Rare Disease Day: Unser langer Weg zur Diagnose CMTC

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Ihr Lieben, zum Rare Disease Day erzählt uns heute eine Mutter vom langen Weg zu einer Diagnose für ihr drittes Kind, ihren Sohn E. Zunächst gingen alle von einem Feuermal auf seiner Haut aus, bis es zu einem denkwürdigen Schwimmbadbesuch kam, der alles veränderte…. aber lest selbst.

Zum Rare Disease Day: Erfahrungsbericht zu CMTC

„Die Geburt unseres dritten Kindes lehrte uns, das nicht immer alles selbstverständlich ist – sie verlief so ganz anders als erhofft und erträumt. Denn leider steckte ich mich etwa in der 28. Schwangerschaftswoche mit einer Borreliose an.

Fortan hatte ich stetig wachsende Probleme und Schmerzen – unter anderem auch im Bauch. Dabei ging es unserm Zwergi aber augenscheinlich gut in meinem Bauch gut… bis zum Beginn der 35. Woche jedenfalls… Ab da ging leider nichts mehr und unser Sohn musste per Sectio auf die Welt geholt werden. Ganz anders als erwartet und erhofft landeten wir sehr hart auf dem Boden. Es begann ein langer Weg des Bangen und Hoffens.

Ein Baby mit bläulicher Verfärbung am linken Bein

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Direkt nach der Geburt fiel uns und den Ärzten eine starke bläuliche Verfärbung am linken Bein, am unteren Rücken und am Po unseres Sohnes auf. Da er aber auch unter großer Atemnot litt, waren diese äußerlichen Auffälligkeiten erstmal zweitrangig für die Ärzte. Unser kleiner Schatz – gerade erst geboren – musste sofort intensivmedizinisch versorgt werden. Die zunehmende Verfärbung seiner Haut fand noch immer keine große Beachtung, denn erst einmal musste er es schaffen, zu atmen.

Eine Woche lang kämpfte unser Kleiner ums Überleben. Hochfrequent beatmet auf der Neonatologischen Kinderintensivabteilung, 20 km entfernt von uns. Aber er bewies schon da, dass er ein starker Kerl ist, er schaffte es sogar ohne bleibende Schäden an seiner Lunge davonzutragen. Er machte nun schnell große Schritte in die richtige Richtung.

Feuermal? Die Flecken am Bein blieben ein Rätsel

Einzig sein Bein und die Flecken auf der Haut blieben ein Rätsel. Wir wurden nach knapp vier Wochen mit der Diagnose „Großflächiges naevus flammeus“ – umgangssprachlich Feuermal – entlassen. Wir sollten uns nach ca. fünf Monaten wieder in der Klinik vorstellen, um die weiteren Schritte zu besprechen.

Auch unser damaliger Kinderarzt stützte die Diagnose, sei sie doch von einer sehr erfahrenen Ärztin gestellt worden. So verließen wir uns erst einmal darauf. Das Beinchen unseres Sohnes veränderte sich laufend, mal waren die Flecken ganz blass, dann wieder rötlich und häufig auch dunkelblau bis fast lilafarben.

Die richtige Behandlung? Lasertherapie in Vollnarkose

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Bei unserem nächsten Kontrolltermin in der Klinik riet man uns zu einer frühen Lasertherapie, wir erhielten direkt einen ersten Termin zum „Lasern der optischen Marker“, wie es genannt wurde. Wir müssten mit 8 bis 10 Behandlungen rechnen, die immer in Vollnarkose stattfinden würden. Wir waren überfordert und fühlten uns unsicher, aber fanden auch nichts anderes, was die Veränderungen am Bein unseres Sohnes erklären könnten.

Aber: Einen Tag vor der ersten geplanten Lasertherapie waren wir mit unseren beiden großen Kindern im Schwimmbad zum Schwimmkurs. Wie es so ist, war es sehr warm im Schwimmbad und wir zogen unseren Sohn bis auf den Body aus… WELCH ein Segen im Nachhinein!

Ein denkwürdiger Schwimmbad-Besuch, der alles veränderte

Eine für uns bis dahin fremde Frau kam auf uns zu und fragte uns, ob unser Sohn auch an CMTC leiden würde. Ähm, bitte was?! Große Fragezeichen in unseren Köpfen. Wir kamen ins Gespräch und sie berichtete uns von ihrem Sohn und seinen so ähnlichen Merkmalen. (An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank an Sarah!)

Wir tauschten unsere Nummern aus und sie schickte uns die Adresse einer Organisation in den Niederlanden CMTC-OVM. Unser Hauptansprechpartner war erst einmal Lex van der Heijden. Direkt am Abend nahmen wir Kontakt auf und erhielten durch seine wunderbare und schnelle Hilfe einen Termin in der Uniklinik Maastricht zur weiteren Abklärung.

Unser langer Weg bis zur Diagnose CMTC

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Nach ein paar Untersuchungen und einem sehr sorgfältigen Ultraschall stand dort schnell eine Vermutung im Raum: Unser Sohn litt mit sehr hoher Wahrscheinlichlichtkeit nicht an einem Feuermal – sondern an einer sehr komplexen und seltenen Gefäßfehlbildung. Die Abkürzung dafür lautet CMTC – cutis marmorata telangiectatica congenita. Es stand auch noch eine andere, ähnliche Diagnose im Raum: DCMO, diffuse kapilläre malformation with overgrow.

Wir erhielten endlich eine gute Aufklärung, um was es sich eigentlich handelt. Wir verblieben so, dass unser Sohn zunächst einmal in Ruhe wachsen solle und wir sein Bein beobachten würden. Die Termine zum Lasern sagten wir ab, denn eine Laserbehandlung ist bei diesen Erkrankungen nicht sinnvoll, zumal die Fläche der gefäßbedingten Hautveränderungen sehr groß ist und die Laserbehandlung auch schmerzhaft.

Erklärung: Die Gefäßfehlbildung wird unter dem Sammelbegriff Angiodysplasien geführt. Diese gehören zur Gruppe der seltenen angeborenen Gefäßmalformationen und verursachen einen krankhaft veränderten Gefäßbauplan sowie Blutkreislauf. Es können die Extremitäten und/oder Organe betroffen sein. Angiodysplasien entstehen in der frühen Schwangerschaft, es ist das Ergebnis einer Fehlsteuerung in der Anlage und Entwicklung von Blut- und/oder Lymphgefäßen. Auch in Deutschland gibt es einen Bundesverband, dem wir uns angeschlossen haben, auch hier wird sich um betroffene Familien gekümmert – den Bundesverband Angeborene Gefäßfehlbildungen e.V.

Seltene Krankheit: Viele Informationen selbst beschaffen

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Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man viele Information nicht automatisch zum Beispiel durch die Kinderärzte erhält, sondern oft erst durch umfangreiche eigenständige Suche auf tolle Vereine stößt, bei denen man sich endlich verstanden und aufgehoben fühlt. Leider ist es häufig noch so, dass die Ärzte hierzulande wenig mit der Diagnose DCMO anfangen können, häufig hat man ein bisschen das Gefühl, dass sich die Ärzte für diese seltene Krankheit nicht richtig interessieren.

Für unseren Sohn stand mit knapp drei Jahren dann ein erstes Ganzkörper-MRT auf dem Plan, dieses brachte dann hervor, dass er leider nicht nur oberflächlich sehr viele sichtbare kleine Gefäße hat, sondern auch sein tiefes Beinvenensystem betroffen ist und er z.B. keine Beckenvene auf der linken Seite besitzt, dazu auch nur ein tiefes Beinvenengefäß und sich eine Art Ersatzgefäß mit vielen kleinen Verästelungen gebildet hat.

Wie uns die Erkrankung durch den Alltag begleitet

Seitdem muss er konsequent Kompressionstrumpfhosen tragen, um die Gefäße zu unterstützen. Denn das venöse Blut muss einen ganz schönen Umweg nehmen, um wieder in den Blutkreislauf zu gelangen. Seine Flecken sind weiterhin vollständig vorhanden, ein großes Gefäß nimmt immer mehr an Volumen zu, dazu haben wir demnächst noch einmal einen Kontrolltermin bei einem der wenigen Ärzte, die sich mit der Erkrankung näher beschäftigen.

Durch die tolle Arbeit in den Niederlanden, (CMTC-OVM) erhielten wir viele Informationen. Bei einem ersten Zusammentreffen in Holland (dieses findet jährlich statt) lernten wir viele betroffenen Familien kennen. Unter anderem den kleinen N. mit seinen Eltern aus Österreich.

Wie aus zwei gleichen Diagnosen eine Freundschaft entstand

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N. hat fast das gleiche Krankheitsbild wie unser Sohn. Sein Bein ist ebenfalls betroffen und auch er hat optische Hautveränderungen und mittlerweile, wie auch unser Sohn, einen Beinlängenunterschied von knapp 2 cm, da leider manchmal auch die betroffenen Gliedmaßen schneller wachsen als die Seite ohne die „Flecken“.

Die beiden Jungs und wir Eltern sind mittlerweile richtig gut befreundet und unterstützen uns gegenseitig und tauschen uns aus. Wir würden uns wünschen, dass auch andere betroffenen Familien diese Hilfe erhalten und ebenfalls sehen: Wr sind nicht allein, auch wenn die Krankheit unserer Kinder sehr selten ist.

Die Kinder stärken: Du bist wertvoll, so wie du bist!

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Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist es, dass die Kinder von Anfang an gestärkt werden, denn häufig erntet man mit einer sichtbaren Veränderung viele Blicke und manchmal auch Fragen. Wir versuchen unseren Sohn immer weiter zu stärken, getreu dem Motto: Anderssein macht dich besonders – du bist wertvoll, so wie du bist und du kannst alles erreichen.

Unsere Kids schaffen trotz ihres Handicaps so vieles, sei es beim Klettern, Radfahren, Schwimmen oder Kampfsport – es gibt nur wenige Grenzen. Wir sind sehr stolz auf unseren kleinen Sohnemann und sind unendlich dankbar, dass er unsere Familie komplett macht.“

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9 comments

  1. Hallo, unsere kleine Tochter ist vor 2 Tagen auf die Welt gekommen. Der Arzt meinte von dieser Krankheit gelesen zu haben es sein CMTC da sie viele starke blau lila Verfärbungen an einem Bein hat. Meine Frage ist müssen wir uns sorgen machen? Ihre blutwerte ihr Herz und alles sind bestens. Trotzdem macht das mir zu schaffen. Der Arzt meinte das würde mit der Zeit verschwinden. Sie hat weder Schmerzen noch Beeinträchtigungen.
    Vielen Dank schon mal ..
    können auch gerne Kontakt über e mail führen.

  2. Hach wie toll… habe den Artikel gerade bei Instagram gesehen und musste es direkt lesen. Danke Lisa für das Schreiben des Artikels… Und Hannah, gern geschehen. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag im Mucher Schwimmbad ;-).
    Für mich persönlich ist das Schwierigste als Mutter mit einem Kind mit solch einer vielfältigen Diagnose, zu akzeptieren, dass man nicht vorhersehen kann, welche gesundheitlichen Symptome diese Krankheit im Laufe der Zukunft noch mit sich bringt (oder bisher schon auftraten) – als Mutter zu entspannen und jeden Tag nach dem anderen zu leben, ohne zu wissen, was noch kommen mag. Das brauchte bei mir einige Jahre – mittlerweile bin ich ganz gut darin 🙂
    Liebe Grüße,
    Sarah

  3. Warum wolltet ihr ihn nur der Optik wegen so oft narkotisieren lassen für die laserbehandlung?? gehört doch zu ihm…du hast ja selbst geschrieben „kind bestärken“ etc

    1. Es wurde keine Laserbehandlung durchgeführt! Zu beginn als die korrekte Diagnose noch nicht da war, sagte man allerdings es sei notwendig und wichtig früh zu lasern – da sich auch ein Feuermal im Alter häufig verändern / verhärten kann und eine frühkindliche Laserbehanldung daher notwendig sei…

  4. Danke an die Autorin! Ich bin noch sprachlos. Euer Artikel hat ein fast 60 Jahre altes Rätsel, das in gewisser Weise das Schicksal meiner Familie bestimmt hat. DANKE!

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