Eine Erzieherin erzählt: Manche Kolleginnen finden besondere Kinder einfach nur nervig

Erzieherin

Foto:Pixabay

Ihr Lieben, neulich hatten wir hier einen Bericht, in dem Juliane uns erzählt hat, dass eine Kita-Erzieherin ihren Sohn einfach nicht leiden konnte und dass er deshalb eine wirklich harte Zeit hinter sich hat. Daraufhin hat sich Marita bei uns gemeldet – sie war viele Jahrzehnte Erzieherin und hat uns gesagt, dass es – neben natürlich ganz tollen und engagierten Erzieherinnen – auch Kolleginnen gibt, denen Empathie und pädagogische Kompetenz fehlt. Davon erzählt sie hier.

Liebe Marita, du bist seit 6 Jahren in Rente, aber hast viele Jahre als Erzieherin gearbeitet. Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?

Genau, ich bin jetzt 70 Jahre alt und arbeite seit sechs Jahren nicht mehr. Als ich noch ein Kind war und es darum ging, was Mädchen später mal werden wollen, gab es eigentlich nur die Antwort: Hausfrau und Mutter.

Für mich stand aber schon immer fest, dass ich mit Kindern arbeiten wollte. Zum Glück kam ich in eine recht fortschrittliche Ausbildungsstätte und hatte damit ein gutes Fundament. Ich bin als Einzelkind aufgewachsen, hatte aber schon immer einen guten Draht zu Kindern und fand es faszinierend, sie zu beobachten. In der Ausbildung wurde uns beigebracht, Kindern mit Respekt und Neugierde zu begegnen. Das war damals noch nicht überall selbstverständlich und für mich völlig neu. In meiner Kindheit hieß es noch: Kinder darf man sehen, aber nicht hören.

Wenn du zurückdenkst an die Jahre in der Kita: Was war das Schönste an deinem Beruf?

Ich fand es spannend, die Entwicklung der Kinder zu beobachten und zu begleiten. Damals gab es in der Pädagogik eine Aufbruchstimmung und völlig neue Ideen. Die kamen meiner Meinung nach Kindern gegenüber sehr entgegen.

Ich habe dadurch auch sehr viel über mich selbst gelernt und versucht, den Kindern mit mehr Respekt und Zuneigung zu begegnen. Das hieß, ich habe schon immer mehr auf die Fortschritte der Kinder geschaut und nicht zu sehr auf die „Fehler“. Und mit dieser Einstellung hab es sehr sehr viele schöne Momente, viel Freude und auch das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun.

Gab es auch etwas, was dir nicht gefallen hat?

Am Anfang gab es da wenig. Unser Team war anfangs sehr engagiert und offen. Zudem hatten wir viel mehr Zeit, weil die allermeisten Kinder nur vormittags im Kindergarten waren.

Später hatte ich dann zum Teil sehr wenig engagierte Erzieherinnen als Kolleginnen, die eher dem Bild der Kaffee trinkenden Basteltante entsprachen. Was mir dabei am meisten Kummer machte war die Art, wie sie mit den Kindern umgingen. Das war teilweise erniedrigend und kaum einfühlsam. Wenn man z. B. einem neuen Dreijährigen, der weinend ankommt, weil ihn drei große Jungs verfolgen und ihm Angst machen sagt: „Da musst du jetzt durch. Wenn du erst mal in der Schule bist, hilft dir auch keiner“, dann fehlt für mich jede pädagogische Kompetenz und jede Empathie. Unter dieser Situation habe ich sehr gelitten.

Du sagst, du hattest manchmal richtig Bauchschmerzen damit, wie einige Kolleginnen sich verhalten haben…

Ja, in solchen Situationen wie oben geschildert, in denen Kinder im Stich gelassen wurden und mit ihren Ängsten und Sorgen alleine blieben. Für manche Kolleginnen waren Kinder mit besonderen Bedürfnissen oder nicht angepasstem Verhalten einfach nur nervig. Die Gründe für ihr Verhalten wurde nicht hinterfragt und es wurde einfach sanktioniert.

Für mich waren diese Kinder eher Herausforderung, zu beobachten und hilfreiche Lösungen zu finden. Ich bin nie davon ausgegangen, dass mich so ein Kind grundlos ärgern will. Mir war klar, es hat gerade keine andere Möglichkeit und es ist meine Aufgabe, es zu unterstützen. Wenn ich dann beobachtet habe, wie manche Kolleginnen mit den Kindern umgegangen sind, bin ich immer eingesprungen für das Kind. Das hat mich und meine direkte Kollegin schon zu Außenseiterinnen gemacht. Wenn ich dann in die Küche gegangen bin und von Weitem lautes Geschnatter zu hören war, ist dieses bei meinem Eintreten plötzlich verstummt. Das Arbeitsklima war für mich zum Schluss unerträglich. 

Du hast damals auch die Leitung informiert. Wie hat sie reagiert?

Mir wurde gesagt, man wisse von der Problematik, aber es gebe einfach kein anderes Personal und so müsse man damit leben.

Du hast so viele Jahre als Erzieherin gearbeitet – wie haben sich die Kinder in diesen Jahren verändert? 

Wie schon gesagt, die meisten Kinder kamen früher nur vormittags in den Kindergarten, zum Mittagessen blieben nur wenige. Viele Kindergartenkinder kamen komplett selbstständig zum Kindergarten und gingen auch alleine zu Fuß wieder nach Hause. Wir waren auf dem Land, alles war überschaubarer und ruhiger.

Die Kinder waren auch noch viel mehr in alten Verhaltensmustern, z. B. nicht so neugierig und steckten alle sehr in den jeweiligen Rollenbildern. Kinder, die diesen Rollenbildern nicht entsprachen (z.B. schüchterne Jungs oder Kinder mit getrennten oder alleinerziehenden Eltern) hatten es schwer. Sie waren oft Außenseiter und wurden auch nicht wirklich optimal unterstützt.

Es gab viel weniger Kinder mit Allergien oder Unverträglichkeiten und die Kinder hatten viel mehr unverplante Zeit als das heute der Fall ist. Sie trafen sich nachmittags daheim bei ihren Freunden und nur wenige hatten Sport- oder Musikangebote am Nachmittag.

Würdest du heute nochmal den Beruf ergreifen?

Wenn die Arbeitsbedingungen sich nicht so verschlechtert hätten (für den pädagogischen Anspruch viel zu wenig Personal, zu viel Bürokratie und vor allem für Teilzeitkräfte zu wenig Vorbereitungszeit) und mit den richtigen Kolleginnen oder Kollegen auf jeden Fall.

Auf was sollten Eltern achten, wenn sie sich für eine Kita entscheiden?

Schon bei der Anmeldung alle Ohren aufsperren und auf den Ton im Umgang mit den Kindern achten. Das beste pädagogische Konzept ist für die Tonne, wenn es nicht gelebt wird. Vielleicht noch jemand mitnehmen, der sich völlig unbeteiligt in einer Ecke in sein Handy vertieft. Dann wird dieser Mensch schnell vergessen und evtl. Hemmungen, sich in Gegenwart fremder Erwachsener so zu verhalten wie immer auch.

Und ich würde mich immer für das pädagogische Konzept entscheiden, das am wenigsten verspricht, denn dann lässt man den Kindern die Freiheit, auch mal einfach „nur zu spielen“. Dabei lernen sie meistens am meisten, weil sie dabei ihren eigenen Interessen nachgehen.

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7 comments

  1. Danke Marita. Ich verlinke mal einen Artikel.

    Und da bringt es jemand auf den Punkt:

    „Der Kita-Ausbau war keine bildungspolitische Maßnahme, sondern eine indirekte Form von Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik. Die Eltern sollten dem Arbeitsmarkt flexibel zur Verfügung stehen. Es ging nicht um die Kinder.“
    https://www.zeit.de/2023/53/integration-schulen-aladin-el-mafaalani-pisa-studie

    Ich glaube die Rahmen- und Arbeitsbedingungen in den Kitas sind ein komplexes Problem einer Leistungsgesellschaft, die Rechtsansprüche verspricht und versprochen hat.

    Ich verstehe nicht, warum Erzieher*innen in der Ausbildung sofort als volle Arbeitskraft gelten und viel zu schlecht oder bis vor kurzem gar nicht vergütet wurden. Derzeit locken viele Arbeitgeber Menschen in die Ausbildung die neben der Arbeit in Vollzeit dann als Fernstudium die Ausbildung allein nebenbei machen und besser vergütet werden. Keine Ahnung, wer sich das ausgedacht hat. Meine Ausbildung hat von einem intensiven Austausch gelebt, vieles zu hinterfragen, sich selbst zu reflektieren und ein ganzheitliches Menschenbild zu entwickeln.

    Es ist schade, denn die Kinder sind unsere Zukunft. Es gibt so viele Kinder aus nicht-deutscher Herkunft und sie bräuchten eine viel intensivere Förderung in den Kitas.
    Es wäre sehr schön, wenn Erzieher*innen so wertgeschätzt werden, dass junge Menschen gern und unbedingt wieder die Ausbildung machen möchten.

    So viele Alltagshelfer*innen stemmen inzwischen den Alltag der Kitas mit und ohne sie würde die Kita-Struktur nicht mehr realisierbar sein. Diese Alltagshelfer*innen haben übrigens gar keine Aus- oder Vorbildung.
    Ich erlebe Erzieher*innen die geben ihr bestes, jeden Tag und das trotz dieser Bedingungen. Hut ab. Sie betreuen das wertvollstes unserer Gesellschaft. Unsere Zukunft sind die Kinder.
    P.S. Ich bin selbst Erzieherin.

  2. Was für eine tolle, liebevolle Erzieherin! Zu so einem Menschen, der empathisch ist und sich reflektiert, gibt man als Elternteil sein Kind gern. Bestimmt hast du im Laufe deiner Berufsjahre vielen Kindern sehr viel Liebe gegeben und die Welt ein kleines Stückchen besser gemacht 🙂

  3. Ich bin selbst Erzieherin und behaupte,dass bereits die Ausbildung nicht ausreichend ist.Es ist unbedingt erforderlich ,damit die auftretenden Probleme professionell gelöst werden können.
    Die eigene Persönlichkeit sollte wie in vielen pädogogischen Berufen mit einigen Coachings angesehen werden.
    Dies ist ein vielseitiger Beruf,der ausserdem Kreativität und ständige Weiterbildungen erfordert.
    Empathie wäre in allen Berufen von Vorteil.
    Es ist nicht verwunderlich bei den Gruppengrössen,dem niedrigen Personalschlüssel und den weiter zunehmenden Familienproblemen,wenn Erzieher(innen) an ihre Grenzen geraten.
    Da hier Kinder betreut werden,die unsere Zukunft sein werden,kann ich nur Schweden als ein gutes Beispiel vorschlagen.Ich meine ich habe es selbst erlebt.
    Dies ist eine politische Frage wofür in unserem Land Geld ausgegeben wird.Sinnvoller Einsatz in Kitas und Schulen halte ich für einen wichtigen Weg.
    Eltern sollten nicht mehr Geld für ihre Kinder bekommen,sondern bessere Institutionen.
    Einkommensschwache Eltern oder Sozialhilfeempfänger haben bereits viele Möglichkeiten kostenlos Angebote zu erhalten.

    1. Wenn ich diese Zeilen lese, läuft es mir kalt den Rücken runter.
      Theoriewissen sollte immer Grundlage sein (bei Ärzten verlangt es sogar einen Durchschnitt von 1,0) und zur Professionalität gehört es ausnahmslos dazu.
      Auch ist jeder andere Beruf (ich bin selbst gelernte Industriekauffrau) ebenso vielseitig wie anspruchsvoll und sollte mit Respekt gesehen werden.
      Was den finanziellen Aspekt angeht, bin ich nicht deiner Meinung. Viele Eltern müssen Zuhause bleiben, weil sie keinen Kita-Platz finden, oder sind krank (z.b.Krebs) oder können aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf nicht mehr ausüben. Und hier zu sagen, dass es genug kostenlose Angebote gibt, ist absolut unkorrekt, denn hier fehlt der Blick auf die ländliche Gegend.
      Empathie basiert im Herzen und nicht im Geldbeutel.

  4. Liebe Marita,
    schade, dass viele ErzieherInnen, die ihren Job mit soviel Herzenswärme und Empathie wie Du machen, mittlerweile frühzeitig aussteigen, weil sie unter den bestehenden Strukturen zu sehr leiden… gerade solche Menschen braucht man… Menschen, die ‚das Kind‘ sehen und es begleiten wollen. Aber schon der Personalschlüssel lässt häufig nicht zu, dass man sich mit besonderen Kindern, die sich nicht direkt einfügen, auseinander setzen kann und das frustriert ungemein.
    Danke für Deine tollen Worte und alles Gute für Dich!

    1. Liebe Marita,
      ich habe größten Respekt vor Erzieherinnen, die es bis zur Rente in ihrem Beruf aushalten und die Empathie für die Kinder nicht verlieren. Ich glaube, kein Berufsanfänger wird das heute noch schaffen, was m.E. am gesellschaftlichen Wandel und den Strukturen liegt. Wenn der allgemeine Stresslevel steigt, werden Erzieherinnen zum mobbenden Hühnerhaufen, und wenn es erstmal so weit gekommen ist, ist es ganz schwer, das Rad wieder zurück zu drehen. Ich wurde 2x aus einer Kita rausgemobbt, obwohl mit den Kindern und Eltern alles prima war und einfach irgendetwas an meiner Person „dem Team“ oder „der Leitung“ nicht passte. Eine fachliche Begründung erhielt ich nicht. Jetzt bin ich in einem anderen Beruf sehr glücklich 🙂

  5. Liebe Marita,
    ich danke dir für deine offenen Worte. Ich bin auch Erzieherin und habe leider einige Missstände in Kitas erleben müssen. Überall herrschen Machtkämpfe und am wenigsten, geht es um die Kinder.
    Was mir besonders auffällt, das man geballtes Wissen in der Ausbildung vermittelt bekommt, aber nur geringfügig angewendet wird. Hier frag ich mich oft, liegt es an der fehlenden Kompetenz?
    Ein liebevoller Umgang sollte hierbei vorausgesetzt werden. Genauso das Zuhören, Wertschätzen und jedes Kind so anzunehmen wie es ist.
    Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Kinder genau spüren, wer sie mag und wer nicht.
    Mir ist auch aufgefallen, dass Kinder von Erziehern abgelehnt oder sogar ausgegrenzt werden. Das hat mein Herz gebrochen.
    Auch ich habe Mobbing erfahren, weil ich etwas verändern wollte.

    Heute bin ich Zuhause und habe mich bewusst für die 1:1 Betreuung und Pflege meiner Tochter entschieden.

    Ich wünsche Dir von Herzen eine gesegnete Advents – und Weihnachtszeit.

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