Ausgesetzt: Meine Eltern ließen mich im Kaufhaus zurück

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Liebe Lea, Du wurdest 1981 geboren und von Deinen Eltern ausgesetzt. Wer hat dich wo gefunden?

Ich wurde Anfang Juli 1981 bei C&A in der Müllerstraße in Berlin Wedding ausgesetzt. Es war vermutlich meine Mutter, die mich in der Herrenabteilung in meinem Kinderwagen abgestellt hat. Nach einiger Zeit wurden die Verkäuferinnen auf mich aufmerksam, nahmen mich mit zur Kasse und ließen meine Mutter ausrufen. Als sich niemand meldete, verständigten sie die Polizei. Die Beamten brachten mich in ein evangelisches Kinderheim in Berlin Reinickendorf.

Hatten deine Eltern eine Nachricht bei dir im Kinderwagen hinterlassen?

Nein, es gab keine Nachricht oder ähnliches. Ich war allerdings in einem sehr guten Zustand, trug saubere Kleidung und war gut genährt. Von außen betrachtet deutete nichts auf eine Notsituation hin. 
Auffällig war, dass ich schätzungsweise 3 Monate alt war. Viele Babys werden ja unmittelbar nach der Geburt ausgesetzt.

Was weißt du über die Umstände deiner Geburt?

Gar nichts. Mir fehlen einfach die ersten Monate meines Lebens. Mein Geburtstag ist geschätzt worden. Meine Adoptiveltern durften sich ein Datum im April aussuchen und haben einen Sonntag gewählt. 

Wie ging für dich weiter?

Die Polizei hatte mich ja in ein Kinderheim gebracht, dort war ich etwa zwei Wochen. Die Behörden versuchten intensiv, meine Mutter zu finden. Deutschlandweit wurde über meinen Fall berichtet, aber es gingen keine konkreten Hinweise ein. Niemand wusste etwas über eine Frau, die plötzlich ohne Baby unterwegs war. Daher vermutete die Polizei, dass ich aus dem Ausland nach Deutschland gebracht wurde.

Man fand schnell passende Adoptiveltern für mich, die mich schon Mitte Juli 1981 zu sich nach Hause nehmen durften.

Wie war deine Kindheit?

Ich bin in Berlin Charlottenburg aufgewachsen und hatte eine wirklich sehr schöne Kindheit. Meine Eltern adoptierten nach mir noch 2 weitere Kinder, wir lebten gemeinsam in einem schönen Haus mit großem Garten. Meine Eltern haben wirklich alles dafür getan, um uns eine glückliche Kindheit zu bescheren! 

Wann hast du erfahren, dass du als Baby ausgesetzt wurdest? 

Dass wir adoptiert sind, wussten wir von Anfang an. Es wurde nie eine große Sache daraus gemacht, was ich sehr gut fand. Für mich war es normal, dass meine Mutter nie schwanger war, sondern dass meine Geschwister direkt aus dem Krankenhaus bzw. einer Pflegefamilie abgeholt wurden. 
Dass ich ausgesetzt wurde, erzählten mir meine Eltern als ich etwa 10 Jahre alt war. Ich fand das spannend, machte mir aber nicht allzu viele Gedanken darüber. 

Was löst dieses heute Wissen in dir aus?

Heute mache ich mir oft Gedanken über die Umstände meines Starts ins Leben. Es bleibt einfach ein riesengroßes Fragezeichen. Je älter ich werde, desto geringer ist die Chance etwas über meine leiblichen Eltern zu erfahren. Das macht mich schon traurig. Ich weiß einfach gar nichts über meine leiblichen Eltern, da ist natürlich eine Lücke, es fehlen meine Wurzeln.

Was würdest du deine leiblichen Eltern gerne fragen?

Natürlich was sie dazu bewogen hat, diesen Weg zu gehen. Sie hätten mich ja auch ganz offiziell zur Adoption freigeben können. Warum haben sie mich also in einem Einkaufszentrum ausgesetzt? Ich wüsste außerdem gerne, wann mein echtes Geburtsdatum ist, welchen Namen meine leiblichen Eltern für mich hatten und ob ich noch leibliche Geschwister habe.

Wie lebst du heute? Und wie beeinflusst dich deine eigene Kindheit heute noch?

Inzwischen habe ich drei Kinder. Leider habe ich schon immer große Probleme damit, die Kinder „loszulassen“. Als meine Kinder noch klein waren, konnte ich sie nur sehr sehr schwer abgeben bzw fremdbetreuen lassen. Auch heute möchte ich immer gerne wissen, wo sie sind, wann sie wieder heim kommen. Für meinen ältesten Sohn ist das ganz schön nervig, er ist nämlich schon volljährig. Nach wie vor behalte ich gerne die Kontrolle über alles und mache mir überdurchschnittlich viele Sorgen, dass meinen Kindern etwas passieren könnte! 

Ich werde oft gefragt, ob ich meine leiblichen Eltern denn hassen würde -das tue ich absolut nicht! Ich denke, sie waren wohl in einer total verfahrenen Situation und wussten sich nicht anders zu helfen! Mein Wunsch wäre nur, mehr über sie zu erfahren. Aber Hoffnung, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht, habe ich kaum…

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2 comments

  1. Ich hoffe, die Autorin erfährt noch etwas über ihre Wurzeln! Und das tröstet jetzt vielleicht nicht wirklich, aber ihre Eltern haben sie im Warmen ausgesetzt an einem Ort wo sie schnell gefunden/ versorgt werden konnte. Das spricht eher für Notlage/ Verzweiflung/ Überforderung. ( Nie verstehen werde ich nämlich wie man sein Kind so aussetzt das keine Überlebenschance besteht!)

  2. Eine sehr berührende Geschichte. Was mag die Eltern wohl dazu bewogen haben, ihr Kind in einem Kaufhaus auszusetzen?
    Es freut mich, dass Lea trotz des schwierigen Starts ihren Weg gehen konnte und bei ihren Adoptiveltern eine glückliche Kindheit erleben durfte.

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