Ihr Lieben, wir kennen sie doch alle, oder? Die kleinen Teufelchen auf unserer Schulter, die uns einreden wollen, dass wir nicht genügen, dass uns dieser oder jene Erfolg nicht zusteht, dass andere es halt besser wuppen als wir. Heute sagen wir aber: Weg mit den Glaubenssätzen, die uns beschränken. Denn solche Sätze machen müde! Führen zu Erschöpfung, Selbstzweifeln oder sogar psychischen Krisen, die unsere berufliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
Dr. Silke Rusch deckt die verborgenen Muster auf, die Frauen in ihrer Karriere bremsen, und bietet praxiserprobte Methoden zur Überwindung dieser Barrieren. Sie beleuchtet die Ursprünge weiblicher Glaubenssätze und stellt wirkungsvolle Übungen vor, um die Work-Life-Balance zu verbessern und eine selbstbestimmte berufliche Vision zu entwickeln. Ihr Buch Women at work will Frauen mental stärken und ihre berufliche Entwicklung vorantreiben.
Liebe Frau Dr. Rusch, Sie sagen: „Viele Frauen stoßen im Berufsleben an unsichtbare Barrieren“. Was meinen Sie damit genau?
Zum einen sind das natürlich strukturelle und systemische Barrieren. Das heißt sie werden zum Beispiel seltener für höhere Positionen vorgeschlagen, befinden sich in schlechten Steuerklassen oder Meetings werden zu Zeiten angesetzt, in denen Frauen mit Care-Verantwortung nicht präsent sein können. Zusätzlich aber stoßen sie an eigene innere Überzeugungen, wie z.B. „Ich bin nicht kompetent genug“ oder „Ich bin eine Rabenmutter“. Glaube ich unbewusst an solche Sätze, schöpfe ich mein Potenzial im Job nicht aus.
Woher kommt der enorme innere Druck – vor allem bei Frauen in der Berufswelt?
Jede Frau hat natürlich ihre eigene Geschichte. Wir können jedoch beobachten, dass die Sozialisation bei den meisten Frauen in einer patriarchalen Art und Weise passiert ist. Frauen, die heute im Beruf stehen, sind in einer Welt aufgewachsen, die „von Männern für Männer“ gebaut wurde. Nach dieser Weltsicht war es viele Jahrzehnte nicht vorgesehen, dass Frauen erwerbsarbeiten, monetär erfolgreich sind oder Führungskraft werden.
Sprüche wie „Du heiratest einfach mal reich“ oder die Bezeichnung als das „schwache Geschlecht“ sind nur zwei Beispiele. Innerer Druck baut sich besonders dadurch auf, weil wir es mit extrem konträren Erwartungen zu tun haben. Frauen möchten heute im Job engagiert sein, können andere Anteile ihrer Rolle jedoch nicht „abgeben“. Sie fühlen sich gleichsam gezwungen, auch im Care-Bereich gut abzuliefern. Viele Männer nehmen sich für ihre Karriere mehr Rechte heraus und agieren nach dem Motto „Ihr wolltet beides, jetzt müsst ihr schauen wie ihr klarkommt!“
Weg mit den Glaubenssätzen… Warum tragen so viele Frauen und vor allem auch Mütter Glaubenssätze wie „Ich bin nicht gut genug“ mit sich herum – und wie können sie sie loswerden?
Im Buch bezeichne ich ihn als „Die Mutter aller Glaubenssätze“. Wir können alles Mögliche in diesen Platzhalter einsetzen: „nicht klug genug“, „nicht schlank genug“, „nicht dominant genug“… Diese Überzeugung speist sich aus einem ewigen Diskrepanzerleben – „ich bin nicht so klug/schlank/dominant wie ich eigentlich sein sollte“. Oftmals herrscht ein inneres Idealbild in diesen Frauen vor, wie z.B. eine perfekte Chefin oder eine perfekte Mutter zu sein hat.
Wir haben eine Chance, diese (unrealistischen) Vorstellungen zu überkommen, wenn wir z.B. gezielt nach Modellen Ausschau halten, die anders sind als unsere innere Box es uns diktiert. Glaubenssätze sind nichts anderes als Denkgewohnheiten. Wir können uns andere Gewohnheiten antrainieren – das braucht aber Zeit. Im Buch erläutere ich noch zahlreiche andere Möglichkeiten und Methoden.

Sagt Ihnen das Impostor-Syndrom, also das so genannte Hochstapler-Syndrom etwas? Auch davon hören wir immer wieder. Dass Frauen, wenn sie denn mal Erfolg haben, fürchten, doch irgendwann als untauglich „enttarnt“ zu werden. Was möchte uns die Psyche damit sagen?
Das ist eine schöne Frage – so wurde sie mir noch nie gestellt… In erster Linie ist das Impostor-Syndrom ein Selbstkonzept, d.h. eine Art wie wir unsere eigene Person, unsere Handlungen und Leistungen interpretieren. „Impostor“ gehen davon aus, dass sie (in Relation zu anderen) „kleine Leuchten“ sind, deren Kompetenz fälschlicherweise überschätzt wird. Etwa 70% aller Menschen (auch Männer) kennen Impostorgedanken. Der Glaubenssatz „Hochmut kommt vor dem Fall“ ist meist stark verinnerlicht.
Soziale Blamage ist etwas, wovor sich Menschen insgesamt sehr fürchten – denn das würde eine Art „Ausschluss“ oder „Karriereende“ bedeuten. Das Impostorsyndrom kommt deshalb gerade bei hochqualifizierten Personen vor, weil diesen klar ist, wie groß die potenzielle Wissensmenge aus ihrem Bereich ist. Laien überschätzen ihre Kompetenzen eher (der sog. Dunning-Kruger-Effekt). Ich glaube, dass ein Scheitern im Job für Frauen deshalb eine besonders schlimme Horrorvision ist, weil sie sich die Erwerbsarbeit hart erkämpft haben. Das verstärkt Druck & Ängste.
Wenn wir Menschen weiblichen Geschlechts im Betrieb immer nur schauen, dass es unserer Umgebung gut geht, verhindert das bisweilen unseren eigenen Erfolg?
Ja, definitiv. Gegen Freundlichkeit und Kollegialität ist natürlich nichts einzuwenden. Allerdings sorgen Frauen (gemäß ihres anerzogenen Rollenbildes) auch konstant für den Geburtstagskuchen, Kaffee am Konferenztisch oder ein reibungsloses Event, ohne dass diese Dinge positiven Einfluss auf ihre Karriere hätten.
Es ist ein Zweiklang aus recht automatisierter Verantwortungsübernahme der Frauen und Zuschreibung dieser Verantwortlichkeit durch männliche Kollegen und Vorgesetzte. Kompetenzen, die für diese Handlungen nötig sind (Kooperation, Organisationstalent, Kollegialität) werden jedoch für spätere Personalentscheidungen nicht ins Feld geführt.
Wie kommen wir da raus? Wir haben mal einen Text hier veröffentlicht, der hieß: Bloß nicht wischen. Darin geht es darum, als Frau in einer Besprechungsrunde nicht direkt aufzuspringen, wenn ein Glas umfällt, sondern erstmal abzuwarten, wie die Herren drauf reagieren.
Sich dieser inneren Impulse bewusst zu sein, ist immer der erste Schritt. Ich würde raten, nie automatisiert zu handeln, sondern immer ein paar Minuten abzuwarten. Oft reicht auch eine Gegenfrage (beim Beispiel „Besorgst DU das Geschenk?“ könnte sie lauten „Was spricht dagegen, dass DU das machst?“). Wir dürfen uns aber auch an unsere eigene Nase fassen!
Wann haben Sie z.B. schon mal den Freund (und nicht die Freundin) gefragt, ob er einen Salat fürs Grillfest mitbringt? 😉 Wir kommen auf lange Sicht nur aus diesen Mustern raus, wenn alle Parteien sensibel agieren. Das System ist aber gerade für Cis-Männer äußerst bequem – frei nach dem Motto „never change a running system“ ist daher nicht zu erwarten, dass der Wandel schnell geht.

Neulich hörte ich, dass in einem Betrieb zum ersten Mal ein männlicher Assistent eingestellt wurde und der CEO sich nicht traute, ihn um einen Kaffee zu bitten. Sind denn unsere Rollenbilder immer noch so verrostet?
Ja, vielfach leider schon. Sich gegen Denkgewohnheiten zu wehren und Dinge im Verhalten aktiv anders zu machen, ist anstrengend. Unser Gehirn möchte Gewohntes tun, nichts „Rebellisches“. Das Beispiel, das Sie nennen, ist psychologisch interessant. Denn hier gerät das Gehirn des CEOs in heftige Dissonanzen: „Assistenz + Kaffeeservice“ gehören zusammen, „Assistenz + männlich“ jedoch nicht, ebenso wie die Kombination aus „männlich + Kaffeeservice“.
Aus fachlicher Sicht ist es gar nicht merkwürdig, dass das eine Art Störgefühl verursacht – die Frage ist eher, wie man damit umgeht. Es wäre falsch, den männlichen Assistenten nun dauerhaft anders zu behandeln. Dann würden wir Diskriminierung und Rollenklischees fortsetzen. Vorurteile haben wir alle, wir dürfen aber lernen, sie zu hinterfragen und zu revidieren.
Was finden Sie selbst organisatorisch anspruchsvoller: Führungskraft sein oder Vierfachmutter?
Die Kombination aus beidem. Als Mutter einer Großfamilie muss ich mit meinem Mann extrem gut organisiert sein, damit keine mittelschweren Katastrophen passieren. In einem Job, in dem es häufig unvorhersehbar zugeht und auch mal um Menschenleben gehen kann, aber auch. Im Job hilft es mir, dass ich in tollen Teams arbeite, auf die ich mich zu jeder Zeit verlassen kann. Da springt auch mal jemand ein, wenn es sein muss. Zuhause teilen wir seit Kind Nr.3+4 alles paritätisch auf, jeder hat seine Bereiche.
Welchen ultimativen Tipp haben Sie, um unsere selbstbestimmte berufliche Vision zu entwickeln?
Ich sage gern „Folge der Freude“! Das bedeutet, dass sich jede Frau mit ihren Bedürfnissen und Werten beschäftigen sollte. Was soll am Ende meines Lebens auf meinem Grabstein stehen? Welche Spuren möchte ich hinterlassen? Das können wertvolle Fragen sein, um im Hier und Jetzt auf den richtigen Wegen unterwegs zu sein.
Stelle ich z.B. fest, dass mir finanzielle Unabhängigkeit sehr wichtig ist, ich aber 1500 € netto verdiene, dann kann das kein selbstbestimmter Weg sein, dann ist diese Situation durch äußere Zwänge entstanden. Und dann könnte ich schauen, wie ich mich meinem Leuchtturm (finanzielle Unabhängigkeit) nähern kann.
Vielleicht brauche ich eine Umschulung, Weiterbildung, eine Gehaltsverhandlung oder muss meinen Partner auffordern, einen ausgleichenden ETF für mich zu besparen. Die Optionen sind individuell – aber das wäre dann selbstbestimmt.