Entschleunigung mit Baby: Wann ist ein Tag ein guter Tag?

Entschleunigung

Foto: Juliane Dunkel

Ihr Lieben, Geduld ist nicht so meine Stärke und ich mag Trubel und Effektivität. Ich glaube, deshalb habe ich mich in Zeitungs-Redaktionen auch immer so wohl gefühlt. Man konnte am Ende eines Tages sehen, was man geschafft hatte, es war immer was los, oft herrschte Zeitdruck und Aufregung.

Auch später, als Selbstständige, fühlte ich mich immer besser, wenn ich viel am Tag geschafft hatte. Ich brauche keine großen Pausen, halte mich für ziemlich multitasking-fähig. Interview führen und nebenbei Wäsche zusammenlegen, hier noch schnell ein Termin, da noch eine Verabredung, schnell noch einkaufen gehen, jede Wegstrecke sinnvoll nutzen. Klar hatte ich auch mal Gammeltage, aber generell mag ich das Gefühl am Abend, etwas geschafft zu haben.

Entschleunigung muss ich erst lernen

Nun ist das Baby da und alles ist wieder mal anders. Ich brauche manchmal einen halben Tag, um auf eine WhatsApp zu antworten, manchmal schaffe ich es erst, mittags duschen zu gehen. Mein Highlight ist ein kleiner Spaziergang um den Block, für die Kinder war wieder nur Tiefkühl-Pizza drin.

Es gibt Tage, da sitze ich im Schlabberlook stundenlang auf der Couch, schaue einfach aus dem Fenster, die Schulter nass von Muttermilch, das Baby in meinem Arm. Ich mache gar nichts, der Uhrzeiger rast und ich sitze einfach nur.

Und ja, diese Veränderung ist für einen Menschen, der so viele Hummeln im Hintern hat, gar nicht so leicht. Wenn ich doch nur eben die Wäsche zusammenlegen könnte. Wenn ich doch nur schnell den Beitrag fertig schreiben könnte. Ich wünschte, ich könnte mit meiner Freundin telefonieren und dabei Mittagessen kochen. ICH SCHAFFE WIRKLICH GAR NICHTS! Das und viel mehr schwirrt mir dann manchmal im Kopf herum.

Was ist wirklich wichtig?

Aber ist das wirklich so? Erstmal lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob wirklich nur ein produktiver Tag ein guter Tag ist. Oder kann auch ein ganz langsamer, gemütlicher Tag gut sein? Ist ein Tag wirklich nur sinnvoll genutzt, wenn wir möglichst viel von unserer To do Liste streichen konnten? Oder reicht es auch, einfach nur zu sitzen, Nähe zu spenden? Ist es erstrebenswert, immer durch den Tag zu hetzen oder sollten wir alle viel mehr Langsamkeit leben?

Und der zweite wichtige Gedanke: Schaffe ich wirklich gar nichts mehr? Oder sind da trotzdem ganz viele kleine Dinge, die ich schaffe? Das Baby zu versorgen und zu trösten, den Großen mit den Tiefkühl-Pizzen eine mega Freude zu machen. Zu duschen, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Die Tochter vom Tag erzählen zu lassen, während ich stille. Die Kleine ins Bett zu bringen und mit ihr ein Gute-Nacht-Lied zu singen. Ein kleines, nettes Gespräch mit dem Postboten zu haben. Ist das alles wirklich NICHTS? Ich glaube, wir alle kennen die Antwort.

Durch Kinder lernen wir so viel. Über uns selbst, über andere und natürlich über unsere Familie. Das Irre ist: Dieser Lernprozess beginnt schon in der Sekunde nach der Geburt – und endet vermutlich nie, auch nicht, wenn unsere Kids erwachsen und wir schon alt und grau sind…

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3 comments

  1. Oh wie ich das fühle! Vor allem die Hummeln! Meine Jungs sind mittlerweile 5 und 7 und auch heute noch erinnere ich mich oft daran mein Handy/Laptop/Putzlappen/ToDoListe und und weg zu packen und die Zeit im Tempo der Kinder und mit ihnen zu leben 🤍

  2. Na und der Beitrag hier hat sich sicher auch nicht via ChatGPT geschrieben. Das kostet ja auch Zeit. Ich hab mich in den Babyzeiten am Abend völlig ok auch oft gefragt, was hab ich den Tag über eigentlich gemacht? Kann ein paar mal wickeln, Stillen und Baby bei Laune halten wirklich FullTime sein? Das „Problem“ ist auch oft, dass wenn ich etwas anderes anfangen wollte, ich oft unterbrochen wurde. Jetzt ist die Windel voll, Baby weint etc.. der berühmte Verlust der Selbstbestimmung auch über die eigenen Aufgaben die man sich setzt.

    1. Ich kann mich so, so gut an dieses Gefühl erinnern. Wenn ich das völlig unzufrieden abends meinem Mann erzählt habe, hat er inmer gesagt: „Hallo??? Du hast den ganzen Tag unser neugeborenes Baby versorgt, das ist doch riesig viel!!!“
      Und damit hat er doch auch völlig recht!

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