Unser Sohn war ein Schulverweigerer. Jetzt gibts ein Happy End

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Ihr Lieben, oft haben wir hier Geschichten von Kindern, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen sehr schwer im Schulsystem tun. Ihre Eltern sind oft sehr verzweifelt und haben kaum noch Hoffnung, dass es eines Tages besser wird. Heute gibt’s eine Geschichte, die Mut macht. Nicht, weil sich plötzlich alle Probleme in Luft auflösen (das wäre ja auch naiv zu glauben), sondern weil eine gute Lösung gefunden wurde. Diese Geschichte von Sarah und ihrer Familie soll euch zeigen, dass vieles möglich ist – auch, wenn es manchmal aussichtslos erscheint.

„Unser Sohn ist das dritte Kind und 12 Jahre alt. Er besucht die 7. Klasse eines Gymnasiums – eine unfassbar gute Schule, mit der wir im vergangenen Jahr super zusammengearbeitet haben und viel für unser Kind erreicht haben.

In der 5. Klasse (Grundschule geht hier 6 Jahre) wurde bei unserem Sohn Max ADHS diagnostiziert, wir ließen ihn schnell auf Medikamente einstellen (nein, darüber möchte ich nicht diskutieren) und es lief in der Schule ein wenig besser. Da viele Verhaltensmuster bei ihm, den anderen Kindern und auch den Lehrern verfestigt waren, blieb er aber irgendwie in dieser Endlos-Spirale hängen.

Der 1. Lockdown kam, der 2. Lockdown kam und der Sohn veränderte sich. Er wurde zunehmend ruhiger, weinerlicher, unmotiviert. Irgendetwas passte nicht. Dazu entstand viel Wut – gegen uns, gegen die Geschwister. Soziale Kontakte funktionierten überhaupt nicht mehr. In der Schule gab es nur noch Ärger. Lehrer übten Druck aus, das Kind wurde immer wütender, mehr Druck, mehr Wut….

Das Schuljahr endete, das Kind fuhr mit Papa zur Reha. Dort hagelte es Verdachtsdiagnosen: Depression, Asperger-Autismus. Mein Mann war geschockt, ich dachte nur: „Okay, wenn das die Erklärung für alles sein kann, dann gehen wir es an“.

An der neuen Schule wurde sofort ein Förderausschussverfahren eingeleitet, seine motorische Entwicklungsverzögerung war zu offensichtlich. Bis dahin galt unser Sohn als faul und schlampig. Nun hieß es: das ist ein krankhafter Zustand.

Immer wieder kehrte die Wut zurück

Endlich keine Vorwürfe mehr. Er lebte sich gut ein, es ging ihm besser. Im Oktober war die Wut wieder da. Es wurde unerträglich und er begann, die Schule zu verweigern. Alles war zu viel: die Anforderungen, die Kinder – alles. In Absprache mit der Lehrerin und der Sonderpädagogin blieb er ab Dezember zu Hause und wurde online beschult.

Im Januar wurde er dann in der örtlichen Kinder- und Jugendpsychiatrischen Tagesklinik aufgenommen. Diagnose: Depression ausgelöst durch Traumata in der Schule und Lockdown-Isolation. Es folgten weitere Medikamente, Therapie und nach 4 Monaten wurde er mehr oder minder stabil entlassen.

Das Schuljahr war natürlich für unseren Sohn gelaufen. Er hatte zu viel verpasst und konnte trotz Unterricht in der Klinik nicht in allen Fächern mithalten. Aufgrund der Erkrankung dürfte er die 7. Klasse ausnahmsweise am Gymnasium wiederholen. Es ist auch wirklich eine tolle Schule, aber er wollte nicht so recht. Ein richtiger Neustart war ihm lieber. 

Wir wollten unsere eigene Schule auf dem Land

Und hier beginnt nun die zweite Story: Vor 8 Jahren wurde in unserem kleinen Ort am Rande der Lausitz immer deutlicher, dass unsere Kinder keine Chance auf eine gerechte Bildung haben. Wer aufs Gymnasium gehen wollte, hatte meist recht gute Karten – alle anderen wurden auf umliegende Oberschulen verteilt, die meist in sozialen Brennpunkten der nächstgelegenen Stadt lagen / liegen.

Niemand wollte dort seine Kinder zur Schule schicken, wo Gewalt und Drogen Alltag sind. Die einzige Gesamtschule der Stadt platzte aus allen Nähten und konnte nicht einmal den Bedarf der Stadtkinder abdecken.

Also entschlossen wir Eltern uns dazu, für eine eigene Gesamtschule zu kämpfen. Naiv wie wir waren, dachten wir, dass dies im Rahmen unserer Elternzeit machbar sein sollte. Das war natürlich nicht so. Dennoch haben wir all die Jahre durchgehalten und mit Unterstützung einiger Lokalpolitiker unseren Wunsch durchgesetzt.

Das Ministerium hat die Schule bewilligt und unser Landkreis hat über 25 Millionen Euro in die Hand genommen und baut jetzt unsere neue Schule – in unserer Gemeinde. Endlich eine Schule, die nicht in der Stadt liegt und für die Landkinder erreichbar ist. Ein Meilenstein in der Entwicklung des ländlichen Raumes. Noch befindet sich alles im Rohbau, aber dank unseres Engagements und zähen „Wadenbeißens“ startet der Unterricht schon im August mit den ersten 7. Klassen in einem Ausweichquartier. 

Das hat natürlich auch unser Sohn alles mitbekommen und nach einem langen Gespräch mit dem Schulleiter der neuen Schule entschloss er sich, dort die 7. Klasse zu wiederholen. 

Wir Eltern sind sehr optimistisch, da der Schulleiter schon jetzt einen guten Draht zu unserem Sohn hat, ihn fordert, aber auch fördert. Mit viel Liebe zum Beruf motiviert er unser Kind, das mit Schule eigentlich schon lange abgeschlossen hatte.

Ob unser Sohn Abitur machen wird, wissen wir nicht. Das ist aber auch egal. Hauptsache, er geht nun gerne zur Schule, lernt mit etwas Freude und wird gesundheitlich stabil. Das ist unser oberstes Ziel. 

Ach ja: und fall jemand Lehrer in Brandenburg ist oder werden möchte: Wir brauchen noch dringend gute Lehrerinnen und Lehrer für diese einzigartige Schule!“

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8 comments

  1. Hallo 🙂

    das klingt für mich nach einem eventuell in Aussicht stehenden Happy-End für die Eltern. Ich drücke die Daumen, dass es das wird.

    Wie das wohl für den Jungen ist? Will er überhaupt in die Schule?
    ADHS ist keine schöne Schublade für ein Kind.

    4 Monate in einer örtlichen Kinder- und Jugendpsychiatrischen Tagesklinik, weil er „eine Depression, ausgelöst durch Traumata in der Schule und Lockdown-Isolation“, hat. Welche Medikamente können/sollen da helfen?

    Für mich klingt das nach einem lebendigen, abenteuerlustigen, gesunden Kind, das an unserer Gesellschaft zerbricht. Huckleberry Finn und Pippi Langstrumpf würden bestimmt die gleiche Diagnose bekommen.

    Vielleicht würde der Junge gerne frei lernen oder an eine freie Schule gehen?

    Es gibt zahlreiche Bücher wie „Verdummt nochmal“ von John Taylor Gatto oder „ich war nie in der Schule“ von André Stern und „Wir sind so frei: Freilerner-Familien stellen sich vor“ von Karen Kern, etc. die anderes erahnen lassen.

    Und es gibt Beispiele von glücklichen Kindern, die in keine Schule gehen:
    https://seimutig.tv/malvin/
    https://seimutig.tv/banu/

    Und es gibt Artikel, die einem helfen, Bedenken abzubauen:
    https://www.gluecksknirpse.de/frei-lernen-ohne-schule-bedenken-und-bedenkennehmer/

    Vielleicht schaffen wir es mit der Zeit auch andere Möglichkeiten zu sehen und zu realisieren.

    Ich wünsche der Familie von Herzen alles erdenklich Gute.

    Liebe Grüße,
    Julia

  2. Dann bin ich ja echt mal auf die Fortsetzung hierzu gespannt.
    An der neuen Schule scheinbar nur handverlesene „brave“ Lernwillige und dazu dann Lehrende, die sich unendlich individuell Zeit für alle Lernwilligen nehmen können – nachdem es dies am Gymnasiun nicht gab.
    Ein Traum für alle. Gut, dass auf „dem Land“ scheinbar noch „heile Welt“ herrscht.

    1. Nein Holger
      Das zeigt eher übersensible überbehütende Eltern. Und die persönliche Schulleiter- Betreuung ( später Chef?) ist auch nicht realistisch ( und bei allen Anderen unbeliebt). Der Kulturschock zum weiteren/ wahren Leben wird dann mal groß. “ Blinde“ Eltern schaden mit dieser Haltung am Meisten dem Kind, das irgendwann nämlich eigenständig leben ( und interagieren) muss.

      1. Mmmh, Silvia…. Interessant… Sie kennen also die Schule, das Konzept, die Eltern, SchülerInnen, Lehrkräfte ganz genau. Erzähl Sie doch mal genau warum die Kinder der mit der Realität nicht klar kommen werden. *ironie off*

  3. Danke für diese ermutigende Geschichte!
    Ich freue mich sehr für euren Sohn und alle anderen Kinder, die diese Chance bekommen. Inklusion ist leider keine Selbstverständlichkeit, obwohl es auf der Agenda steht. Wir mussten leider eine massive Wegorganisation unseres Kindes erleben. Mein jüngster Sohn ist seit fast drei Jahren quasi unbeschult – trotz Schulpflicht! Bin selber Lehrerin und diese Erfahrung hat mich wirklich erschüttert.
    Deshalb freut es mich umso mehr, dass ihr mit dieser Initiative Erfolg hattet und es eurem Sohn nun viel besser geht 🙂

  4. Hallo,
    der vorletzte Absatz hat mir am besten gefallen. Wenn mehr Eltern diese Einstellung haben würden, gings den Schülern und Familien besser..
    Schöner Artikel, der Hoffnung vermittelt in dieser so chaotischen Zeit!

    1. Jein. Loslassen ist eine wichtige Elterneigenschaft. Und Schule/ Kita ist Ort der Kinder nicht der Erwachsenen. Sonst können Kinder das nicht lernen ( sind dann die, wo Mutti das Bewerbungsgespräch für Studium/ Lehre an sich reißt).

  5. Hallo,

    das freut mich, dass es geklappt hat mit der Schulgründung. Das belebt das Land wieder, super. Ich bin zwar keine Lehrerin, aber es gibt sicher einige, die lieber auf dem Land als in der Stadt unterrichten möchten. Schreibt doch bitte dazu, wo genau die Schule ist und welche Fächerkombinationen gesucht werden.

    Alles Gute für euch!
    Franzi

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