Generationenkonflikt: „Bei meinem Kind mache ich das aber anders“

Generationenkonflikt

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Ihr Lieben, ich glaube, wir kennen das doch alle, wenn wir auf Kommentare der eigenen Mama oder der Schwiegermutter aus der Haut fahren könnten – und einfach viel emotionaler reagieren könnten als wir das jemand anderes gegenüber tun würden. Was triggert uns da so? Und wieso?

Ein Beispielsatz gefällig? „Das Kind hat doch bestimmt Hunger.“ Das ist eigentlich ein Satz, den wir neutral lesen könnten. Kein Vorwurf. Einfach eine Feststellung. Trotzdem könnten wir ausrasten, wenn dieser Satz von der Mutter oder Schwiegermutter fällt, nachdem wir grad gestillt haben und das Kind schreit.

Der Lärm versetzt uns eh schon in einen Stresspegel und wir beißen auf die Zähne und murmeln ein: „Neiiiiiiiiin, das Kind hat bestimmt keinen Hunger“ und denken ein „Meinst du im Ernst, es besser wissen zu können als ich als Mama?“ hinterher.

Anna Hofer
Familiencoach, Stillberaterin, Autorin: Anna Hofer. Foto: Sandra Hilberath

Nehmt Neumamas ernst!

Wir fühlen uns in unserer Unsicherheit als Neumama in unserem Bestreben, mit unserem Kind, dem wertvollsten Schatz der Welt, alles richtig machen zu wollen. Wir fühlen uns nicht ernstgenommen, unsere Kompetenz nicht anerkannt. Und dabei spricht aus der Mama oder Schwiegermutter in diesem Moment vielleicht einfach selbst die Unsicherheit.

Vielleicht ist der Satz nur als Nachfrage gemeint, als Helfen, als Unterstützen, als: Ich möchte, dass du nicht weiter leiden musst, weil dein Kind weint. (Ich spüre quasi durch die Zeilen, wie einige die Faust in der Hosentasche ballen…, aber es wäre zumindest denkbar, wenn wir halbwegs neutral auf die Situation schauen, oder?).

„Bei meinem Kind mache ich das anders“

Vielleicht wurde der Satz aber auch aus der eigenen Vergangenheit „geboren“, weil in den 70ern viele Frauen nicht stillten, das war ein Trend damals. Und weil die Oma durch ihre eigene Prägung nicht ganz so viel Vertrauen in das Sattmachen von Muttermilch hat. Ihr seht schon, das Thema ist unglaublich komplex und kommt in fast allen Familien vor!

Und genau deswegen haben sich Karin Bergstermann und Familiencoach Anna Hofer hingesetzt und ein Buch geschrieben. Es heißt „Bei meinem Kind mache ich das anders – Mit den (Schwieger)Eltern über Erziehung sprechen und den eigenen Weg gehen.“

Die größten Herausforderungen für moderne Eltern

Karin ist Expertin in der Geschichte der Säuglingspflege und Generationenkonflikten, außerdem Stillberaterin. Auch Anna berät Stillende und hat dazu noch eine eigene Praxis als Familiencoachin. Und weil das Thema ihres Buches so spannend ist, habe ich mich mit Anna Hofer in einem Café in Köln getroffen – zusammen mit Inke Hummel, die uns quasi verkuppelt hat (danke!).

Inke durfte das Buch schon vorab lesen und sagt darüber: „Glaubenssätze und Kritik aus dem Umfeld sind die Herausforderungen, auf die moderne Eltern am häufigsten stoßen, wenn sie versuchen zu ergründen, was es ihnen schwermacht, ihrem eigenen Kind zugewandt zu begegnen. Karin und Anna geben mit ihrem Buch eine großartige Begleitung und schenken Familien mehr Sicherheit und Frieden. Bindungsträume sollten immer alle Generationen umfassen – das schaffen die Autorinnen hier.“

Inke Hummel
Anna Hofer, Inke Hummel und ich, Lisa Harmann

„Das hat euch doch auch nicht geschadet.“

„Das hat euch doch auch nicht geschadet.“ Wer hat solche Sätze nicht auch schon mal gehört. „Dabei geht es gar nicht um Schaden“, sagt Anna. Das sei gar nicht das Thema. Vielmehr sieht sie hier eine Verschiebung der Rollenverhältnisse – und die ruckelt eben auch mal.

Die eigene Mama wird durch die Geburt des Enkelkindes ja auch in gewisser Weise entthront. Sie gibt Einfluss ab, das Kind hat nun eine eigene Familie, geht Dinge anders an, jemand anders entscheidet für das Baby. Das führt bei der älteren Generation eben auch oftmals zum eigenen Hinterfragen.

„Muss das denn alles sein?“

„Wir haben ja damals nicht so ein Tohuwabohu um die Kinder gemacht“ muss nicht, kann aber auch heißen: Hätte ich auch etwas anders machen müssen? „Dabei soll unser eigener, vielleicht anderer Erziehungsstil ja kein Angriff sein“, sagt Anna. Die Angst, es falsch zu machen, schlummert in uns allen. Wir wollen es alle gut machen mit dem Kind, nach bestem Wissen und heute fließen eben auch neuere Erkenntnisse in die Begleitung unserer Kinder mit ein.

Bei den Großeltern kommt zum Teil auch ein Rosarotfärben der Vergangenheit hinzu. Wir kennen es von uns selbst, am Ende erinnern wir uns meist nicht an die wochenlangen Partyvorbereitungen, sondern an die Euphorie auf der Tanzfläche. Und so geht es uns auch mit anderen Erinnerungen. „Also du hast ja immer gut gegessen.“ Oder „Du hast immer durchgeschlafen“ muss darum nicht heißen, dass immer alles gut war. Dass es nicht auch mal anstrengend war.

Eine hochgezogene Augenbraue, die verunsichert

Wenn wir über Sätze oder gar nur einzelne Worte oder Gesten verärgert oder verunsichert sind (Eine hochgezogene Augenbraue kann ja bisweilen dazu führen, dass wir uns plötzlich wieder wir mit 7 fühlen), dann geht es um viel mehr als um die Einzelsituation. Die Bindung zu den Eltern ist einfach eine essentielle. Es geht hier um eine Loslösung aus der eigenen Kindheit. Wir müssen erst einmal unseren eigenen Weg finden, das kann zu einer permanenten Rechtfertigungsschleife der vorigen Generation gegenüber werden. Denn die hat ja Erfahrung. Vielleicht hat sie ja auch Recht.

Und auch wir müssen Kommentare und Hinweise nicht immer als Kritik sehen, sondern vielleicht als Hilfestellung. Zumindest, wenn die Wertschätzung da ist, wenn beide Seiten bereit sein, sich die andere Sichtweise anzuhören. Das geht nicht in allen Fällen und manchmal ist es auch das Richtige, sich ganz zu lösen, wenn die Fronten zu den Großeltern zu sehr verhärten und es niemandem mehr guttut.

Wertschätzung und Begegnungen auf Augenhöhe

Aber bis dahin ist es ein langer Weg, an dem wir viele Abzweigungen nehmen können. Wertschätzend – Verstehst du meine Sichtweise? Wie war das bei euch damals? Toll, dass es jetzt anders läuft! Oh, zeig mal, das kannte ich noch gar nicht! Ach, so hab ich das noch nie gesehen, stimmt) Interessant! Danke, dass du deine Sicht mit mir teilst! – und auf Augenhöhe. Damit alle Seiten davon profitieren und die Bindung sowohl zur jüngeren als auch zur älteren Generation fest und verlässlich bleibt.

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6 comments

  1. Wir machen alles anders als unsere Eltern?

    Mein ältestes Kind, Pädagoge, hat mir Mal vorgeworfen, ich hätte in der Erziehung mit zu viel Druck gearbeitet, dabei muss man wissen, ich habe die Kinder alleine großgezogen, da der Vater früh verstarb, bin voll arbeiten gegangen.

    Ein Beispiel, erst wenn die Hausis gemacht sind, dürft ihr raus. Bevor nicht der Ranzen gerichtet ist, gibt es kein Fernsehen usw.
    Ich habe das nicht als Druck gesehen, sondern eher als Regel.

    Vor ein paar Wochen durfte ich nun miterleben, wie genau dieses Kind mit „Druck“ am eigenen Kind arbeitete.
    Ich musste grinsen und habe mein Kind darauf angesprochen, wie das denn mit dem Druck sei.

    Entschuldigend schaute mich mein Kind an und meinte, ja seit es selber ein Kind habe, weiß es, es geht oft nicht anders, denn sonst würde es uns der Enkel mit dem gleichen Problem noch in 2 Stunden dastehen.

  2. Hola.
    Alls meine Tochter 5 Jahre und 6Monaten jung /alt war, habe sie gepackt, mich scheiden lassen, weil ihre Mutter keine zweites Kind mehr haben wollte. (nicht weil Sohn sein muß). Ich habe in Wechswlschicht gearbeitet / Früh-Spät. Die 3 Wintermonaten kam Oma, auf Sie zuaufpassen von 1-te bis 4-Klasse.
    Tochter sollte nur für Schule lernen, keine Wohnung, nicht mal ihr Zimmera ufreumen, abgesehen Essen kochen oder Wäsche waschen. Am 19-ten Geburtstag ist sie Ausgezogen.
    ===========————======
    Fortsetzung kommt!

  3. In meiner Kindheit gab es viele Regeln, meine Kinder kennen unsere Familienregeln, dürfen aber auch ganz viel ausprobieren.
    Ich war überrascht festzustellen, wie streng meine Mutter auch als Oma ist. Habe aber schnell bemerkt, dass dies nicht passiert, weil sie streng sein will, sondern weil sie nichts falsch machen will, verhindern will, dass die Enkel sich verletzen etc. Wir trauen unseren Kindern mehr zu, können sie aber auch besser einschätzen. Da ist mir eine sorgende Oma lieber als eine nachlässige. Und die Kinder verbringen sehr gerne Zeit mit ihr.
    Meine Schwiegermutter war völlig perplex, als ich gestillt habe. Erst sah ich das auch als Angriff, bis ich bemerkte, dass sie selbst dreimal nicht stillen „konnte“ und bisher dachte dies sei nach Kaiserschnitt schlicht nicht möglich. Sie wollte mich nie kritisieren, sondern hatte Respekt vor mir.
    Es kommt also einerseits auf die Motive an, warum sich Großeltern so verhalten wie sie es tun oder etwas sagen. Andererseits aber auch darauf was wir unterstellen, was mit dem Verhalten/dem Gesagten gemeint ist.

    Ich möchte euch Mut machen nachzufragen. Für mich sind so gute Gespräche entstanden, die zu beiderseitigem Respekt und Verständnis beigetragen haben.
    Und wenn dies nicht geschieht, kann auch der Spruch „ins eine Ohr rein, aus dem anderen wieder raus“ helfen, sich vorzunehmen einmal durchzuatmen statt sich aufzuregen, denn das führt zu gar nichts.

  4. Ich habe eher die Erfahrung gemacht das ich auch anders, gelassener damit umgehe. Es ändert sich ja die gesamte Familiensituation ( ich werde Mutter bin immer noch aber weniger Kind), für meine Eltern rückt das Enkelkind vor und das große Kind nach hinten. Ich habe diese Veränderungen eher belustigt und bewusst wahr genommen. Und muss auf Kommentare garnicht reagieren ich bin mir meiner doch sicher. Ich habe nur einmal klar angesprochen was nicht geht ( Klapse, jegliche “ Gewalt“) und die Konsequenzen und ansonsten bin ich da entspannt. Mein Sohn und ich sind eng das heißt er spricht auch mit mir über alles offen, wenn Probleme auftauchen sollten. Und als Großeltern sind Eltern meist ganz anders, auch das Verhalten im Vergleich zu unserer Kindheit hat sich gewandelt bzw komplett gedreht teilweise. Also habt Vertrauen.

    1. Super Kommentar!
      Ich denke auch, dass – nicht alle-aber viele Konflikte entstehen, weil sich die jungen Eltern noch nicht abgenabelt haben, nicht in sich selbst ruhen.
      Sonst müsste Kritik, die vielleicht noch nicht einmal als solche gemeint ist sondern einfach nur Teilhaber oder Kommunikation sein soll, nicht so negativ aufgenommen werden.
      Sie könnte einfach abprallen.

      Gleichzeitig wünsche ich mir, dass unsere Generation im Großelternalter den Wandel besser vertragen kann. Dass wir nicht denken, wenn die Jungen etwas anders machen, verurteilen sie unsere Werte und alles, was wir mit Mühe gegeben haben, landet in der Tonne.
      Jede Zeit hat ihren Zeitgeist, ihre Erziehungsmethoden.
      Das Bedürfnis ein Richtig und ein Falsch voneinander abzugrenzen, ist oft dazu da, die eigene Unsicherheit abzufedern.

      1. Danke. Und es ist doch normal das Kommentare auf der empfindlichen Beziehungsebene ankommen. Meine Eltern sind ja weiterhin genau das und ich bleibe ihr Kind. Diese Beziehung verschwindet ja nicht weil ein Enkel dazu kommt. Genauso kommen ja auch unsere Aussagen bei den Eltern an, das ist doch nicht einseitig. Und das Thema nicht alles kontrollieren wollen und auf jede Bemerkung überreagieren sollte man spätestens beim eigenen Kind in den Griff bekommen haben.

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