Alleinerziehender Papa: Johnny über sein Leben allein mit seiner Tochter

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Ihr Lieben, vor einiger Zeit haben wir bei Facebook einen Artikel von Johnny geteilt, der von Euch viel kommentiert wurde. Johnny erzählt darin, dass er seit einem halben Jahr alleinerziehend ist und wie es ihm damit geht. Der Text wurde so oft geteilt, dass wir es irgendwann nicht mehr zählen konnten. Wir haben Johnny deswegen um ein Interview gebeten. 

Es gibt Leben, die sind anstrengender als andere“, schreibst du in deiner Bilanz nach einem halben Jahr als alleinerziehender Vater einer Tochter. Was meinst du damit? 

Was ich damit nicht meine, was mir aber seit Veröffentlichung schon sehr oft vorgeworfen wurde ist, dass ich das Leben anderer gegen meines aufrechne. Andere hätten es schließlich auch schwer, hätten mehr Kinder etc. Darum geht es aber überhaupt nicht. Ich schaue bei diesem Satz ausschließlich auf mich und die Leben, die ich selbst geführt habe.

Es gab Zeiten in meinem Leben, da war alles anders. Wenn ich morgens aufwachte und für mich ganz allein entscheiden konnte, wie ich meinen Tag gestalte. Oder meine Zukunft. Ob ich hier in Berlin bleiben möchte oder ob ich meinen Lebensmittelpunkt in ein anderes Land verlegen möchte. Unabhängig und selbstbestimmt. Das war um einiges leichter als das Leben heute. Auch gab es gab Zeiten, da habe ich täglich mehr als 16 Stunden pro Tag gearbeitet – selbst das war leichter als mein Leben heute. Anders zwar, aber irgendwie doch leichter. Damit wir uns aber richtig verstehen: unter gar keinen Umständen möchte ich mein Leben heute gegen das, was ich früher gelebt habe eintauschen.

Nun kennen wir viele alleinerziehende Mütter. Väter, die ihr Kind allein groß ziehen gibt es noch immer nicht ganz so viele. Wie reagiert dein Umfeld?

Als alleinerziehender Vater ist man schnell bekannt wie ein bunter Hund. Auch bekommt man viele Vorschusslorbeeren. Die Reaktionen reichen sodenn auch von Mitleid für das Kind (oder für mich) bis hin zu großer Bewunderung. Beides löst in mir Unbehagen aus. Meine Tochter ist emotional nicht ärmer, nur weil es bei ihrem Vater aufwächst. Dass ich für meine Tochter präsent sein muss, das ist etwas Selbstverständliches und braucht auch gar keine Bewunderung. Was hingegen wirklich positiv ist, dass ist die Hilfe auf Augenhöhe, die mir immer wieder angeboten wird.

Hast du Hilfen im Alltag, Freunde, Familie oder wie wuppst du das mit deiner Tochter?

Meine Tochter und ich sind im Grunde schon länger als ein halbes Jahr allein. Allerdings habe ich das erst so Stück für Stück publik gemacht. Ein familiäres Netzwerk existiert von beiden elterlichen Seiten nicht. In der ganzen Zeit zu zweit sind meine Tochter und ich im Grunde allein. Abgesehen von seltenen Hilfen durch Freunde oder eben der Kita. Ich wuppe das also gänzlich allein. Auch, weil ich mein Alleinerziehenden-Sein bisher nicht so sehr kommuniziert habe. Aber wie gesagt, das ändert sich gerade und dementsprechend werde ich in Zukunft nicht mehr ganz allein sein, auch wenn ich im Grunde kein großer Netzwerker bin.

Wie hat sich euer Verhältnis zueinander verändert, seit ihr nur noch zu zweit seid?

Unser Verhältnis ist sehr viel näher geworden, dadurch aber auch ungleich komplizierter. Schließlich gibt es niemanden , der meine Tochter auffangen könnte, wenn wir uns aneinander reiben. Auch reagiert sie jetzt sehr viel empfindlicher auf das, was ich fühle. Sie spürt viel von dem, was in mir vorgeht. Das war vorher nicht ganz so intensiv. Meine Tochter hat gelernt, mich noch sehr viel genauer zu lesen und zu sehen – und auch ich bin ihr jetzt sehr viel näher. Früher hat sie vieles, was in ihr vorging einfach weggeschlossen und nicht verbalisiert. Mittlerweile können wir eigentlich über alles sprechen. Und wenn wir nicht darüber sprechen, dann wissen wir dennoch, was der andere denkt. Das ist schwer in Worte zu fassen.

Wie geht es denn ihr mit der neuen Situation? Siehst du da eine Entwicklung?

Das mag jetzt hart klingen, aber: meine Tochter spürte bereits in den ersten Stunden, was passiert war. Dessen bin ich mir heute sehr sicher. Schon in den ersten Tagen und Wochen wurde sie für alle sichtbar deutlich gelöster und sicherer, als noch zuvor. Für ihre Entwicklung war das Zuzweitsein unbedingt gut. Ganz so, als könne sie ihre eigenen Hemmungen endlich und nach und nach fallen lassen.

Mittlerweile nähert sie sich ihrer Mutter wieder an, nachdem meine Tochter sie lange Monate überhaupt nicht gesehen hat und auch nicht sehen wollte. Das führt an dieser Stelle aber vielleicht ein wenig zu weit.

Wie gehst du mit deinen Selbstzweifeln um, die dich packen, wenn du in einer Situation anders reagiert hast, als du es von dir erwartet hast?

Ich verwende viel Zeit darauf, mich selbst zu hinterfragen bzw. auch darauf, Situationen durch die Augen meine Tochter zu sehen – und mein Verhalten gegebenenfalls zu ändern. Das klappt meist jedoch nicht in genau der Situation, in der es nötig gewesen wäre, sondern erst hinterher. Also dann, wenn ich eigentlich schon viel zu müde für sowas ist, nämlich abends auf der Couch. In aller erster Linie versuche ich dann meine Eindrücke und Gefühle und im Endeffekt auch mich zu ordnen. Ich glaube, ich bin mittlerweile gar nicht so schlecht darin, obgleich es einen tagtäglichen Kraftakt bedeutet. Auch das Verzweifeln gehört irgendwie in diesen Prozess hinein. Ich lerne, auch diesem Gefühl Raum geben zu können, ohne davon komplett vereinnahmt zu werden. In diesem Sinne hat mir meine Tochter sehr geholfen, mich selbst noch einmal neu kennenzulernen und zwar mit allen Stärken, Schwächen und blinden Flecken, die mir zuvor gar nicht bewusst waren. Und das ist ausschließlich gut.

Nachdem du deine Bilanz nach einem halben Jahr als alleinerziehender Vater veröffentlicht hast, ist trotzdem etwas ziemlich Schönes geschehen. Würdest du uns davon erzählen?

Oh, wo soll ich da anfangen? Wie es der Zufall so wollte, habe ich kurz nach dessen Veröffentlichung jemanden kennen gelernt – ebenfalls alleinerziehend. Eigentlich wollten wir uns nur zum gemeinsamen „Kinderquatsch“ verabreden. Daraus wurde dann aber doch sehr schnell Erwachsenenquatsch – und nun haben wir das erste lange Wochenende gemeinsam mit den Kindern verbracht. Natürlich steckt hinter dieser Situation sehr viel Gedankenarbeit und Redebedarf und natürlich ist so manches etwas komplizierter als bei anderen. Doch am Ende des Tages und nach allem, was ich und was wir gesehen haben, könnte ich es mir kaum schöner vorstellen.

 

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