5, stillen, denn er liebte seine „Bubu“.
Wie hast du die Stillzeit empfunden? Was ist das besondere für Dich am stillen?
Die 3,5 Jahre waren voller Höhen und Tiefen. Die ersten zwei Jahre waren überwiegend sehr schön. Voll gestillt wurde er ca. 6 Monate, dann begann er mit (sehr wenig) Beikost. Muttermilch war für ihn bis ca. 18 Monate das Hauptnahrungsmittel. Erst dann fing er an, „richtig“ zu essen, dann reduzierte sich die Stillfrequenz und er trank nur noch morgens, abends und nachts ab und zu.
Als er etwa 20 Monate alt war, wurde ich mit unserem zweiten Kind schwanger und die Milch wurde rasch weniger, sodass er sich dann schnell selbst nachts abstillte und bis zur Geburt nur noch zum Einschlafen trank. Das war für mich so in Ordnung, ich genoss die Nähe, die wir so hatten und ich merkte, dass auch mein Sohn es sehr genoss und auch brauchte. Auch zum Trost war die Brust immer gut zu haben. Ein Allheilmittel bei uns, besser als jede Creme oder Globuli.
Nach der Geburt seiner Schwester veränderte sich unsere Stillbeziehung wieder und ich war nicht immer ganz glücklich damit. Die Milch floss wieder und er forderte wieder sehr viel mehr Brust, auch tagsüber und unterwegs. Dies empfand ich manchmal als sehr anstrengend, vor allem, weil er ein „Nein“ nur sehr schlecht akzeptierte. Andererseits war es auch wunderschön, beide Kinder abends in den Schlaf zu stillen, die Blicke, die sich die beiden zuwarfen und beim Stillen Händchen hielten. Das sind Momente, die werde ich nie vergessen und sind wertvolle Erinnerungen.
Die innige Beziehung, die Nähe, das Wissen um die Besonderheit der Muttermilch, aber auch ganz praktische Aspekte (kein Aufstehen in der Nacht, schnelles Einschlafstillen abends, Milch immer und überall dabei) machen für mich vor allem das Stillen aus.
Wie lief dann das Abstilen?
In diesem Jahr Tandemstillen startete ich einige halbherzige Abstillversuche, aber da ich nie 100% überzeugt war, fingen wir spätestens nach 3-4 Tagen wieder mit dem Stillen an.
Es klappte erst, als er dann zum Ende hin plötzlich wieder anfing, nachts die Brust einzufordern. Dies wollte ich auf keinen Fall nochmal anfangen und nach einigen Nächten mit wütendem Kind war für mich der Zeitpunkt zum abstillen gekommen. Diesmal war ich mir der Sache sehr sicher, ich besprach dies mit meinem Sohn. Wir stillten noch ein letztes Mal, das war zwar sehr traurig für uns beide, aber als ich dann merkte, dass es dann wirklich klappte, überwog die Erleichterung. Denn diesmal war es auch für meinen Sohn klar, dass es kein Zurück mehr gibt. Schon in der ersten Nacht gab es kein Geschrei mehr und er fragte nicht mehr ernsthaft nach der Brust.
Wenn eine Frau lange stillt, ist sie eine Glucke. Wenn sie gar nicht stillt, eine Rabenmutter. Was glaubst Du, wäre die ideale Stilldauer für alle Nörgler da draußen.
Stillen ist halt etwas höchst persönliches und intimes, da sollte man niemanden reinreden, ob jemand stillt oder nicht, ob zu kurz oder lang.
Wenn ich das nun aber benennen muss, fände ich es ideal, wenn zumindest 5-6 Monate voll gestillt wird und dann noch ein paar Monate parallel zur Beikost, während neue Lebensmittel eingeführt werden, da dies ja auch der Allergieprophylaxe dient.
Hattest du das Gefühl, Dich für die lange Stillzeit rechtfertigen zu müssen?
Nein, nie. Ich habe es aber auch nicht allen erzählt und wir haben auch irgendwann nicht mehr in der Öffentlichkeit gestillt. Wenn es aber doch mal zur Sprache kam, kamen meist überraschte aber auch viele positive Kommentare. Ich kann mich an nichts negatives erinnern. Aber vor allem „outeten“ sich dann auch einige andere Mütter, länger als ein Jahr gestillt zu haben. Da entwickelte sich dann immer ein schöner, offener Austausch.
Gab es auch mal richtig doofe Kommentare?
Zum Glück nicht.
Wo hast du Unterstützung gefunden, deinen Still-Weg weiterzugehen?
Vor allem im Internet in Stillforen. Dort gibt es viele Langzeitstillmütter und in dieser „Welt“ ist es etwas ganz normales.
Hatte dein Partner je ein Problem mit der langen Stillzeit?
Nein, er hat uns immer unterstützt. Sicherlich nervten ihn zum Schluss auch die Wutanfälle bei einem „Nein“, aber er hat nie von uns verlangt, aufzuhören. Dafür bin ich ihm auch sehr dankbar.
Dein zweites Kind hast du dann „nur“ 20 Monate gestillt: Warum?
Auch bei meiner Tochter hatte ich mir eigentlich mindestens zwei Jahre stillen vorgenommen. Es hätte sicherlich auch geklappt, wäre ich dann nicht überraschend ein drittes Mal schwanger geworden. Diesmal stand für mich fest, dass ich nicht noch einmal Tandemstillen möchte. Ich wollte also auf jeden Fall im Laufe der Schwangerschaft abstillen, mit noch etwas Abstand zur Geburt.
Letztendlich ging es dann aber ganz schnell, da ich in der 13.Woche schon Kontraktionen bekam, die auch gehäuft beim Stillen auftraten. Da habe ich dann aus Sorge quasi von jetzt auf gleich abgestillt und das war für meine Tochter glücklicherweise gar kein Problem. Sie fragte ca. 2 Tage noch nach der Brust, danach war das Thema für sie durch. Ich finde es im Nachhinein nur traurig, dass es kein bewusstes „letztes Mal“ gab.
Was möchtest Du allen Müttern im Bezug aufs Stillen mitgeben?
Viele Frauen hören ja schon sehr schnell nach der Geburt auf, weil es nicht klappt, die Milch nicht gut läuft, etc. Zu diesem Zeitpunkt ist es sicherlich ganz wichtig, Hilfe von einer Hebamme oder Stillberaterin zu holen. Denn auch wenn die ersten Wochen manchmal schwierig sind und keinen Spaß machen, sich alles erst einpendeln muss: wenn es läuft, ist es meistens schön und unkompliziert.
Danach sollte man vor allem auf sein Bauchgefühl hören und sich von niemanden reinreden lassen, egal in welche Richtung.
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Auch wenn es aus dem Archiv ist,
hat mir das Interview gerade ziemlich gut getan. Ich stille meine Tochter, 22 Monate, noch zum Einschlafen, nachts, manchmal morgens. Mein größerer Sohn hat sich mit 15 Monaten selbst abgestillt. Ich dachte, dass es bei der Kleinen sicher ähnlich laufen würde. Eigentlich stille ich sie sehr gerne, obwohl ich früher eigentlich kein großer Freund des Langzeitstillens war. Jedoch mache ich es seit Monaten eher heimlich, weil ich häufiger doofe Kommentare, irritierte Blicke und auch Missbilligung seitens der Schwiegermutter erfahren habe. Total doof.