Gegen die Cannabis-Legalisierung: Meine Eltern waren süchtig

Gegen die Cannabis-Legalisierung

Foto: pixabay

Ihr Lieben, die Kindheit unserer Leserin war geprägt von der Sucht ihrer Eltern. Manchmal musste sie als Kind losfahren, um Drogendealer zu treffen, weil das Kinderticket für den Bus günstiger war. Verständlich, dass sie heute gegen die Cannabis-Legalisierung in Deutschland ist…

Du Liebe, du hast dich im Zuge unserer Berichterstattung zur Legalisierung von Cannabis bei uns gemeldet, es fällt dir schwer, sie zu akzeptieren, erzähl mal, warum.

Für mich als erwachsenes Kind, das aus einer Suchtfamilie stammt, ist das sehr schwer, ja. Mir ist zwar bewusst, dass es durchaus Menschen gibt, die von einer Legalisierung profitieren (bspw. aufgrund von Erkrankungen) und natürlich gilt auch hier, dass natürlich nicht jeder eine Sucht entwickelt. Viele Menschen konsumieren Cannabis genauso wie auch Alkohol verantwortungsbewusst, jedoch ist der Übergang zur Sucht oft fließend, dass konnte ich selbst oft beobachten.

Durch meine persönliche Geschichte ist dieses Thema für mich stark emotional belastet und ich denke, dass es vielen aus ähnlichen Familienverhältnissen genauso geht. Man lebt als Kind in ständiger Angst, das Geheimnis könnte auffliegen, muss das ambivalente Verhalten der Eltern aushalten. Haben sie gerade konsumiert, ist die Welt ok, doch was ist, wenn sich der Vorrat mal wieder dem Ende neigt? Es ist ein bisschen wie auf Eierschalen laufen. Ich habe im Laufe der Zeit sehr feine Antennen für die Befindlichkeit meiner Eltern entwickelt. Als Kind wäre das nicht meine Aufgabe gewesen. 

Wie war das damals, als du klein warst?

Gegen die Cannabis-Legalisierung
Foto: pixabay

Wie schon erwähnt, war unser Familienleben stark vom Konsum geprägt. Meinen Eltern hat man es deutlich angemerkt, ob sie gerade entspannt und gut gelaunt waren… oder eben nicht. Hatten sie z. B. nicht die Möglichkeit zu konsumieren, wurden sie schnell aggressiv. Das endete auch oft in häuslicher Gewalt.

Sie hatten dann sehr schlechte Laune, konnten nicht schlafen und der ganze Tag war davon geprägt, beispielsweise Geld aufzutreiben, um sich wieder Gras kaufen zu können. Dafür wurde dann auch gerne mal unser Taschengeld genommen oder sich Geld geliehen. Im Zweifelsfall wurde eben am Essen gespart. Als Kind in einen leeren Kühlschrank zu blicken mit knurrendem Bauch, das wünsche ich niemanden. 

War das also dauerhaft Thema bei euch?

Meine ganze Kindheit war geprägt davon, das Suchtgeheimnis meiner Eltern zu wahren. Denn sonst „würden Mama und Papa ins Gefängnis“ müssen, das redeten sie mir immer wieder ein, besonders meine Mutter war hier sehr emotional manipulativ.

Elterngespräche in der Schule wurden oft nicht wahrgenommen. Das musste dann auch ich ausbügeln. „Wieso kommt denn deine Mama schon wieder nicht?“ Das war eine der Fragen, die ich irgendwann schon selbst nicht mehr hören konnte. Ich musste sehr früh viel Verantwortung übernehmen, weil meine Eltern oft einfach nicht verfügbar waren für meine Bedürfnisse als Kind. 

Und nicht nur das, oder?

Genau, es war auch keine Seltenheit, dass ich zur Drogen-Beschaffung herhalten musste, da der Kinderfahrschein zu dieser Zeit noch billiger war, kam es öfter vor, dass ich zu Treffpunkten geschickt wurde, um die Drogen meiner Eltern abzuholen. Das hatte auch einfach den Vorteil, dass ein Kind natürlich unauffälliger ist. Tatsächlich sehe ich hier einen Vorteil der Legalisierung, denn ich hoffe, dass Kinder zumindest hierfür nicht mehr genötigt werden. 

Und du musstest dabei also immer schön so tun, als ob alles normal bei euch wäre?

Genau. Kritisches Nachfragen von Lehrern gab es öfter. Da ich allerdings immer gute Leistungen in der Schule erbracht habe und sonst auch möglichst unauffällig war, konnte ich das gut verheimlichen. Freunde hatte ich kaum und diese wenigen die ich hatte, habe ich nie Nachhause gebracht. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass ich ziemlich isoliert war, um eine schützende Distanz zu wahren.

Ich war für meine Eltern das Vorzeige-Kind, quasi der Beweis: „Bei uns ist alles super“. Auf Dauer funktioniert sowas allerdings nicht. Mit ca. 12 Jahren hat sich bei mir eine Depression entwickelt und selbstverletzendes Verhalten. Das war der Punkt, an dem der Schein langsam zu bröckeln begann. 

Wie war die Stimmung bei euch zu Hause?

Nun, wenn sie nicht konsumieren konnten, weil z. B. Ende des Monats kein Geld mehr übrig war, wurden sie aggressiv. Die Streitigkeiten meiner Eltern wurden dann auch oft handgreiflich, leider auch gegenüber uns Kindern kam das vor. Prinzipiell war die Stimmung immer sehr angespannt, irgendwie wusste man nie, wann die Stimmung wieder kippt. Das war sehr zermürbend. 

Was haben deine Eltern konsumiert?  

Hauptsächlich Cannabis, allerdings haben sie auch oft, wenn das nicht verfügbar war, auf Alkohol zurückgegriffen. Die Zeiten, in denen mehr Alkohol konsumiert wurde, fand ich jedoch tatsächlich schlimmer, da die Gewaltbereitschaft hier höher war. 

Waren sie denn unter Drogen liebevoll und ansprechbar zu dir und für dich?

Gegen die Cannabis-Legalisierung
Foto: pixabay

Leider nicht, solche Momente waren zwar da, jedoch selten. Als es mir immer schlechter ging durch die allgemeine Situation, waren sie nicht in der Lage, angemessen darauf zu reagieren. Ich denke, sie konnten oder wollten keine Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen. Sie haben auch nie verstanden, wieso es mir so geht, denn sie meinten, sie hätten ja stets alles für mich getan. Ich denke, sich die eigene Schuld einzugestehen, wäre zu viel für sie gewesen. 

Hast du mit irgendwem darüber gesprochen?

Mit sehr wenigen Menschen und auch erst sehr spät. Viele rieten mir, mein Zuhause zu verlassen. So richtig getraut habe ich mich das jedoch nie. Ein Bruch mit der eigenen Familie ist ja schließlich nichts, was man leichtfertig tut. 

Wie blickst du heute auf deine Kindheit?

Der Konsum hat mir definitiv einen Großteil meiner Kindheit zerstört. Für mich ist darum die Legalisierung emotional sehr, sehr schwierig auszuhalten. Etwas, das mir Jahrelang Angst gemacht hat und Verboten war, soll jetzt plötzlich ganz normal sein. Das fühlt sich irgendwie sehr seltsam an. Ich bedauere oft, dass meine Kindheit eben nicht so unbeschwert war, wie sie es eigentlich hätte sein sollen. 

Du bist gegen die Cannabis-Legalisierung: Welche Sorgen hast du, wenn Kiffen jetzt erlaubt wird?

Ich habe Sorge, dass ich ungewollt wieder in ein Umfeld komme, in dem der Konsum den Alltag bestimmt. Ich habe mich letzutlich doch bewusst von meiner Familie getrennt, weil ich damit nichts mehr zu tun haben will. Sich jetzt wieder damit konfrontiert zu sehen, holt viele alte Gefühle und Ängste wieder hoch. 

Wann hast du den Kontakt zu deinen Eltern abgebrochen, konntet ihr euch irgendwann mal aussprechen? Haben sie irgendwann aufgehört oder konsumieren sie noch immer?

Ich habe den Kontakt vor einigen Jahren abgebrochen. Seitdem geht es mir sehr viel besser. Ausgesprochen haben wir uns nie, das wollte ich auch nicht, da ich keinen Sinn mehr darin sehe. Das liegt einfach auch an der fehlenden Einsicht seitens meiner Eltern. Soweit ich es weiß, konsumieren sie bis heute. Angefangen hatten sie übrigens schon mit ca. 14 Jahren. Ich denke, wenn man so lange konsumiert, ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr gering, dass man es irgendwann beendet. 

Wie lebst du heut selbst? Hast du Kinder? Falls ja: Welche Werte gibst du ihnen mit?

Ich lebe mittlerweile glücklich zusammen mit meinem Mann an einem anderen Ort, weit genug entfernt von meiner Heimat. Für mich gab es nichts Besseres, als einmal komplett neu anzufangen. Das hat sich sehr befreiend angefühlt. 

Sind bei dir Alkohol und Co. Tabu oder hast du einen gesünderen Zugang zu legalen Drogen?

Ich selbst habe einen gesunden Umgang mit Alkohol. Wenn überhaupt trinke ich mal etwas an Silvester oder mal an einer Feierlichkeit wie z. B. Geburtstagen. Ich brauche das auch nicht unbedingt. Mit Cannabis habe ich bis heute keine eigene Erfahrung gemacht und möchte das auch nicht. 

Und was gibst du deinen Kindern in dieser Hinsicht mit?

Meinem eigenen Kind hoffe ich mitgeben zu können, dass man auch ohne bewusstseinsverändernde Substanzen Spaß haben kann und diese schon gleich dreimal nicht als Problemlösung verwenden sollte. Ich hoffe, dass wir als Familie, damit einen gesunden Umgang finden werden. Denn trotz all dem denke auch ich, dass ein Verbot nur wenig bewirkt. Konsumiert wurde ja ohnehin schon immer.

Was ist dir also wichtig?

Wichtig ist, einen verantwortungsbewussten Umgang damit zu finden, die Altersgrenze betrachte ich allerdings kritisch, denn mit 18 ist die Hirnentwicklung bei weitem noch nicht abgeschlossen. Ich würde nicht wollen, dass mein Kind schon so früh Zugang zu Cannabis hat. Allerdings gilt das auch für Alkohol. Ob eine Durchsetzung von einer höheren Altersgrenze realistisch ist, bezweifle ich jedoch, wir waren ja alle mal in dem Alter… 

a870313397374f32ba221118a8de1adb

Du magst vielleicht auch

4 comments

  1. Zunächst muss ich sagen, dass ich geschockt über das verantwortungslose Verhalten dieser Eltern bin. Ich kenne wirklich viele Eltern, die hier und da mal kiffen, aber keines dieser Elternpaare käme auf die völlig bescheuerte Idee, das eigene Kind zum Dealer zu schicken um Weed zu holen.

    Abgesehen davon ist genau dieses Fallbeispiel aus dem Artikel ein Grund FÜR die Legalisierung. Denn die beschriebene prekäre Situation war unmittelbare Folge des Cannabisverbots.

    Dieses ganze Versteckspiel und die Besuche bei kriminellen Dealern sind nach einer Legalisierung nicht mehr nötig.

    Zudem ist es für Leute, die eine Suchtproblematik mit Cannabis entwickelt haben leichter sich Hilfe zu holen, wenn sie keine Angst vor Strafverfolgung haben müssen. Und Hilfe hätten diese Eltern wirklich gebraucht.

    Ich selbst hatte ja auch mal eine ziemlich lange und heftige Kifferphase in meinem Leben und ich habe das allen Ärzten (auch dem Hausarzt meines Vertrauens) immer verschwiegen, weil ich nicht wollte, dass es irgendwo aktenkundige Aufzeichnungen darüber gibt. Denn es gilt zwar die ärztliche Schweigepflicht aber es gibt eben doch bestimmte Situationen in denen man z.B. für medizinische Begutachtungen eine Schweigepflichtentbindung erteilen muss und da wollte ich keine Hinweise auf Cannabiskonsum im Vorerkrankungsverzeichnis haben.

  2. Hallo,

    auch ich möchte mein Bedauern aussprechen, dass Du so unschöne Erfahrungen in Deiner Kindheit machen musstest. Ähnlich wie bei Lisas Beitrag gegen eine Legalisierung vor einiger Zeit, denke ich aber trotzdem auch hier, dass Deine Erfahrungen nicht wirklich ein Argument gegen die Legalisierung sind. Denn: diese schwierige Kindheit mit süchtigen Eltern hattest Du ja in einer Zeit, in der Cannabis verboten war!! Daran sieht man ja, dass das Problem die Sucht ist, und die gibt es immer, ganz egal ob Drogen verboten sind oder nicht. Prävention kann nur durch Aufklärung gelingen, nicht durch Verbote, die ja sowieso nicht durchzusetzen sind, wie man jahrzehntelang beobachten konnte. Die mit der Legalisierung von Cannabis verbundene Hoffnung ist ja, dass der Konsum aus der Schmuddelecke rauskommt und der bewusstere Umgang damit gelernt wird.
    Was würde denn passieren, wenn man Alkohol oder Zigaretten verbieten würde? Die Leute würden erstmal (zu Recht?) protestieren, weil sie sich entmündigt fühlen würden. Und würden sich das Zeug (mit gravierenden gesundheitlichen Nebenwirkungen) auf dem Schwarzmarkt besorgen. Keine Alternative, deshalb denkt da auch niemand ernsthaft drüber nach, dabei ist Alkohol mit Sicherheit nicht weniger schädlich als kiffen.
    Wenn Menschen wir Du, die schlechte Erfahrungen mit Drogen gemacht haben, sich gegen eine Legalisierung aussprechen, geht es wohl um die Hoffnung, anderen Kindern diese traurigen Erfahrungen zu ersparen, aber dieses Ziel würde man damit nicht erreichen, leider.

  3. Ich habe ähnliche schlechte Erfahrungen mit einem Cannabis Süchtigen gemacht. Mein damaliger Freund hat konsumiert, seit er ca. 15/16 war. Anfangs hatte er seine Sucht ganz gut im Griff, aber zuletzt brauchte er es jeden Tag, um entspannen zu können oder überhaupt zu funktionieren. Er hat dann immer mehr Spleens entwickelt und wurde auch teilweise gewalttätig, und geendet ist es in einer Psychose und langfristigen Aufenthalten in der Psychiatrie. Seitdem halte ich Cannabis nicht mehr für harmlos und bin ziemlich entsetzt über die Legalisierung, weil es den Jugendlichen eine Harmlosigkeit vermittelt, die nicht der Realität entspricht.

  4. Erst mal tut es mir sehr leid, dass du das in deiner Kindheit durchmachen musstest. Zweitens möchte ich sagen, dass ich, was die Legalisierung angeht, noch zwischen befürworten und ablehnen schwanke.
    Aber, ich denke in dem oben beschriebenen Fall war das größte Problem, dass zwei Drogensüchtige ein Kind bekommen haben. Gäbe es ein Cannabis, wäre es Alkohol oder eine andere Droge gewesen. Dass Cannabis legalisiert wird, heißt ja nicht, dass es plötzlich mehr Drogensüchtige gibt und die dann Kinder in die Welt setzen. Wer anfällig für Suchtmittel ist, der findet einen Weg, an die diese Mittel zu kommen. Wichtiger sind für mich ausreichend Anlaufstellen, nicht nur für Süchtige, sondern eben auch für Kinder von Süchtigen, die darüber Hilfe bekommen können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert