Ihr Lieben, es sind so neue Zeiten hier gerade, ein bisschen ein Gefühl von: Die Basis bröckelt. Mir fiel das auf, als ich im Urlaub an der Ostsee einen Traum mit Verlustängsten hatte. Ich bin ganz verdattert aufgewacht und dann erstmal joggen gegangen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und dachte dann: Klar.
Da sind schon grad ganz schön viele Veränderungen gleichzeitig am Start, da ruckelt es schon ordentlich am Fundament der letzten Jahre. Körper und Hormone verändern sich bei Frauen in meinem Alter, es fühlt sich anders an. Der Journalismus, wie ich ihn gelernt habe, existiert nicht mehr, ich erfinde mich im Job gerade zum Teil neu, ich lerne so viele neue Menschen kennen und fange so oft wieder bei fast Null an, nicht nur im Job, auch in Hobbys. So viele erste Male wieder. Dazu werden die eigenen Eltern älter. Und die Kinder flügge.
Die Jungs sind grad zum ersten Mal für ganze zwei Wochen von zu Hause weg, die Große macht als Studentin mittlerweile eh ihr Ding, die Fürsorge, die seit ihrer Geburt vor 19 Jahren (und in der Schwangerschaft davor schon) in unser Elternleben trat, weicht einer neuen Freiheit.
Aber dieses Kümmern gehörte so sehr dazu zu unserem Alltag, dass ich mich zwar schon oft , aber noch nicht immer ganz sicher durch den neuen Aggregatzustand der Elternschaft bewege. Ich bin noch nicht dran gewöhnt, ohne Kinder Urlaub zu machen zum Beispiel, alles fühlt sich alt und neu zugleich an.
Neue Zeiten: Die Einzigen ohne Kinder am Strand
Ich saß am Strand von Kühlungsborn und wir waren gefühlt die Einzigen ohne Kinder. Nackte Beinchen flitzten durch den Sand, trugen Wassereimer zu Burgen, Babys ließen sich auf dem Arm der Mama beruhigen, Pamperspopos saßen auf dem Schoß der Väter, werdende Mütter streichelten ihren Bauch. Da werd ich melancholisch, weil das nie mehr zurückkommt.
Dann aber auch „Hunger, Pipi, Durst“-Wutanfälle, Geschwisterstreitigkeiten, Fremdbestimmung, müde Gesichter von durchwachten Nächten. Da werd ich ruhig und denke: Hatten wir schon, brauch ich nicht wieder. Daneben aber auch der Gedanke daran, wie schnell sie dann doch groß wurden, unsere Kleinsten. Und dass sich dafür alles lohnt.
Mein Gedanke beim Joggen war: Wir können kinderlose Zeiten genießen, wenn wir wissen, dass die Kleinen danach wiederkommen. Wir können Einzelkind-Auszeiten genießen, wenn wir danach wieder alle zusammen sind. Wir können Arbeitslosigkeit genießen, wenn in 6 Wochen der neue Job startet, wir können fröhlich auf ein Singleleben zurückblicken, wenn wir wissen, dass danach die große Liebe kam.
Als unsere Kinder klein waren, träumte ich von einsamen Strandtagen mit Buch und Lesen ohne Unterbrechungen. Ganz bestimmt. Jetzt hab ich die und denke: Das bleibt jetzt so, das wird jetzt unser Leben, ich krieg nie wieder einen nassen Sandknutscher vom eigenen Kind ins Gesicht gedrückt. Kann ich mich da zurücklehnen und genießen oder müsste ich diese Zeit anderweitig nutzen? Dass da überhaupt wieder Platz für solche Gedanken ist!
Und dann kommen die Mir-über-den-Kopf-Gewachsenen nach ihrer 18-Stunden-Busfahrt uns Eltern am Bahnhof entgegen und sagen: „Gott, seht ihr fertig aus!“ SIE sagen das zu uns, nicht wir zu ihnen, haha. Rollentausch. Der eine Zwilling sagt: „Sorry, aber ich hab euch echt gar nicht vermisst.“ Und wir sagen: Hex, das heißt, du kommst auch ohne uns klar, das ist doch super. Und gleichzeitig freut sich der andere Zwilling, wieder zu Hause zu sein, ein Körnerbrötchen mit Kinderwurst genießend, vorfreudig aufs eigene Bett, auf gewohnte Essen, auf Zuhause.
Sie kommen klar ohne uns. Aber sie leben noch hier. Wir konnten unsere Auszeit trotz der Ab-und-zu-Melancholie sehr genießen, weil wir wussten, dass sie ja wiederkommen. Aber wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass auch sie bald den Abschluss haben, dass auch sie bald nur noch ab und zu vorbeischauen.
Und wir lieben, dass sie uns grad zeigen, dass sie das können, dass sie das schaffen, dass sie ohne uns klarkommen. Schon jetzt. Wir könnten stolzer nicht sein und merken aber schon, wie wir die Kindertage verklären, wie wir es als „die gute alte Zeit“ abspeichern, wie wir auf Fotos lachende Gesichter sehen und nicht durchwachte Sorgennächte. Wie all das in die Vergangenheit rutscht. Vermutlich soll das so. Genau so soll´s sein.
Wir müssen und dürfen uns daran jetzt gewöhnen. Und auch wenn sie demnächst nicht mehr hier wohnen, bleiben wir ja ihre Eltern, werden sie ja wiederkommen und an den Kühlschrank gehen, wie früher. Es ist der Lauf der Zeit, der Lauf der Dinge und alles bleibt im Fluss und wird sich fügen, auch wenn das manchmal melancholisch macht. Und manchmal nur unfassbar glücklich.