Die typische Corona-Woche: Ein Stimmungsschwank in mehreren Akten

Homeschooling

Ihr Lieben, ich möchte vor diesem Text eine Warnung aussprechen. Weil er Spuren von Übertreibung und Fiktion enthalten könnte. Für wen das gerade nicht in Frage kommt, einfach wieder wegklicken. Okay?

Die archetypische Corona-Woche

Dieser Text möchte niemanden angreifen und verlangt auch keine Angriffe. Er überspitzt unseren Corona-Alltag mit Homeschooling-while-working – ohne selbst an Corona erkrankt zu sein und mit Eltern, die zumindest zum Teil im Homeoffice arbeiten können. Luxuslage also quasi.

Und mit drei Teenagern, die jeden Morgen aus dem Bett springen und „Jiippiiiiiiieh, endlich wieder Arbeitsblätter bearbeiten rufen!“ (Natürlich nicht, auch das war ein Spaß. Zur Vorbereitung auf den Text.)

Montag: Los geht´s mit größter Motivation

Montag: Der Drucker läuft auf Hochtouren, Pläne werden gemacht. Der Wille ist da, alles besser zu machen als in der letzten Woche, wo es mal wieder eskalierte. Wir schaffen das schon. Tschakkalakka. Im Hintergrund der Sound von TikTok-Video-Gelächter. „MEDIEN WEG, SONST HAGELT´S VERBOTE.“ „Leg doch erstmal selbst dein Handy weg, Alda. Chill mal, Mama!“

Dienstag: Oh je, wir schaffen das niemals

Dienstag: Puh, ganz schön viel zu tun. So viel. Wie soll man das alles schaffen? Also, da mach ich lieber gar nichts. Warum sind eigentlich die Tage so lang, die Wochen aber so kurz? Die Jungs haben wieder HUNGEEEER! Und oh je, Merkel will wieder neue Regelungen bekanntgeben.

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Ich will mich nicht dafür interessieren. Tu es aber leider. Und werde schier wahnsinnig über die Ungewissheit. Ich wüte und stampfe in meinem Zimmer, weil mich die Welt vergessen hat hier in der Einöde. Ich will das so nicht mehr. Alle sind gegen mich. Die Kinder, das Virus, ich hab keinen Bock mehr. Ich will meine Freunde, meine Freude, mein Früher zurück. Nie werden wir wieder normal leben können. 

Mittwoch: Es geht doch! Wir schaffen das

Mittwoch: Oh, die Sonne scheint, wie schön. Die Kids behaupten mit dem Wochenplan „fast fertig“ zu sein. Komisch, nachdem sie gestern und vorgestern quasi nichts getan haben. Ich glaub´s jetzt einfach mal. WEIL ICH ES GLAUBEN WILL. Aus Selbstschutz.

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Die Kinder halten mit Zettel hin, wenn ich telefoniere. Sie wirken sehr überzeugend.

In der Pressekonferenz werden neue Verschärfungen bekannt gegeben. Ha! Das kann mir gar nichts (ich hab ja schließlich gestern schon vorgeheult). Das kriegen wir schon auch noch hin. Und mal ehrlich, ist ja auch sicherer so. Wegen der Gesundheit. 

Donnerstag: Am Ende der Nerven noch so viele Aufgaben übrig

Donnerstag: Geschwisterstreit schon vor dem Frühstück. Jobs, die echt dringend erledigt werden müssen. Im Hirn ne Massenkarambolage an ToDos. SO soll das jetzt wochenlang weitergehen? Das HALT ich nicht aus. Wo ist mein Leben hin? Alle wollen immer was von mir. Niemandem genüge ich grad. Nicht mal mir selbst. Wie hässlich ich bin. Scheiß Corona bringt Pickel und graue Haare.

Und die Kinder sind so lauuuut, jeder Schrei jedes Gepolter ein weiterer Stich in meine offene Wunde. Aua. Ich geh jetzt wutwalken. „Kiiiinder, alle an die Playsi oder an Netflix, dies ist ein Befehl.“ „Jipppieh! Geht doch Mama!“ Tür hinter mir zu. Bocklos loslaufen. Aus dem Weg, hier kommt das Mama-Mutanten-Monster!

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Gute Musik hören. Einem Nachbarn zuwinken. Oooh, Menschen. Adrenalin ausschütten. Glückhormone auf halber Strecke. Allen per Whatsapp schreiben wollen, wie toll sie sind, wie sehr ich sie mag. Essen machen. Ist ja doch ganz nett diese Familie.

Erst abends kommen die Gespenster zurück. Ich komm nicht in den Schlaf, weil: zu viele Medien erlaubt. Zu wenig beim Homeschooling hinterhergekommen, wieder nicht bei xy gemeldet – und aaaaah, Hiiilfe, morgen ist Abgabetag.

Freitag: Eskalation deluxe

Freitag: Eskalation deluxe. Die Mathe-Aufgaben sind plötzlich verschwunden. Weg! Wir finden sie erst nach einem Vukan-Ausbruch am anderen Ende des Heftes. Huch. Oh, schon 12 Uhr, nächste Abgabe. Ei, das 3D-Haus in Kunst muss auch noch fertig werden. Wie lad ich das eigentlich gleich hoch? Anrufe von der Arbeit. Oops, noch nicht geschafft, ich setz mich nachher dran. Oder am Wochenende. Ah, aber das brauch ich doch zur Erholung.

Oh, jetzt erstmal noch ne Videokonferenz für die Kinder, wo ist das Material dafür? Ach, oben, Mist, letzte Session war ja im Kinderzimmer. Rennen. Poltern. Kalorien verbrennen. Alles brennt.

Um 18 Uhr nach der letzten Abgabe zusammenfallen. Abends nur noch tot ins Bett fallen. Nichts geht mehr. Nie werde ich wieder aufstehen können. Ich bin so platt, platter geht´s gar nicht. Wie kann uns Corona so viel nehmen und trotzdem so anstrengen?

Samstag: Wieder zu sich kommen

Samstag: Wacklige Seele. Erstmal Kaffee. Bloß kein falsches Wort. Nein, wir reden nicht über Homeschooling! Verboten! Was machen wir Schönes? Spazieren oder spazieren? Buuuh, auf keinen Fall. Ok, nur wir Großen. Mal raus hier aus dem Puff. Müsste ich jetzt Arbeit nachholen? Mal richtig aufräumen, das Homeschool-Zeug aus der gesamten Wohnung zusammensuchen und ordnen? Oder brauch ich Ruhe? Badewanne, Buch lesen?

„Boah, bist du lost“, sagen die Kinder. „Du machst heut GAR nix“, sagt der Mann. „Du brauchst deine Kraft ab Montag wieder“. Ok. Buch lesen. Herrlich. Zeitung. Kids Geräte erlauben. Zum Duschen überreden. Rausgehen dealen (erst Playsi nach ner Runde Fußball, klaro?). Sind ja schon süß die Kleenen so ohne Homeschool-Alarm. Megacoole Leute. Abends Couch gammeln. Sonntag. Oh, bisschen Kraft wieder. Bloß weiter schonen. Wie schön ist ein Leben ohne Anforderungen eigentlich?! Herlich.

Hochwasser
Mit das Spannendste, was wir diese Woche erlebt haben.

Sonntag: Das Leben ist ja doch ganz schön

Sonntag: Was machen wir heut? Woanders spazieren, yay. Hochwasser gucken am Rhein. Kein Bock. Ach komm. Danach sind immer noch sechs Stunden vom Tag übrig. Torte holen. Hm. Fühlt sich fast wie so ein Leben an, oder? Behalt ich mir, der Montag kommt früh genug wieder.

Und wieder auf Anfang.

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3 comments

  1. Hab‘ gestern schon deinen ersten Corona Bericht gelesen: https://www.stadtlandmama.de/content/homeschooling-my-ass-warum-es-nicht-moeglich-ist-800-jobs-gleichzeitig-zu-uebernehmen und nun dieser, so perfekt die Realität eingefangen. Genau so ist es. Mir geht es ganz genau so. Ich habe vier Kinder: 2, 5, 7 und 9 Jahre. Mein Mann arbeitet Vollzeit und ich 20 Wstd.. Ich ärgere mich zunehmend so sehr über die Schule und die Regierung, obwohl ich immer hinter den Corona- Regeln stand. Aber es geht nicht in meinen Kopf, wie der Staat einfach von allen Eltern verlangen kann täglich 6 Stunden Lehrer zu spielen, auf Erwerbstätigkeit dafür zu verzichten, Ferien (Bayern) streicht (auf was kann man sich da noch verlassen), um es noch mal schwieriger zu machen: vorschreibt WIE man und was man exakt zu unterrichten hat und um dem noch ein Drittes drauf zu setzen: jede Möglichkeit nimmt sich Hilfe und Unterstützung zu organisieren durch die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. Es geht mir nicht ein, wie ich an meiner Arbeit an Baustellen vorbei laufe und zick Berufsgruppen, Handwerker, Bauarbeiter normal ihre Arbeit verrichten, zusammenstehen, rauchen… während unsere Kinder zuhause ohne Freunde, Oma, Tante nur mit Mama/Papa ihre Arbeit erledigen müssen. Ich lese von Firmen, die kein Home Office anbieten und es geht nicht in meinen Kopf, wie der Staat 100% Home Office bei unseren Kindern durchsetzen kann. Ich begreife nicht, dass wir uns nicht mehr wehren oder wen verklagen können oder uns beschweren oder demonstrieren oder Petitionen einreichen, dagegen, dass wir Eltern so gestraft werden vom Staat. Die Woche wird uns vorgeschrieben, 5 mal 6 Stunden Lehrer Arbeit wird uns vorgeschrieben, am Samstag Lehrmaterialaustausch= Eingriff auch auf Wochenende und in unsere Ferien-/ Urlaubsplanung (über Kürzung der Sommerferien wird sogar diskutiert). Eltern dürfen sich nur mehr 0,0 ausrasten. 0,0 Urlaub, Wochenende seit fast 1 Jahr. Geldbringende Arbeit wird reduziert, ausgesetzt Wie ist das passiert? Wie ist sowas möglich?

  2. Du sprichst mir aus der Seele! Meistens fühl ich die ganze Woche an einem Tag! Eskalation Deluxe. Niemandem genügen. Nicht mal mir selbst.

    Danke!

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