Viele fühlen sich angegriffen: Wie soziale Medien zum Fluch für junge Eltern werden können

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Ihr Lieben, mir geht mein Facebook-Beitrag von Sonntagabend nicht aus dem Kopf. Das ZDF zeigte versehentlich einen Horrorfilm im morgendlichen Kinderprogramm. Ich veröffentlichte einen Link und schrieb dazu: "Au Backe. Gut, dass unsere Kinder morgens kein Fernsehen schauen dürfen."

Damit habe ich lediglich eine Regel unserer Familie preisgegeben. Und wollte sagen: Oh mann, das darf dem ZDF doch wohl nicht passieren, die armen Kinder!
 

Die Diskussion nimmt eine andere Richtung

Statt über das ZDF zu diskutieren, ging es in den Kommentaren aber fast nur noch darum, sich und seine Regeln zu verteidigen. Grundtenor: Es gibt Schlimmeres, als Kinder morgens fernsehen zu lassen. Oder: Ich hab früher auch morgens ferngesehen und aus mir ist auch etwas geworden.

Niemand von euch – und wer hier länger liest, weiß das auch – sollte mit der Aussage "Bei uns gibts das nicht" auf irgendeine Weise verurteilt werden. Nur weil wir die Kinder im Familienbett schlafen lassen, müssen das doch nicht alle anderen tun. Nur weil wir sie Süßigkeiten in rauen Mengen futtern lassen, müssen das doch nicht alle anderen tun. Nur weil wir schon unsere Dreijährigen Gurken mit dem scharfen Messer schneiden lassen, müssen das doch nicht alle anderen machen! Also muss auch niemand seine Kinder morgens vom Fernseher fernhalten, nur weil wir das so handhaben!

Jede Werbung ein Vorwurf?

Im Grunde müssten wir uns dann doch auch von jeder BH-Werbung angegriffen fühlen, weil alle da so schöne und perfekte Brüste und Bodys haben! Frechheit, so sieht das bei mir ja gar nicht aus! Komischerweise reagieren wir auf Bilder aber gelassener als auf Worte.

Worte, die eigentlich nur beschreiben wollen, werden als Vorwürfe gelesen. Die Verunsicherung ist wirklich groß. Sagt jemand, wie er oder sie es macht, wird das schnell als Angriff gesehen. Ich kann mich ja selbst nicht davon freisprechen!

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Ich kenne das auch!

Vor einiger Zeit postete die geschätzte Kollegin Nora Imlau folgenden Spruch aus ihrem Buch "Das Geheimnis zufriedener Babys": "Ein Baby aus eigener Kraft geboren zu haben ist ein unglaublich erhebendes Gefühl. Trotz aller Erschöpfung ist an Schlaf nicht zu denken, vor lauter Stolz und Glück und Staunen über die Kräfte des eigenen Körpers."
Mich hat das im ersten Moment verletzt – und es ging vielen Frauen so, wie ich in den Kommentaren las. Mich hat das aufgewühlt, weil ich meine eigene Schablone auf den Beitrag legte. Und die ließ mich keine nüchterne Information lesen, sondern eine verletzende Version. Ich hätte meine drei Kinder gern natürlich entbunden und habe es jedes Mal versucht. Es endete trotzdem jedes Mal im Kaiserschnitt, trotz etlicher Wehen-Stunden und Mühen und obwohl ich an meinen Körper glaube und es bestimmt unter anderen Umständen geklappt hätte. Ich las aus Noras Beitrag einen Vorwurf: Nur, wer natürlich entbindet, hat einen kraftvollen Körper. Nur wer natürlich entbindet, spürt den Stolz auf die eigene Leistung. Dabei wollte sie das Gegenteil bezwecken!
 

Wenn Aussagen falsch verstanden werden

Nicht diejenigen fertig machen, die es nicht geschafft haben, natürlich zu entbinden. Sondern diejenigen aufbauen und bestärken, die es geschafft haben. Es ist eine Sache der Perspektive – UND der Emotionen. Deshalb fällt es uns so schwer, Dinge einfach als nüchterne Information zu betrachten. Wir schauen immer mit unserer eigenen Brille auf alles. Ein gutes Buch ist ein gutes Buch, wenn es Bilder im Kopf entstehen lässt, die wir selbst aus den Worten kreieren. Wer schon einmal die Verfilmung eines Buches gesehen hat, der weiß: Andere Menschen interpretieren das Geschriebene GANZ anders als man selbst. Es ist dasselbe Buch, aber was wir draus machen, ist von Person zu Person unterschiedlich. Das gilt auch für Beiträge in den sozialen Medien.
Ich erwähne das hier, damit uns das bewusster wird. Wir sollten viel weniger Aussagen als Angriff sehen! Das Geschriebene kommt nämlich einfach IMMER aus einer anderen Perspektive. Und wirklich: Das meiste soll kein Vorwurf sein, sondern einfach eine Tatsachenbeschreibung.
 

Die eine Regel gilt nicht für alle

Und zurück zum Fernsehen am Morgen: Nur weil bei den einen eine Regel passt, muss sie bei euch zu Hause noch lange nicht passen. Wenn ich sage: Unsere Kinder dürfen morgens kein Fernsehen gucken, dann soll das nicht heißen: Eure dürfen das auch nicht. Es soll heißen: Bei uns ist das so. Mehr nicht. Und niemand weiß, wie viel sie dann noch am Nachmittag oder Abend schauen dürfen 😉 
 
 
Weiterer interessanter Text zum Thema:
 

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8 comments

  1. Herzlich willkommen
    in meiner Welt! Genau dieses Kommunikationsproblem gibt es auch außerhalb der Medien und gerade Jugendliche, die mindestens so verletzlich wie junge Mütter sind, haben arg damit zu kämpfen. Ein Glück, dass Schulz von Thun und Watzlawick sich mit diesem Problem schon beschäftigt haben, so dass ich ihre Ergebnisse für die Arbeit mit den kids nutzen kann 🙂

  2. Ich glaube das „Problem“ ist
    Ich glaube das „Problem“ ist auch, dass es einfach soooooo viele Thesen/Theorien/Meinungen gibt in der Erziehung. Dann hat man sich Vllt durch alle Ratgeber durch gekämpft, nimmt sein Bauchgefühl dazu und entscheidet sich für einen Erziehungsstil. Und dann kommen andere u machen es voller Überzeugung anders. Im schlimmsten Fall erklären sie noch, warum ihr Stil besser und schlauer ist. U dann steht man da u fällt in eine Verteidigungsstrategie, weil es eben das persönlichste ist: die eigene Familie. Die wird dann „angegriffen“ von außen also Waffen gezückt.

    U zudem fehlt im Internet der Ton. Da kann jeder genau das rein lesen was er/sie mag.

    Drüber stehen, durchatmen u sich seiner Entscheidung selbst so sicher sein, dass andere einen nicht „angreifen“ können, ist glaub ich einfach sehr schwer in diesem wackeligen u sensiblen Konstrukt Familie.

  3. Klare Sprache – weniger Missverständnisse
    Wenn man sagen will „Oh mann, das darf dem ZDF doch wohl nicht passieren, die armen Kinder!“, dann könnte man das ja auch so schreiben und andere hätten eine gute Chance, das richtig zu verstehen 😉

  4. Stimmt absolut!
    Liebe Lisa, ich bin ganz Deiner Meinung, etwas mehr Gelassenheit und auch vertrauern in das eigene Elterngespür wäre oft besser. Mir sträuben sich aber auch oft die Haare darüber, wie in den Medien und Zeitungen (nicht bei Euch, deswegen finde ich Euren Blog aus so toll) das Elternsein und Kinderkriegen problematisiert und als riesiges Problem dargestellt wird-viele bekommen davon bestimmt das Gefühl, man könne nichts richtig machen und alles ist immer irgendwie falsch. Mehr Selbstbewusstsein ist gefragt!
    Den Vergleich mit den Brüsten in der Werbung finde ich allerdings etwas hinkend. Denn da gibt es ja viele, die zu Recht mehr Diversität fordern und sich über stereotype aufregen.
    Alles Liebe und bitte weiter so ermutigende Texte schreiben….;-)

  5. Genau meine Meinung!
    Guter Artikel, danke schön! Das Wort Schablone trifft es sehr gut. Ich glaube, niemand kann sich selbst davon ausnehmen, hin und wieder so zu denken. Und einfach mal etwas stehen zu lassen, ist ja nicht ganz einfach. Sobald jemand etwas äußert, ist es sowieso nur seine eigene Ansicht, das wird oft vergessen. Schade dass sehr schnell angefangen wird, zu vergleichen. Diskussion schön und gut, aber persönliche Ansichten müssen auch nicht immer bis ins kleinste Detail ausdiskutiert werden. Zum Glück sind die Menschen verschieden und jeder soll auf seine Weise glücklich werden.
    Liebe Grüße
    Anette

  6. Ich glaube das ist generell
    Ich glaube das ist generell ein schwieriges Thema, weil es viele Optionen gibt, die einfach nicht in richtig/falsch einzustufen sind. Wir sind aber als Mensch immer latent auf der Suche nach Bestätigung. Als Eltern „weiß“ man eben nie sicher, ob das alles gut ist beziehungsweise anders gesagt: Man fragt sich öfter, ob man alles richtig macht & dann ist man, denke ich, einfach empfindlicher. Nimmt man noch das geschriebene Wort dazu, dem es an Tonation fehlt, lässt sich schnell aus einem objektiven Statement, eine subjektive Kritik herauslesen.

    Liebe Grüße, Klaudia
    klaudiabloggt.wordpress.com

    1. „Richtig“ gibt es nicht.
      Liebe Klaudia, wenn ich das Wort „richtig“ in diesem Zusammenhang lese, dann muss ich doch ein wenig mit den Augen rollen, denn das ist etwas, was es nicht gibt! Das habe ich bei meinen Jungs schon früh für mich entschieden, dass ich es so machen muss (besser gesagt wir), wie es mir/uns richtig erscheint. Sonst wird man ja total verrückt…
      Liebe Grüße
      Anette