Im Dienst krebskranker Kinder: Ich arbeite gegen meine eigene Angst

Kinder und Krebs

Als ich im Sommer 2018 gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, nach meiner Elternzeit den „Förderkreis für krebskranke Kinder und Jugendliche Bonn e.V.“ zu unterstützen, war die erste Reaktion meines Mannes: Auf keinen Fall!

Zu schwer wog die Erinnerung an meine eigene Krebserkrankung im Jahr 2013, das Trauma, das unser großer Sohn – damals drei Jahre alt, davon zurückbehalten hatte und meine Angst davor, dass meine Kinder oder ich erneut erkranken könnten.

Das Gefühl, an einer Krankheit zu leiden, die man nicht 100 prozentig kontrollieren kann, vergisst man nie. Genau wie die Gedanken, was ist, wenn man tatsächlich seine Familie zurück lassen muss…

Der Krebs prägt mich bis heute. Solange meine Kinder gesund sind, geht es mir gut. Sobald eins von ihnen krank wird, geht mein Kopfkino los. Jedes – in den meisten Fällen – harmlose Symptom schnürt mir den Magen zu. Mündigkeit, Blässe oder Bauchweh sind bei Kindern in den allermeisten Fällen einfach nur Anzeichen von kleineren Infekten – sie könnten aber auch Symptome einer Krebserkrankung sein. Und das macht mich unterschwellig panisch. Diese Ängste kann ich nur dank psychoonkologischer Hilfe kontrollieren.

Weil ich selbst sehr dankbar bin. dass meine Krankheit so gut behandelt werden konnte, hatte ich schon länger den Wunsch, mich in der Krebshilfe zu engagieren. Zwar kehrte ich damals zunächst in meinen vorherigen Job als Geschäftsführungsassistentin in einem Verband zurück, aber der Gedanke ließ mich nie wirklich los. Auch wenn mein Mann große Zweifel hatte, sagte ich den neuen Job im Oktober 2018 zu und arbeite heute als Geschäftsführungsassistentin und verantwortlich für Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit beim Förderkreis Bonn e.V.

Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der 1982 von und für Eltern krebskranker Kinder, die an der Universitätsklinik Bonn behandelt werden, gegründet wurde. In unserem Elternhaus können Angehörige der kleinen Patienten kliniknah übernachten, unsere Psychoonkologin berät die Familien in allen Belangen und unsere Erzieherinnen schaffen Beschäftigungsangebote während der langen Therapiezeit, am Krankenbett oder in kostenlosen Ferienfreizeiten oder Kreativworkshops, an denen auch die Geschwister teilnehmen können. Jede Woche schicken wir Klinik-Clowns auf die Station und unser Küchenteam kocht Essen nach Wunsch, da die Chemotherapie den Geschmack beeinträchtigt.

Krebshilfe: Es gibt Wunder und Geschichten ohne gutes Ende

Ich kümmere mich um administrative Themen, begleite den Bau unseres neuen Familienhauses, spreche mit Spendern, schreibe unser Mitgliedermagazin. Aber ich habe natürlich auch immer wieder Kontakt mit den betroffenen Kindern und Familien.

Wir erleben wunderschöne Geschichten, aber auch unendlich traurige. Wie die Geschichte des kleinen Mädchens, dem man kaum Überlebenschancen gab – es aber gegen jede Prognose schaffte und nach ihrer Entlassung acht Monate bei einer unserer Erzieherinnen lebte, bis man eine liebevolle Dauerpflegefamilie für sie fand.

Oder die Geschichte von dem äthiopischen Jungen in der Parallelklasse meines älteren Sohnes, der für seine Schulzeit mit seinem Vater in Deutschland war. Als sein Hirntumor nicht mehr aufzuhalten war, flogen wir ihn nach Hause zu seiner Mama und seinen jüngeren Geschwistern und betreuten seine Klasse, in die er bis zum allerletzten Tag und unter großer Kraftanstrengung mit großer Freude gegangen war.

Was diese Geschichten mit mir machen? Gegen jede Erwartung deprimiert mich meine Arbeit nicht. Ich nehme sie nur selten mit nach Hause und empfinde sie als absolut positiv. Tatsächlich war ich in meinem Berufsleben noch sie so glücklich wie jetzt. Denn auch, wenn es manches Mal nicht gut ausgeht, so haben wir doch unser Möglichstes getan, um zu helfen. Und das ist ein gutes Gefühl. Die Dankbarkeit der Eltern lässt mich oftmals tief gerührt zurück.

Ich merke, dass die Arbeit mich auch für meine eigenen Ängste stärkt. Unsere Psychoonkologin sagt oft „Jedes Gespräch ist ein Gespräch gegen die Angst.“ Und das stimmt! Ob mit Kollegen, Freunden oder unserem Geschäftsführer, dessen Schwester im Alter von acht Jahren an einem Nierentumor verstorben ist und der bis heute den Geruch der Kinderkrebsstation nur schwer ertragen kann.

Mein Mann spricht nicht über meine Krankheit

Nur mein Mann kann nicht gut mit mir über meine Arbeit sprechen. Seine Angst, dass der Krebs unsere Familie wieder bestimmt, ist allgegenwärtig. Darum möchte er das Thema am liebsten aussparen. Am Anfang hat mich das verletzt, aber ich habe gelernt, es zu akzeptieren, denn das ist sein Weg mit unserer Geschichte umzugehen, sein Weg gegen die Angst. 

(Kleiner rührender Zwischen-Einwurf: Als mein Mann das gerade durchlas, wünschte er sich einen kleinen Zusatz. Nämlich, dass er im tiefsten Inneren bewundert, mit welcher Stärke und Kraft ich mich in diese Arbeit einbringe, weil er selbst das so nicht schaffen würde und dass er wahnsinnig stolz auf mich ist. <3)

Ja, manchmal wird mir das auch alles zu viel – psychisch und physisch. Dann werde ich ungerecht den Kindern gegenüber, nachlässig mit mir selbst und habe keinen Kopf mehr für die Themen meines Mannes. Manchmal möchte ich mich irgendwo in einer dunklen Ecke verkriechen, dann gibt es auch schonmal das I-Pad beim Mittagessen oder eben auch länger als sonst üblich. Einfach nur, um mir kurz etwas Luft zu verschaffen.

Ich will auch Vorbild für meine Kinder sein

Aber dann erinnere ich mich an die Zeit zurück, als ich mir nichts sehnlicher wünschte, als wieder gesund zu sein. Alles andere – das meine ich wortwörtlich – ist dagegen unwichtig. Und dann reiße ich mich zusammen und mache weiter. Wenn ich dann später mit Eltern spreche, die unendlich dankbar für unsere Hilfe sind, Feedback von Spendern bekomme, die uns unterstützen, weil sie von unserer Arbeit begeistert sind, und überglückliche Kinder sehe, die nach Wochen im Krankenhaus wieder nach Hause dürfen, dann weiß ich auch wieder, warum.

Und vor allem weiß ich auch, dass ich mit dem, was ich mache, ein Vorbild für meine eigenen Kinder bin. Ich habe mich nicht beirren lassen und das getan, von dem ich glaubte, dass es mich glücklich macht. Ja, das hätte schief gehen können. Ist es aber nicht. Manchmal lohnt es sich also, beherzte Entscheidungen zu treffen und auf sein Bauchgefühl zu hören. Deshalb: Habt Mut!

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