In vielen Ländern trifft Corona die Frauen und Mädchen am schlimmsten – so könnt Ihr helfen

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Ihr Lieben, Corona haut uns doch alle ganz schön um. Wir alle sind damit beschäftigt, mit den neuen Umständen klar zu kommen. Dabei ist es immer wieder wichtig, sich klar zu machen, dass wir hier in Deutschland sehr privilegiert leben. Millionen Menschen geht es nicht so gut wie uns. Heute stellen wir Euch Felicias vor, die Mütter in ärmeren Ländern in der Corona-Krise helfen will.

Liebe Felicitas, beschreib doch mal in wenigen Sätzen deine Charity URIDU.

Die gemeinnützige Organisation URIDU haben mein Mann und ich 2016 offiziell gegründet – die Idee zu dem Projekt ist aber schon etwas älter. URIDU ist ein arabisches Wort und bedeutet „ich will“. Dass es gerade dieser Name wurde, hat damit zu tun, dass wir unsere ersten Projektschritte in Marokko unternommen haben. Ausgangspunkt für unser Engagement war die Erkenntnis, dass alle 6 Sekunden auf unserer Welt ein Kind noch vor seinem fünften Geburtstag stirbt.

Noch schlimmer: die meisten dieser Todesfälle wären leicht vermeidbar. Millionen von Leben könnten gerettet werden, indem man Müttern, die weder lesen noch schreiben können, ganz einfaches Basiswissen zum Thema Gesundheit vermittelt: in ihrer Muttersprache, zum Anhören. Deswegen tragen wir bei URIDU Hunderte einfache, aber lebenswichtige Fragen und Antworten zu Themen wie Gesundheit, Ernährung, Familienplanung, Kinderpflege und vielen anderen zusammen, übersetzen sie mit Hilfe von Tausenden Freiwilligen weltweit in so viele Sprachen wie möglich und lassen sie dann von Muttersprachlerinnen als Audio einsprechen. Dann stellen wir sie den Frauen kostenlos zur Verfügung. In sehr abgelegenen Regionen ohne Zugang zu Elektrizität nutzen wir dafür robuste, solarbetriebene Audioplayer. In Regionen, in denen es Strom und Handys gibt, funktioniert das Ganze auch über eine App. Finanziert wird es über Spenden. Mehr dazu findet man zum Nachlesen unter www.uridu.de 

Du und dein Mann Marcel, ihr macht das komplett ehrenamtlich. Wovon lebt ihr?

Mein Mann arbeitet seit vier Jahren tatsächlich komplett ehrenamtlich und zu 100% an dem Projekt. Ich arbeite neben dem Projekt seit zwei Jahren auch noch wieder als Psychologin mit Klienten, halte Seminare und Vorträge oder schreibe Texte für Magazine und Zeitungskolumnen. Sonst wäre das Ganze nicht zu machen. Anfangs haben wir alles nur aus unseren privaten Rücklagen gestemmt, sowohl die Projektkosten als auch unseren eigenen Lebensunterhalt. Das funktionierte aber nur auf der Kurzstrecke; wir sind leider keine reichen Erben. Darum haben wir 2016 dann mit 25.000,- Euro unseres Privatvermögens die gGmbH gegründet, so dass wir als gemeinnützig anerkannt wurden und Spenden sammeln dürfen. Wir zahlen mir mittlerweile ein „Geschäftsführergehalt“ von 1000,- Euro brutto monatlich aus; dadurch sind mein Mann und ich immerhin krankenversichert und zahlen unsere Sozialabgaben. 2019 war das erste Jahr, das wir mit einer „schwarzen Null“ abschließen konnten, d. h. da haben die eingehenden Spenden erstmals tatsächlich für alle Projekte ausgereicht ohne dass wir privat drauflegen mussten. Eigentlich waren wir für 2020 deshalb optimistisch – aber durch Corona ist die Spendenwilligkeit der Menschen weltweit erst mal in die Knie gegangen. Alle Hilfsorganisationen stellen einen dramatischen Rückgang der Spendengelder fest, viele sind in ihrer Existenz bedroht.

Das klingt logisch. Zum ersten Mal seit den Weltkriegen wird es für die Deutschen auch richtig, richtig schwierig werden wirtschaftlich. Wir kämpfen gerade fast alle mit Kurzarbeit, Wertverlusten, Ungewissheit. Selbst Branchen, die als krisensicher galten, sind jetzt bedroht. Ist es in der Situation nicht sehr viel verlangt, dass wir uns trotzdem noch um Andere kümmern sollen?

Corona ist ein Stresstest für uns alle, ganz klar. Und klar auch, dass im ersten Reflex erst mal jeder an sich selbst denkt. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber: Stellen wir uns für einen Augenblick vor, wie Corona die Schwellen- und Entwicklungsländer erreicht. Dort trifft das Virus auf kaum vorhandene, schlecht ausgestattete Gesundheitsinfrastrukturen (ganz anders als hier bei uns). Auf durch hohe Umweltbelastungen, Unter- oder Mangelernährung ohnehin schon geschwächte menschliche Immunsysteme. Auf viele Menschen, die meist in Großfamilien, auf engstem Raum und oft sehr unhygienischen Umständen, zusammenleben. Eine Situation, die die Ausbreitung des Virus explosionsartig beschleunigen wird.

Ein unkontrollierter Corona-Ausbruch im globalen Süden hätte verheerende Auswirkungen. All die Probleme, mit denen wir momentan kämpfen, wären im Vergleich dazu winzig. Ungezählte Leben stünden auf dem Spiel. Ganze Länder könnten ins Chaos gestürzt werden – politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich. Hungersnöte, Unruhen und Bürgerkriege wären unvermeidlich. Millionen Tote weltweit wären die Folge. Und eine Flut verzweifelter Menschen auf der Flucht Richtung Norden, die natürlich auch das Virus zu uns zurückbrächten … 

Entwicklungsminister Gerd Müller hat das in einem SPIEGEL-Interview sehr schön so erklärt: „Corona ist ein globaler Weckruf zur Zusammenarbeit. Besiegen wir das Virus nicht weltweit, wird es auch bei uns in Deutschland, in Europa bleiben. Das muss jedem klar sein. Solidarität mit den anderen wird durch die Pandemie quasi zu unserem Eigeninteresse. Wir müssen die verbleibende Zeit nutzen, um auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern entsprechende Maßnahmen einzuleiten und diese Länder in ihrem Kampf gegen das Virus zu unterstützen, wo wir nur können.“ 

Gerade arbeitest du an einer Aktion, die auf Wissen durch WhatsApp zielt. Vor allem Frauen sollen lernen, sich und ihre Familien durch Hygiene und Abstand zu schützen. Wie genau funktioniert das?

Wissen über Symptome, Übertragungswege und Prävention von COVID-19 sind in dieser Situation von entscheidender Bedeutung. Eine effiziente und schnelle Lösung stellt hier die Verbreitung von Audioinhalten über WhatsApp in der jeweiligen Landessprache dar. Zum Glück haben auch im globalen Süden viele Frauen mittlerweile schon Handys; gerade in den dichter besiedelten, urbaneren Regionen. Natürlich keine Smartphones, wie wir sie kennen, oder gar iPhones. Die wären alle viel zu teuer und fressen auch zu viel Strom in Regionen, wo nicht überall jederzeit eine Steckdose greifbar und sowieso kaum Internet verfügbar ist. Aber so genannte Smart-Feature-Phones, die eine Art Kreuzung zwischen Smartphones und den früheren Feature-Phones darstellen. Mit denen funktioniert WhatsApp, und es wird zur Kommunikation auch sehr viel genutzt. Deswegen haben wir jetzt eine globale Corona-Informations-Kampagne per WhatsApp Audio gestartet. Das ist ein rund fünfminütiger, gesprochener Text mit den wichtigsten Infos zum Thema Corona und wie man sich davor schützt. Den haben wir momentan schon in 36 Sprachen zur Verfügung; innerhalb der nächsten Woche kommen noch mal 25 weitere Sprachen hinzu.

Warum eigentlich wendet ihr euch an Frauen und speziell Mütter? Man könnte das fast ärgerlich finden. Sie haben weniger Geld, keine Anerkennung, die am wenigsten gut bezahlten Jobs. Aber wenn es dann darum geht, lebenswichtige Situationen zu klären und ganze Gesellschaften zu tragen, dann sind sie gefragt. Noch dazu oft auch noch unbezahlt. Nach dem Motto „Schafft euch Wissen über Hygiene drauf und rettet damit alle“. Sollte man nicht andere Wege gehen und Männer genauso in die Pflicht nehmen?

Es ist nicht so, dass wir Männern verbieten wollten, unsere Inhalte anzuhören, ganz im Gegenteil! Corona wird aber am schlimmsten Frauen und Mädchen treffen, die sich in all diesen Ländern traditionell um Kinder, Alte und Pflegebedürftige kümmern. Das sind über Jahrhunderte oder Jahrtausende gewachsene gesellschaftliche Strukturen, die ändern wir jetzt nicht über Nacht (auch wenn wir das schrecklich gerne täten!). Gerade im Kampf gegen das Virus ist aber Zeit ein kritischer Faktor. Wir müssen schnell sein, wenn wir es stoppen wollen. Wir können nicht darauf warten, dass die Gesellschaft sich ändert. Wir müssen dort ansetzen, wo das größte Veränderungspotenzial begraben liegt – da, wo schon kleine Verbesserungen eine riesige Wirkung entfalten können. Und das sind Frauen, aus zwei Gründen: Sie sind diejenigen, die am meisten benachteiligt sind (und die damit am meisten von unserem Wissen profitieren können). Und sie sind weltweit diejenigen, die sich mit allen Kräften um ihre Familien kümmern.

Es gibt Studien aus diesen Ländern, die belegen, dass eine Frau, die Geld verdient, davon 95 % in ihre Familie investiert (also in ihre Kinder, deren Bildung, das gemeinsame Zuhause, die gesundheitliche Versorgung der Familie usw.). Bei einem Mann liegt dieser Anteil bei durchschnittlich 35 %. Das sagt etwas über das unterschiedliche Engagement und das Interesse von Männern und Frauen gegenüber dem Wohlergehen der Familie aus. Ganz pragmatisch zusammengefasst: Wir haben begrenzte Ressourcen zur Verfügung, deshalb setzen wir schlicht dort an, wo wir uns die größte Hebelwirkung versprechen.

Woher stammt das Know-how, das ihr verbreitet?

Das ist eine Kurzzusammenfassung von Inhalten der World Health Organization und der Non-Profit-Organisation Hesperian, die sich schon lange im Bereich Gesundheitserziehung engagiert. Wir haben das nur in kleinere Informationshäppchen im Frage-Antwort-Format unterteilt, die sich leichter anhören lassen. Für jemanden, der gar keine Schulbildung hat, ist es nämlich schwer, einem längeren Text ohne Unterbrechung zu folgen.

Gerade WhatsApp geriet doch gerade in die Schlagzeilen, weil sich darüber Fake News so leicht verbreiten. Woher sollen die Menschen wissen, dass eure Infos seriös sind?

Wir kooperieren weltweit mit NGOs aus den Bereichen Gesundheitserziehung und Katastrophenmanagement. Über entsprechende Plattformen sind wir mit Tausenden von ihnen in Kontakt. Sie fungieren als hoch glaubwürdige Multiplikatoren für die Kampagne in der jeweiligen Bevölkerung – die Leute vor Ort wissen, dass sie ihnen vertrauen können. Unser Audiopedia NGO Netzwerk (https://www.audiopedia.org/ngo) ermöglicht diesen NGOs außerdem die Vernetzung untereinander.

Wer übersetzt das – und warum kostet das Geld?

Wir haben im Internet eine Plattform eingerichtet, auf der alle unsere Inhalte als englischer Quelltext online sind, auch der Corona-Text. Auf dieser Plattform sind über 15.000 Freiwillige weltweit registriert. Die helfen uns bei der Übersetzung der Texte in viele Sprachen. Das hat auch bei dem Corona-Text erst mal gut funktioniert; innerhalb von 24 Stunden waren die ersten zehn Sprachversionen davon fertig. Allerdings ist es nicht bei allen Sprachen, die wir brauchen, gleichermaßen leicht, freiwillige Übersetzer zu finden. Bei Sprachen, bei denen das nicht klappt, müssen wir auf bezahlte Kräfte zurückgreifen. Und das Einsprechen der Audio-Versionen übernehmen in der Regel professionelle, muttersprachliche Sprecherinnen (z. B. Radiosprecherinnen), damit die Qualität der Aufnahmen gesichert und der Text sehr gut verständlich ist. Die müssen wir dann auch irgendwie entlohnen. Es sind keine Unsummen, aber es läppert sich, wenn man so viele Sprachen bearbeiten will.

In relevanten Ländern schalten wir außerdem Facebook-Werbung für die Kampagne, damit sie sich möglichst schnell verbreitet. Das kostet uns pro Klick 0,01 US$ – viel Reichweite für wenig Geld. Mit nur 10.000 US$ könnten wir auf diese Weise zum Beispiel eine Million Menschen direkt erreichen. Dank Weiterverbreitung über WhatsApp werden daraus leicht mehrere Millionen. Die Finanzierung von Facebook-Anzeigen ist deshalb sehr wichtig für uns, um die Kampagne schnell zu skalieren. 

Für mehr Informationen, zum Liken, Teilen oder Spenden ist hier noch der Link zur Corona-Aufklärungsaktion von Felicitas und Marcel: https://www.uridu.de/blog/files/corona.html

——-Dieses Interview stammt von unserer Freundin Dani (sie bloggt auch unter https://hanse-mamis.de), sie kennt Felicias persönlich. Felicias arbeitet komplett ehrenamtlich an Uridu, wir unterstützen sie gerne dabei!

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