Tabuthema Häusliche Gewalt: Fünf Frauen erzählen von ihrem Martyrium

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Die Zahlen machen sprachlos: Alle fünf Minuten wird in Deutschland eine Frau misshandelt, gestalkt oder bedroht. Gestern hat Familienministerin Franziska Giffey in Berlin die Statistik zu Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamts (BKA) vorgestellt. Demnach haben im vergangenen Jahr 138893 Menschen – davon 113965 Frauen – von ihrem Partner oder Ex-Partner Gewalt erfahren. Häusliche Gewalt zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten, viele Opfer schweigen aus Scham und zeigen die Täter nie an. Noch immer ist häusliche Gewalt ein Tabu-Thema. Das wollen wir brechen und haben über unsere Facebook-Seite gefragt, wer bereits Opfer von Gewalt durch den Partner wurde. Wir haben erschreckend viele Nachrichten erhalten und erzählen hier stellvertretend die Geschichten von fünf Frauen: 

Claudia: "Ich war sieben Jahre mit einem Mann verheiratet, der mir gegenüber gewalttätig war. Das erste Mal schlug er mich schon nach vier Monaten Beziehung. Ich dachte beim ersten Mal, dass es meine Schuld gewesen sei und habe ihm verziehen. Ich habe gehofft, dass es bei dem einen Mal bleibt, aber die Gewalt nahm stetig zu. Er war körperlich und psychisch übergriffig, am Ende der Beziehung auch sexuell. Um zuzuschlagen reichten oft Kleinigkeiten – wenn ich die falschen Klamotten gebügelt hatte, zu spät von der Arbeit kam oder mein Sohn weinte. Anfangs entschuldigte er sich noch nach einem Ausbruch, schenkte mir Blumen und versprach, dass es nicht wieder vorkommen würde. Nach einiger Zeit jedoch entschuldigte er sich nicht mal mehr. Ich bin psychisch krank geworden und musste in eine Klinik. Dort haben die Menschen mir geholfen, meinen Mann zu verlassen. Ich habe ihn nie angezeigt, weil ich mich so sehr schäme und einfach nur vergessen will. Vor sechs Wochen gab es dann nochmal einen Zwischenfall, er drohte, den Kindern und mir etwas anzutun, wenn ich die Polizei hole. Also habe ich nichts unternommen. Mein Ex hat mittlerweile eine neue Freundin. Sie tut mir leid, aber ich kann sie nicht beschützen. Ich leide ja selbst noch unter den Folgen dieser Beziehung. Nur mit der Hilfe von einem Psychater und Medikamenten habe ich meine Angstattacken unter Kontrolle. Dieser Mann hat mein Leben kaputt gemacht."

Moni: "Die Beziehung war von Anfang an von Höhen und Tiefen geprägt. Nach etwa sechs Monaten Beziehung aber fing er an, sich zu verändern. Immer, wenn er Stress hatte oder irgendwas nicht so lief, wie er sich das vorgestellt hatte, schrie er rum oder schmiss Sachen durch die Gegend – und irgendwann schlug er dann zu. Anfangs entschuldigte er sich noch, aber umso mehr ich ihm verzieh, desto mehr schob er mir die Schuld für die Schläge zu. Er sagte dann: "Das passiert eben, wenn du nicht machst, was ich sage" oder "Du hast mich eben genervt." Die Spuren der Schläge habe ich gut versteckt. Ich trug nur noch langärmliche Shirts und viel Make-up. Eines Tages dann, ich war bei einer Freundin gewesen und kam nach Hause, war mein Ex der festen Überzeugung, ich würde ihn betrügen. Wir wohnten damals im zweiten Stock und das Fenster war offen – er nahm mich am Oberarm und drückte mich in Richtung des offenen Fensters. In dem Moment wachte mein Sohn aus dem Mittagsschlaf auf und rief nach mir – ich bin mir sicher, dass ich sonst aus dem Fenster geflogen wäre. Da wusste ich, dass ich handeln muss. Als ich ihm sagte, dass ich mich trennte, drohte er mir zwar zunächst, aber ich habe seitdem Ruhe. Ich habe ihn nicht angezeigt, weil ich mich so schwach fühlte und niemandem mehr vertraut habe. Heute geht es mir wieder gut, ich habe einen sehr lieben Mann gefunden und bin glücklich verheiratet." 

Jutta: "Mein Ex-Mann hat mir eigentlich fast von Beginn an psychische Gewalt angetan, er machte mich klein, wertete mich ab, manipulierte mich. Die Stimmung war immer angespannt, die Kinder und ich mussten immer auf der Hut sein. "Bloß nicht den Erzeuger stören"  – dieser Satz beschreibt es am Besten. Er hat mich auch einmal geschlagen, einmal gegen die Wand geschupst, da war ich im sechsten Monat schwanger und er hat mich zwei mal vergewaltigt. Auch die beiden älteren Kinder haben Ohrfeigen und Kopfnüsse kassiert. Wenn ich die Gewalt thematisiert habe, hat er es entweder abgestritten oder gesagt, dass das nur passiert sei, weil ich mich falsch verhalten hätte. Als die Kleinste 1,5 Jahre alt war, habe ich mich getrennt. Er drängte mich zu einer Brust-OP, weil ihm meine Brüste nicht groß genug waren. Aus lauter Verzweiflung schlug ich ihm vor, dass er ins Bordell gehen könnte, um sich dort mit Frauen mit größeren Brüsten zu vergnügen. Ich sagte ihm allerdings, dass er dort keinen Sex haben dürfte und dass ich nicht wissen möchte, wann und ob er dort war. An diese Abmachung hat er sich nicht gehalten, sondern mir davon erzählt und die Besuche als Druckmittel benutzt. Da habe ich ihn rausgeschmissen. Später habe ich auch erfahren, dass er sehr wohl Sex im Bordell hatte. Die Trennung hat er nicht akzeptiert, er drohte, er würde mir die Kinder wegnehmen oder  mir etwas antun. Mein Exmann ist psychisch krank, er hat rezidivierende Depression, Suizidalität, Psychosen, er lügt und verdreht Tatsachen. Trotz der Trennung muss ich noch Kontakt zu ihm haben, weil er die Kinder sehen darf. Ich versuche gerade durchzusetzen, dass er nur noch begleiteten Umgang haben darf – aber die Mühlen von Justiz und Jugendamt mahlen langsam. Ich fühle mich da oft alleingelassen. Ich habe die Hoffnung verloren, dass mein Mann seine Störungen überwindet und wir endlich Ruhe haben. Ich habe meinen Ex nicht angezeigt – wie soll man psychische Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe nachweisen? Für die Kinder und mich ist die ganze Situation nach wie vor sehr belastetend, denn vorallem die Kinder sind immer noch der Manipulation meines Exmannes ausgesetzt." 

Julia: "Wir waren drei Jahre zusammen und ich im vierten Monat mit unserem ersten Kind schwanger, als er mich das erste Mal ohrfeigte und mich aufs Bett schleuderte. Der Grund dafür? Ihm passte mein Outfit nicht. Er entschuldigte sich und tatsächlich war erstmal Ruhe, bis unser Sohn ein Jahr alt war. Wir hatten sehr unterschiedliche Auffassungen, was Kindererziehung angeht. Er war sehr streng, forderte von meinem Sohn viel zu viel. Sobald ich es wagte, ihm zu wiedersprechen oder auf einen Kompromiss zu drängen, wurde ich geschlagen, gewürgt, am Ohr gezogen oder auch die Treppe herunter gestoßen. Nach außen hin war er Prinz Charming, gutaussehend, freundlich, kulturell interessiert. Doch zu mir war er nur noch kaltherzig. Er kümmerte sich nicht mehr um uns, blieb tagelang weg, betrog und schlug mich – ich flehte ihn an, bettelte, betete und versuchte ihn zur Besinnung zu bringen. Ohne Erfolg. Ich gab mich auf, ließ mir einreden, dass alles meine Schuld sei, dass ich ihn nicht respektieren würde. Als ich meinem Mann einmal sagte, dass das häusliche Gewalt sei, sagte er nur, ich solle froh sein, dass er nur ab und zu zuschlägt und dass es Frauen gibt, die einmal pro Woche in der Notaufnahme sitzen. Freunde erkannten mich kaum wieder. Ich war früher voller Energie, sozial engagiert, voller Leben und Liebe – davon war nichts mehr übrig. Er schrieb mir vor, was ich anziehen sollte, misshandelte mich körperlich und psychisch. Zum Glück hatte ich eine Kollegin, die bereits Opfer von häuslicher Gewalt begleitet hatte. Mit ihrer Hilfe schaffte ich es, nach sechs Jahren meinen Mann anzuzeigen. Ich erwirkte auch eine einstweilige Verfügung, war aber nervlich und körperlich so am Ende, dass ich mir kaum noch die Schuhe zubinden konnte. Ich ging zur Psychotherapie und musste mir eingestehen, dass meine Familie im Arsch war, dass ich meinen Mann nicht kannte, ihn nicht halten konnte und dass ich die Verantwortung für meine Kinder total unterschätzt hatte. Dass ich dafür sorgen musste, dass sie nicht in so einem Elternhaus aufwachsen müssen. Und so blieb nur der totale Kontaktabbruch. Er drohte mir mehrmals, dass er mich und die Kinder umbringen würde, wenn ich ihn verließe. Aber ich habe es durchgezogen. Ich habe einen neuen Partner und lerne nun endlich kennen, wie eine Partnerschaft sein kann. Ich habe hart an mir und meiner Geschichte gearbeitet und ich habe meinen Frieden gefunden." 

Mary: "Wir waren fünf Jahre zusammen und hatten bereits zwei Kinder, als mein Ex und ich aus der Dominikanischen Republik – wo ich bis dahin lebte – nach Deutschland gezogen sind. Eigentlich dachte ich, wir würden höchstens ein Jahr dort bleiben und dann wieder zurück, aber mein Ex sagte, die Kinder hätten hier bessere Chancen. Von Beginn an hatte mein Ex einen Hang zu Manipulation, Spielsucht und Gewalt – vorallem der psychischen Gewalt. Er schaffte es, dass ich komplett unsicher und von ihm abhängig wurde. Er sagte, wenn ich ihn verlassen würde, stände ich auf der Straße, er würde die Kinder behalten und einer Frau aus der Dominikanischen Republik würde eh keiner glauben. Neben der psychischen Gewalt schlug er mich auch ab und zu, besonders wenn er durch seine Spielsucht mal wieder zu viel Geld verloren hatte – dann musste er Dampf ablassen und da kam ich gerade recht. Als es für mich immer schlimmer wurde, suchte ich mir Hilfe und fand heraus, dass man mir gar nicht die Kinder wegnehmen würde, wenn ich ihn verlassen würde. Das teilte ich ihm an einem Abend dann auch mit. Worauf der den Kinder-Golfschläger aus Plastik holte und auf mich eindrosch. Das war so heftig, dass ich zur Polizei geflüchtet bin, die mich und die Kinder in ein Frauenhaus gebracht hat. Mein Ex hat die Trennung nicht akzeptiert. Zuerst versuchte er, mich zu kontaktieren, wollte mir Blumen schicken und schwor seine Liebe. Danach fing er an, mich bei den Ämtern schlecht zu machen und schlimme Dinge über mich zu erzählen. Ich habe ihn mittlereile auch angezeigt, die Kinder sieht er auch nicht mehr. Es war eine harte Zeit, ich hatte früher Depressionen und Angstzustände. Ich wusste oft nicht, wie mein Leben weiter gehen soll. Aber ich bin eine Kämpferin und gebe nicht auf." 

 

Foto: Pixabay

 

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1 comment

  1. Bitte schreibt unter eurem Artikel auch Rufnummern an die dich beyroffene Frauen wenden kœnnen. So eine Thematik sollte nicht ohne Hilfleistung im Web stehen.

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