Ihr Lieben, heute erzählen wir euch eine Freilerner-Geschichte, denn Caro hat, als ihr Sohn sechs war, ihre Taschen gepackt und ist mit ihm auf Reisen gegangen. Schon als sie noch selbst Schülerin war, zweifelte sie am Schulsystem und zog also nun mit ihrem Sohn durch die Lande. Sie hat das Buch „Die Welt ist mein Wohnzimmer. Ein schulfreies Abenteuer“ darüber geschrieben und nimmt uns hier im Interview mit durch ihre Abenteuer. Wie hat alles funktioniert?
Liebe Caro, als dein Sohn sechs wurde, bist du mit ihm nicht mit Schultüte zur Einschulung marschiert, sondern hast dich auf Reisen gemacht, wie kam es dazu?
Wir wollten erst mal eigentlich nur aus der Großstadt ausziehen. Neben den Herausforderungen, die wir hatten – hochsensibel, gefühlsstark, ganz allein begleitend als selbstständige Künstlerin usw. –, für die ich bessere Umstände suchen wollte, sind wir einfach sehr naturverbunden.
Eine ganze Menge „Zufälle“ haben uns in die Hände gespielt, dass wir schließlich einen Weg gingen, der so wunderbar richtig für uns war. So gab es eine leicht grotesk-lustige Situation in der letzten U-Untersuchung, die uns eine Rückstellung beschert hat, obwohl niemand gedacht hätte, dass mein Sohn da eine Chance hat, da er immer sehr weit entwickelt war. Das hat den ersten Schritt, wie es weitergeht, auch erstmal leichter gemacht.
Wir hatten die Wohnung gekündigt, aber keine der besichtigten Wohnungen auf dem Land bekommen. Wir sind schon immer viel und gerne gereist und hatten vom Sommer an sowieso erst mal eine kleine Reisezeit geplant. Alles Weitere hat sich dann fast von allein im Fluss ergeben.

Beschreib uns mal deinen Sohn…
Mein Sohn ist sehr offenherzig und kommunikationsfreudig. Er hat viel Energie und ist sehr bewegungsfreudig und -begabt. Er liebt Extremsportarten. Schon als Zweijähriger wollte er am liebsten mal mit einem Kajak einen Wasserfall runterfahren. Jahrelang immer wieder eine Zeit auf dem Jakobsweg zu wandern, war im Ursprung mit sechs Jahren sein Wunsch. Er ist interessiert und kreativ in vielen Richtungen und hatte schon immer besondere eigene Projekte, in die er sich vertieft hat.
Ich habe an verschiedenen Punkten gemerkt, dass es ihn blockiert und ihm jegliche Begeisterung nehmen kann, wenn er vorgeschrieben bekommt, was er wann lernen soll, anstatt dass es ihn weiterbringt. In seinem eigenen Flow hat er dafür immer wieder Erstaunliches hervorgebracht. Er war von Anfang an ein sehr autonomes Kind.
Früh hat er gezeigt, dass er selbstbestimmt und verantwortungsvoll seinen Weg gehen will. Aber er ist auch sehr feinfühlig und gefühlsstark. Bei Überreizung helfen ihm seine tiefe Verbindung zur Natur und zu Tieren und auch seine Bewegungskünste, sein Sport.
Das liest sich vielleicht, als ob mein Sohn besonders optimale Voraussetzungen für einen so freien Bildungsweg hatte. Ich glaube aber, dass alle Kinder unglaublich viel Potenzial in einer Vielfalt in sich tragen, Meist verlernen wir recht schnell, was uns wirklich interessiert und begeistert oder wie toll und natürlich Lernen an sich eigentlich ist.

Wieso wolltest du dich freimachen vom hiesigen Schulsystem?
Ich hatte schon als Kind den Eindruck, dass am Schulsystem einiges nicht stimmig ist. Auch als Tanzpädagogin in der Schule und in anderer pädagogischer und therapeutischer Arbeit mit Kindern hat sich mein Eindruck da vertieft. Trotz meiner negativen Schulerfahrungen war für unseren Weg ausschlaggebend, wie genial und stimmig selbstbestimmtes Lernen aus Begeisterung ist. Ein „für“ und nicht ein „gegen“!
Von was war deine eigene Kindheit geprägt?
Ich war als Kind viel im Wald, in der Natur und ständig in Bewegung, ähnlich wie Elijan. Mit Schule habe ich tatsächlich sehr viele negative Erfahrungen gemacht, und abgesehen davon habe ich auch schon damals das Gefühl gehabt, dass es draußen in der Welt viel Wichtigeres zu entdecken und lernen gibt. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, und so wie es damals üblich war, musste man sich nur an die Straßenecke stellen, und in kurzer Zeit hatten sich die anderen Freunde dazugesellt oder man hat sich einfach gegenseitig abgeholt, und dann war Freispiel dran.
Ich war allerdings auch in vielen Kursen, Musik, Malkurs, Sport usw., aber ein wenig war ich auch Einzelgänger und frei und selbstbestimmt sein war mir schon immer am liebsten. Sehr früh habe ich mich für indigene Völker, besonders für nordamerikanische Ureinwohner, interessiert und neben der Schule intensiv darüber geforscht. Ich hatte immer das Gefühl, dass bei uns etwas fehlt, was verlorengegangen ist, so etwas uns Menschen eigentlich Artgerechtes.
Arbeitest du noch als Künstlerin und Choreografin?

Ab und an, meine Arbeit ist vielseitig und ich finde mich immer wieder auch neu. Viele Jahre bin ich ja mit Elijan gemeinsam in kleinen Zirkus-Tanz-Theater-Shows aufgetreten. Mit ihm aufzutreten war immer besonders glückserfüllend, wir hatten so viel Spaß. Allerdings ist er mir die letzten Monate über den Kopf gewachsen und wir können unsere beeindruckendsten Kunststücke nicht mehr so machen!
Aber wir versuchen uns gerade mehr in Richtung Feuertanz zu entwickeln, Elijan tritt ja schon lange auch mit dem Feuerstab auf. Und wir geben Workshops, zusammen und jeder für sich. Zirkus, Tanz, Elijan Parkour. Ich bin auch Filzkünstlerin und habe diverse Fortbildungen, mit denen ich gerade auch neue Kurse und Angebote entwickle. Außerdem begleite ich Menschen zu ihrem Herzensweg und zum Lernen aus Begeisterung.

Wie lang wart ihr auf Reisen, wie hast du den Freilerner- „Unterricht“ gestaltet?
Das Buch beschreibt die ersten vier Reisejahre. Danach haben wir länger in Wohnungen gelebt, aber sind auch da immer lange gereist. Intrinsisch motiviertes Lernen, so wie es die Wissenschaft auch mittlerweile als nachhaltigstes Lernen erkannt hat, bedeutet nicht unterrichten, sondern das Kind begleiten in seinen Interessen, eine nährende Umgebung schaffen, Möglichkeiten, Material und Mentoren zur Verfügung stellen. Und dann ergeben sich auf dem Weg viele Synchronizitäten wie zum Beispiel, dass Elijan auf einmal als einziger Besucher im Pfahlbautenmuseum von Reetdachdeckern auf ein Dach geladen wurde und dort Spannendes gelernt hat! Im zweiten Teil des Buches teile ich viel aus unserem Lerntagebuch „Schule unterwegs“.
Ihr wart vier Jahre weg, wie habt ihr den Alltag gestaltet, hatte dein Sohn Kontakt zu Gleichaltrigen und in welchen Ländern wart ihr unterwegs?
Der Alltag hat sich unterschiedlich gestaltet und auch an den Aufenthaltsorten, den Aufgaben oder dem Gemeinschaftsleben dort orientiert. Die Form von regelmäßigem Alltag und Tagesablauf, die viele für nötig halten, hatten wir nicht so und haben ihn auch nicht gebraucht. Gewisse Regelmäßigkeiten gab es natürlich schon auch, wie zum Beispiel die allabendliche Vorlesezeit. Dafür gab es bei uns umso mehr Halt und Sicherheit gebende Familienzeit mit gemeinsamen Mahlzeiten oder gemeinsam oder nebeneinander Arbeiten und kreativ sein, gemeinsamer Begeisterung.
Elijan hat viele Briefe geschrieben und telefoniert, und wir wohnten regelmäßig in mehreren WGs auf Zeit, immer wieder mit seinen besten Freunden, für Zwischenaufenthalte. Auch an Reiseorten hat er schnell Freundschaften aufgebaut. Weit weg waren wir nie. Hauptsächlich waren wir in D, Österreich, der Schweiz und Italien.
Wie habt ihr euch unterwegs finanziert?
Wir haben viel gegen Kost und Logis gearbeitet, Häuser und Tiere gehütet, da braucht man nicht viel Geld, und es waren gleichzeitig wunderbare Lernerfahrungen für uns beide. Ein wenig habe ich meine freiberufliche Tätigkeit zusätzlich unterwegs ausgeführt.
Hast du an diesem, eurem einzigartigen Weg auch mal gezweifelt?
Klar, wie auf den meisten Wegen gab es auch Schwierigkeiten oder kleine Zweifel, von denen ich im Buch berichte. Aber letztendlich wurde immer wieder klar, dass der Weg stimmig ist für uns.

Wie alt ist dein Sohn heute, wie geht es ihm, wie geht es dir, wo seid ihr gerade?
Seit 2 Jahren sind wir wieder vollzeit unterwegs. Mein Sohn wird gerade 16, baut ein eigenes Business auf, macht Praktika, hat einen immer erfolgreicheren YouTube-Kanal in dem er als Elf Flinkeklinge Morgentau Wildkräuter und Naturwissen vorstellt, einen Parkour-Kanal und schreibt für das Weltreisemagazin Teens. Er ist in der Pubertät und ich in den Wechseljahren, das bringt wieder neue Herausforderungen mit sich und ist nicht immer leicht. Es ist dadurch auch einiges an Neuorientierung dran. Aber wir sind dankbar für unseren Weg und weitere wundervolle Reisen und Entwicklungen.
Was würdest du wieder so machen, was vielleicht eher nicht mehr?
Im Großen und Ganzen würde ich jederzeit alles wieder so machen.
Was möchtest du anderen Familien mitgeben, die vielleicht noch auf der Suche nach dem letzten Funken Mut für ihren eigenen Weg sind?
Hört ganz tief in euch rein und vertraut eurem Bauchgefühl, und dann habt den Mut und folgt eurem Herzen. Vertraut euch selbst und vertraut euren Kindern. Es lohnt sich! Und holt euch gerne Unterstützung und Inspiration, von mir oder den vielen Menschen, die auch ganz wertvoll begleiten und inspirieren.
