Mein hochsensibles Kind: Von Tränen, Unsicherheit und Schulverweigerung

hochsensibel

Ihr Lieben, das Thema Hochsensibilität begegnet uns in unserer Arbeit mit der Community immer wieder, wir hatten auch schon mehrere Beiträge über Kinder, die hochsensibel sind, dazu. Nun hat uns auch Natascha angeschrieben, ihr elfjähriger Sohn hat bereits einen sehr herausfordernden Schulweg hinter sich: Er hat innerhalb von fünf Jahren schon drei Schulen besucht.

Natascha hat ihre Geschichte in dem Buch „Mega anders & total normal“ aufgeschrieben und uns sagte sie dazu: „Hochsensibilität ist eine wundervolle Eigenschaft, die das Kind empathisch und sensibel macht – sie ist im Schulalltag manchmal ein Hindernis, weil das Kind krank wir oder ausflippt.

Ich glaube, dass es viele dieser unentdeckten hochsensiblen Kinder gibt, weil viele Ärzte und Pädagogen das Thema nicht (an)erkennen. Damit das anders wird, ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die über Hochsensibilität aufklären. Es ist keine Krankheit, sondern eine Eigenschaft, die Umwelt anders wahrzunehmen.“ Wir dürfen hier einen Auszug aus Nataschas Buch veröffentlichen:

Hochsensibel

Nils machte sich morgens fertig und flitzte los. An dem Tag kam mal kein Anruf wegen auffälligem Verhalten im Unterricht. Stattdessen klingelte es gegen 12 Uhr an meiner Tür. Noch vor Schulschluss. Da stand er. Mit roten Wangen und verschwitzt. Und mit hängenden Schultern.

„Hallo Mama.“

„Bist du abgehauen?“

„Nein. Ich war gar nicht in der Schule.“

„Wo warst du denn den ganzen Vormittag?“

„Ich bin oben zum Aussichtspunkt gefahren und habe dort mein Pausenbrot gegessen.“

Ich bat ihn erstmal reinzukommen. Dann hat er geduscht und ich habe ihm was zu essen gemacht. Dann haben wir geredet.  Er sagte, dass er das so geplant hatte, das war keine spontane Idee. Dass es für ihn besser ist, Ärger wegen dieser Aktion zu bekommen, als auch nur eine Stunde in diesem Klassenzimmer sein zu müssen. Und er sagte, dass es da oben am Berg, an dem Aussichtspunkt so wunderschön war. Er hatte überhaupt kein schlechtes Gewissen, sondern war richtig glücklich da oben.

Puh. 

Ich war überhaupt nicht wütend auf ihn. Es war sogar eher Verständnis, das ich da in mir spürte. Aber ich durfte das nicht zeigen, denn es wurde ja erwartet, dass ich schimpfe und tobe und ihn bestrafe. 

Oder? Das macht man doch, wenn das Kind die Schule schwänzt. 

Tat ich aber nicht. Ich nahm ihn in den Arm. Ein 10-Jähriger, ein 5.Klässler, der eigentlich noch nie erlebt hat, dass Schule auch Freude machen kann. Seine Schulzeit war bisher geprägt von Versagensängsten, Druck, Minderwertigkeitsgefühlen, dem stetigen Gefühl, „anders“ zu sein und einer gestressten Mutter. 

Was war seine Perspektive? Er musste da ja noch Jahre durch den Mist hindurch. In der Schule hatte man meinen Störenfried sicher nicht vermisst an dem Schwänz-Tag. Also meldete ich ihn nachträglich krank…

Meine Gedanken kreisten nur noch darum eine Lösung zu finden, dass mein gefühlstarkes und hochsensibles Kind gut durch die Schulzeit kommt. 

Mittlerweile zweifelte ich, ob die Waldorfschule für uns eine gute Wahl war. Und ich hatte Angst, dass wir von der Schule fliegen. Immerhin ist es eine privat finanzierte Schule, die könnten uns auch einfach den Vertrag kündigen und das war’s dann für uns. 

Auf eine Regelschule zurück konnte ich mir nicht vorstellen, das hatte ja schon in der 1.Klasse für uns nicht funktioniert. Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, auf welche Schule ich ihn überhaupt hätte schicken sollte mit dem Stand, den er in Bezug auf Schreiben und Rechnen hatte. Wahrscheinlich hätte ich ihn mindestens zwei Klassenstufen nach unten versetzt einschulen lassen müssen. 

Mein Kind ist hochsensibel und verweigert die Schule

Wir hatten einen weiteren normalen Schultag mit zwei Stunden Unterricht vor uns. Mein Sohn hatte morgens schon wieder heftige Kopfschmerzen, ging aber mit mir zum Auto, damit ich ihn in die Schule fahren konnte. Er war sehr niedergeschlagen, aber meines Empfindens nach nicht mehr als sonst auch. 

Es war mittlerweile „normal“ geworden, dass ich ein trauriges Kind in die Schule schleifte. Aber heute auf dem Schulparkplatz wollte er einfach nicht aussteigen. Er was blass wie eine Wand und hatte Ringe unter den Augen. Dann fing er an zu weinen und brach regelrecht zusammen.

Mein wunderbarer Junge, dieses ehemals lustige, fröhliche, kluge Kind, zerfloss vor meinen Augen und schluchzte und wimmerte und krümmte sich vor Kummer.

Ich war echt überfordert ehrlich gesagt. Ich drehte den Wagen auf dem Parkplatz und fuhr nach Hause. Aber was macht man in so einer Situation? Wenn sich euer Kind einen Arm bricht, fahrt ihr in die Notaufnahme des Krankenhauses. Aber wohin fährt man, wenn die Seele des Kindes bricht?


Hochsensibel

Heute geht es Nils übrigens viel besser, er geht auf eine reguläre Werkrealschule und schreibt gute bis durchschnittliche Noten. In dem Buch „Mega anders & total normal“ erzählt Natascha von ihrem Weg durch das Schulchaos und gibt wertvolle Tipps für andere betroffene Familien. Hier könnt ihr das Buch bestellen

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9 comments

  1. Scheint als müssten einige Kommentarschreiber selbst nochmals zur Schule gehen und so ziemlich alles neu lernen. Vielleicht entwickeln sie dann sogar Gefühle 🙂 Hoffentlich haben die keine Kinder…aber ihr seid ja „notmal“.
    Kinder sollen immer ehrlich sein dürfen und müssen nicht jede Scheisse über sich ergehen lassen, bloss weil es die Wirtschaft so will. Gibt später genug Schwachsinn den man nicht tun will, aber tun muss. Und wie selbstverantwortlich die heutigen „Erwachsenen“ sind, wissen wir alle. Egoisten und Schwachsinnige. Misshandlung gibt es in vielen Formen, informiert euch bitte darüber und vorher kein Wort mehr.

    1. Die Wirtschaft ist nun einmal das Feld auf dem man sich bewähren muss, wenn man ein auskömmliches Leben haben will.

      Man kann seine Kinder entweder nach sozialromantischen Vorstellungen erziehen oder man kann sie auf den globalen Konkurrenzkampf vorbereiten. Ich sehe meine Aufgabe als Vater nicht darin, meine Kinder anhand irgendwelcher wohlmeinender Ideologien zu erziehen, sondern vielmehr darin, sie auf das reale Leben mit allen seinen Härten vorzubereiten.
      Und in diesem Leben zählt nun einmal meist „winner takes it all“ und nicht „dabei sein ist alles“.

      Bei vielen Menschen existiert die irrige Vorstellung, dass die Gesellschaft gefälligst alle Nachteile auszugleichen habe, die aufgrund eigener Unzulänglichkeiten entstehen. Das ist aber plumpes Anspruchsdenken und als solches sogar noch weitaus egoistischer als eine konkurrenzbetonte Ellenbogenmentalität.

      Denn: Die konkurrenzbetonte Ellenbogenmentalität setzt wenigstens darauf Eigenes zu schaffen, während sozialromantisches Anspruchsdenken darauf setzt, dass die Anderen für die eigene Selbstentfaltung aufkommen müssten.

      1. Ich denke auch, dass man sein Kind auf das Zurechtkommen in der Gesellschaft vorbereiten muss. Aber meiner Meinung nach kommt man besser zurecht, wenn man Empathie und Teamgeist lernt. Denn die ganzen Probleme in der Gesellschaft und die Kriege in der Welt sind doch allein eine Folge von „the winner takes it all“. Und es gibt viele Menschen, die ein gutes Leben mit Teamgeist und Empathie führen. Z. B. in den sozialen Berufen. Abgesehen davon spielt Teamgeist in vielen Firmen heutzutage eine große Rolle. Und wer immer nur egoistisch nach seinen eigenen Vorteilen guckt und die Ellenbogen ausfährt, ist selten ein guter Teamplayer. Ich hab auch keine Angst, dass mein Kind bei dieser Erziehung zu viel einstecken und zurückstecken muss. Denn man kann für seine Meinung und seine Rechte selbstbewusst einstehen und trotzdem auf die anderen Menschen achten.

        1. Vielleicht hast Du mich da falsch verstanden, denn mir ging es nicht darum eine reine Ellenbogenmentalität zu promoten, sondern darum darzustellen, dass sozialromantisches Anspruchsdenken sogar noch egoistischer ist als besagte Ellenbogenmentalität.

          Keine Frage: Ohne Kooperationsfähigkeit (also auch Teamgeist) ist man wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig.

          Das ändert aber nichts an der Tatsache des „winner takes it all“, denn das eigene Team steht ja meist in Konkurrenz zu irgendeinem anderen Team, egal ob beim Fußball oder in der Wirtschaft.

          Es geht mir nicht darum, meine Kinder zu Einzelkämpfern zu erziehen. Aber auch in einem Team zählt Leistungsbereitschaft. Wer sich in einem Team ständig aufgrund eigener Befindlichkeiten vor den gemeinsamen Teamaufgaben drückt, wird im Team nicht respektiert werden. Eine gewisse Härte zu sich selbst braucht man sowohl als Einzelkämpfer als auch im Team.

          Um wieder zu dem Artikel zurückzukommen: Wenn eine Mutter vermittelt, dass es ok ist die eigenen Befindlichkeiten über eigene Aufgaben und Verpflichtungen zu stellen, so erzieht sie sich damit weder einen guten Einzelkämpfer, noch einen guten Teamplayer.

  2. Das klingt nach einem harten Weg. Ich hätte gerne mehr erfahren, wie dem Kind geholfen werden konnte.
    So ist es eigentlich nur Werbung für das Buch, da kein einziger Lösungsvorschlag kam.
    Liebe Lisa und liebe Katharina, ich lese euren Blog schon lange und eigentlich auch gerne. Ich verstehe auch absolut, dass guter Journalismus Geld kostet, daher finde ich es auch verständlich, dass es Werbung auf der Seite gibt.
    Aber bei den Beiträgen würde ich mir wünschen, dass sie dann mehr Inhalt haben. Dafür gerne auch weniger Artikel pro Woche.

  3. Ich finde es doch problematisch, wenn Eltern kindliche Probleme mit dem Schulbesuch vorschnell auf vermeintliche neuropsychologische Faktoren wie „Hochsensibilität“ (was nicht mal eine anerkannte Diagnose ist) schieben, ohne dabei auch den Anteil der eigenen Erziehung mit in Erwägung zu ziehen.

    Offensichtlich wird von Seiten dieser Mutter von ihrem Kind auch keinerlei Schuldisziplin eingefordert. Stattdessen wird jedes Verständnis, sowohl für schulstörendes Verhalten, als auch für Schulschwänzen gezeigt. Nach dem Titel ihres Buches zu urteilen, scheint die Mutter solcherart Verhalten ja „total normal“ zu finden und sogar einen gewissen Stolz darauf zu haben, dass ihr Kind so „mega anders“ ist.

    Was bei einer „elterlichen Unterstützung“, die jeden momentanen Gefühlsausbruch auf ein Podest hebt, logischerweise nicht gelernt wird, ist Frustrationstoleranz und auch mal etwas aushalten können.

    Vielleicht sollte sie die Ursachen für die mangelnde schulische Leistungsbereitschaft ihres Sohnes dann nicht in irgendeiner hoch umstrittenen neuropsychologischen Besonderheit, sondern in der eigenen Erziehung suchen?

    Es scheint mir jedenfalls nicht überraschend, dass ein Kind die Schule verweigert, wenn die Mutter ihm das Gefühl gibt, damit immer wieder durchzukommen.

    1. Flo
      ( das dieser Kommentar überhaupt veröffentlicht wurde? ) das sehe ich sehr ähnlich. Zumal offenbar auch keinerlei Ärzte oder Psychologen hinzu gezogen wurden sondern das offenbar reine Selbstdiagnose ist ( andernfalls gäbe es ärrliche Unterlagen/ Attest dazu). Und, natürlich immer im normalen Gleichgewicht, gehören auch schlechte Tage zum Leben, Aufgaben die nicht nur Spaß machen, durch die man sich durchlesen muss. Woher lernen wir sonst Ausdauer und Durchhaltevermögen? Nicht indem alles nicht Passende vermieden wird. Oder das typische “ Schuld sind alle Anderen nur nicht ich“. Das wird dem Jungen ein Leben lang nachhängen, was in der Kindheit versäumt wurde.

  4. Oje, ich fühle mit der Mutter! Auch unsere Tochter ist sehr sensibel und gefühlsstark. Auch wir hatten in der Grundschule leider schon unschöne Situationen, bei denen man einfach spürt: verdammt, die Kinder sollen einfach nur funktionieren, warum sieht denn niemand diesen wundervollen Menschen, der meine Tochter ist. Zum Glück hat ein Gespräch mit ihrer Lehrerin recht viel gebracht und auch, dass ihre Hortnerin, die vom alten Stil war, weg gegangen ist. Ich hoffe, sie hat jetzt noch eine schöne vierte Klasse vor sich! Und für Nils und seine Familie freue ich mich, dass sie eine gute Lösung gefunden haben! Es hängt immer so viel von den Menschen ab, die da direkt mit unseren Kindern zu tun haben.

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