Narben der Vergangenheit: Wie erkläre ich sie meinen Kindern?

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+++ Triggerwarnung: Sexualisierte Gewalt in der Kindheit +++

Ich heiße Sandra, bin 30 Jahre alt und Mama von zwei Kindern (5 und 6 Jahre alt). In meiner Kindheit habe ich sexuellen Missbrauch erlitten, weshalb ich mit 11 Jahren anfing, mich selbst zu verletzten.

Mich zu ritzen erschien mir das einzig Richtige. Jeder Schnitt fühlte sich an wie der einzige Weg, um meine Verzweiflung loszuwerden. Später habe ich zweimal versucht, mir das Leben zu nehmen.

Heute, 19 Jahre später, geht es mir seelisch besser, ich bin reifer und selbstbewusster geworden. Doch mein Körper ist von Narben überzogen. Ich verstecke die Spuren der Vergangenheit unter langer Kleidung und habe gelernt, mit meinen Verletzungen zu leben.

Und nun kommt das große ABER: Ich habe keine Ahnung, wie ich diese Narben meinen Kindern erklären soll. Eines Tages werde ich ihnen wohl Rede und Antwort stehen müssen. Vielleicht gibt es hier ja andere Mamas mit einem ähnlichen Schicksal, die mir ein paar Jahre voraus sind. Wie bespricht man das Unaussprechliche mit seinen Kindern? Ich bin sehr dankbar für Hilfe von Euch!

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8 comments

  1. Hi Sandra, es ist einiges an Zeit vergangen seit deinem Post doch ich hoffe du liest meine Nachricht trotzdem 🙂
    Meine Mutter hat in ihrem Leben auch Missbrauch durchgemacht.
    Als ich 16 war hat meine Mutter mir erzählt was sie in ihrer Jugend durchlebt hat, nicht im Detail aber ausreichend um zu verstehen.
    Mir hat es enorm geholfen meine Mutter in ihrem Verhalten zu verstehen und vor allem habe ich erkannt, dass sie auch verletzlich ist, menschlich ist.
    Mütter sind häufig für ihre Kinder wie eine starke Heldin die alles zu schaffen scheint.
    Ich konnte die Beziehung zu meiner Mutter verbessern weil ich ihre Gefühle Grenzen und Trigger verstehen konnte.
    Für mich war es mit 16 Jahren eindeutig der richtige Zeitpunkt um es zu erfahren aber das spürt man denke ich individuell.
    Die Narben würde ich auch erst später erklären, also wie genau die entstanden sind und warum.
    Vielleicht wenn deine Kinder auf die weiterführende Schule kommen.. Denn da ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie andere Kinder oder Jugendliche mit solchen Narben sehen leider recht hoch. Ich denke es wäre am schönsten wenn sie von dir selber erfahren was Selbstverletzung ist damit du sie dirket vernünftig aufklären kannst, ohne die Vorurteile.
    Ich wünsche dir alles Gute!

  2. Hallo Sandra, ich bin die Tochter eines im Kindesalter sehr lang sexuell missbrauchten Vaters. Er hat mir dies erst jetzt im Alter von fast 70 Jahren „gestanden“ und wir haben leider nicht weiter darüber geredet da ich glaube, dass er nur aus einer Emotion heraus davon gesprochen hat und es mir eigentlich gar nicht sagen wollte. Die Vorstellung was mein Vater so lange Jahre erlitten hat bringt mich fast um den Versand. Ich war kurz davor los zu fahren und den Mann zu recherchieren der dies getan hat und ihn zur Rede zu stellen. Leider fehlen mir dazu zu viele Informationen und wahrscheinlich lebt er nicht mal mehr. Ich glaube, es wäre mir lieber gewesen ich wüsste es nicht, da ich es nicht mehr ändern kann aber ständig darüber nachdenken muss. Bin nicht sicher ob die eigenen Kinder so etwas wissen sollten. Bei mir ist eine Welt zusammen gebrochen. Vielleicht solltest du einen anderen Grund angeben wie den sexuellen Missbrauch. Alles liebe für dich und viel Kraft.

  3. Ich fühle mit dir und bin in einer ähnlichen Situation… Derzeit reicht „da hab ich mir mal wehgetan“.. Habe Angst vor dem Tag an dem ich Rede und Antwort stehen muss.. Finde den Ansatz von Sarah (oben) toll!!! Werde versuchen, dies ähnlich umzusetzen.. (hoffentlich erst in ein paar Jährchen). Alles Liebe für dich!!

  4. Hi Sandra,
    Du kannst erzählen, dass Du große Schmerzen hattest und damit auch gleich eine Brücke schlagen zu deinen Kindern. Schmerzen, weil jemand dich nicht respektiert hat, deine Bedürfnisse übergangen und dich benutzt hat. Und dass die Narben dadurch entstanden sind. Wahrscheinlich konntest auch Du nicht mit jemandem darüber sprechen und deshalb sei deinen Kindern der Ansprechpartner, den du gebraucht hättest. Erkläre ihnen, wie du ihnen zur Seite stehen wirst und dass sie dir auch unangenehme Dinge immer sagen dürfen. Weil Du nicht willst, dass sie so leiden müssen, wie Du. Sag ihnen, dass es Grenzen gibt – insbesondere körperliche und führe eine Stopp-Regel ein. Sag ihnen, dass Du das nicht hattest. Vor allem aber sag die Wahrheit. Du musst nicht alle Details austreten, aber ein offener Umgang mit der Vergangenheit ist von Vorteil. Denn wenn sie schmerzhafte Situationen durchleben, wissen sie, dass sie mit dir darüber reden können.

  5. ich wäre da auch sehr froh um anregungen. habe narben am handgelenk. bisher werden sie nicht beachtet und ich denke wenn die kinder noch kleiner sind wird auf nachfrage ein : „ da hab ich mir mal weh getan“ oder so reichen. aber später werden sie ja älter sein und dann wohl mehr fragen.

    1. Liebe Sandra,
      Ich heiße Carolin und arbeite bei Wildwasser, das ist eine Beratungsstelle für Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind oder waren.
      Zunächst möchte ich dir sagen, wie leid es mir tut, was dir angetan wurde und vielen Dank für deinen Mut und deine Stärke, darüber zu schreiben.
      Du hast du als Mutter schon einen super wichtigen Schritt gemacht! Du denkst darüber nach, wie du damit bestmöglich mit deinen Kindern umgehen kannst. Vielleicht erscheint dir das selbstverständlich, ist es aber nicht.
      Eine allgemeine Antwort gibt’s nicht auf deine Frage, da es für jede Frau andere Wege des Umgangs gibt und das wichtigste ist, du musst dich damit wohl fühlen. Was man sagen kann, Kinder bekommen dann Antwort wenn sie fragen. Heißt, fragen deine Kinder, ob du dir da weh getan hast“ ist die Antwort „ja“ eine Erklärung erfolgt erst, wenn die Kinder genauer fragen. Bei der Frage, wie du dir weh getan hast, könntest du antworten „ich habe mich da verletzt, mit einem spitzen Gegenstand“ Sich verletzen, dass kennen Kinder sie verletzen sich selbst oft, sie werden nicht davon ausgehen, dass es selbstverletzendes Verhalten war. Dies entspricht nämlich nicht ihrer Lebdnswelt. Und wahrscheinlich reicht das erstmal so.
      Wenn die Kinder älter sind, werden sie vielleicht explizit nachfragen.
      Da du die Mutter bist, kannst du am allerbesten entscheiden, wann ein guter Zeitpunkt ist es genauer zu erklären. Eine Möglichkeit wäre zu sagen, du hast dir selbst weh getan, weil es eine Zeit in deiner Kindheit gab wo du sehr traurig warst und du viele Sorgen hattest und viele blöde Gefühle. Da hast du dir selbst weh getan, weil du nicht wusstest, was du anderes tun solltest.
      In einem solchen Kontext, kannst du eine gute Brücke zu deinen Kindern bauen.
      Zum Beispiel könntest du weiter sagen, du weißt inzwischen das Kindern immer über ihre Sorgen und blöden Gefühle sprechen dürfen und das Kinder niemals an solchen blöden Sachen schuld haben. Niemals. Dann könntet ihr auch darüber sprechen, wem deine Kinder von ihren Sorgen und Kummer erzählen und was sie tun, wenn sie traurig sind damit es ihnen wieder besser geht.
      Die Botschaft ist, Kinder haben nie schuld und dürfen sich immer Hilfe holen.
      Super ist, ins Gespräch, in einen Austausch mit deinen Kindern zu kommen.
      Es gibt auch Möglichkeiten mit Kindern/ Jugendliche über erlebte sexualisierter Gewalt zu sprechen.
      Das geht an dieser Stelle allerdings zu weit und ist eben auch nicht pauschal zu beantworten.
      Ich möchte dich ermutigen, dir ggf Unterstützung in einer Beratungsstelle zu holen. Dort freuen sich sicher bestimmt alle über eine reflektierte Mama , die sich um diese wichtige Thematik Gedanken macht. Bei uns wäre das so 🙂
      Ich wünsche dir und deiner Familie von Herzen alles Gute.
      Caro

    2. Liebe Sandra,

      ich weiß seit meiner Jugend, dass meine Mutter von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde und mir wird bei dem Gedanken daran jedes Mal schlecht. Ich wäre froh, wenn ich es nicht wissen würde. Oder besser gesagt, wenn es nicht passiert wäre. Aber ich kann es leider nicht ändern. Ich muss genauso damit leben wie sie.
      Auf der anderen Seite kann ich nun einige ihrer Verhaltensweisen besser verstehen (z.B. meine Frage nach ihrem ersten Mal, Aufklärung…).
      Ich stelle es mir schwierig vor, Kindern davon zu erzählen, ohne sie zu belasten, ihnen aber trotzdem die Möglichkeit zu geben zu verstehen, warum die Mutter mit dem Thema Sexualität anders umgeht als Mütter, denen so etwas nicht passiert ist. Ich kann dir aus meiner Erfahrung sagen, dass ich es gespürt habe, dass etwas komisch ist, wenn es um dieses Thema ging. Leider kann ich dir nicht sagen, was ich mir gewünscht hätte, was meine Mutter mir anstelle ihrer Geschichte erzählt. Vielleicht war es auch richtig mir die Wahrheit zu erzählen, es ist schließlich ein Teil ihres Lebens.

      Ich wünsche dir alles Gute! Ihr werdet euren Weg finden!

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